Jamie kommentierte ihr Herumgealber mit einem Schnauben, lächelte aber dennoch.
»Madame?« Er hielt mir den Arm hin. Ich ergriff ihn und rauschte elegant über den Pfad zu den Toren von River Run, die zu unserer Begrüßung weit offen standen.
Innen war das Haus großzügig angelegt und luftig, und alle Räume im Parterre hatten hohe Decken und breite Fenster zum Garten.
Als wir an einem großen, offiziellen Speisezimmer vorbeikamen, erspähte ich Silber und Kristall und dachte mir, dass Hector Cameron wirklich ein erfolgreicher Plantagenbesitzer gewesen sein musste.
Jocasta führte uns in ihr privates Wohnzimmer, einen kleineren, intimeren Raum, der zwar nicht weniger aufwendig möbliert war als die anderen Zimmer, neben dem Glanz der Möbel und glitzernden Ornamente aber auch einen Hauch von Gemütlichkeit ausstrahlte. Auf einem kleinen, polierten Holztisch stand ein großer Strickkorb voller Wollknäuel, daneben eine Glasvase mit einem dicken Strauß Sommerblumen und eine kleine verzierte Silberglocke; ein Spinnrad drehte sich sanft von selbst im Wind, der durch die offene Fenstertür hereinwehte.
Der Butler eskortierte uns in das Zimmer, half seiner Herrin, sich hinzusetzen, und ging zu einer Anrichte, auf der eine Ansammlung von Krügen und Flaschen stand.
»Einen Schluck zur Feier deiner Ankunft, Jamie?« Jocasta deutete mit ihrer langen, schlanken Hand auf die Anrichte. »Du hast wahrscheinlich keinen anständigen Whisky mehr getrunken, seit du Schottland verlassen hast, aye?«
Jamie lachte und nahm ihr gegenüber Platz.
»Das ist allerdings wahr, Tante Jocasta. Und wie kommst du hier an Whisky?«
Sie lächelte achselzuckend und machte ein selbstzufriedenes Gesicht.
»Dein Onkel hat das Glück gehabt, sich vor einigen Jahren einen guten Vorrat anzulegen. Er hat ein Lagerhaus voll Tabak gegen eine halbe Schiffsladung Wein und Schnaps eingetauscht und hatte vor, den Alkohol zu verkaufen – doch dann hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, nach dem es niemandem außer der Krone erlaubt ist, in den Kolonien Alkohol zu verkaufen, der stärker ist als Ale, und so sind die zweihundert Flaschen in unserem Weinkeller gelandet!«
Sie streckte die Hand nach dem Tisch neben ihrem Sessel aus, ohne sich die Mühe zu machen, den Blick dorthin zu wenden. Das brauchte sie auch nicht, denn der Butler stellte ihr Whiskyglas genau dorthin, wo ihre Finger es berühren würden. Sie schloss die Hand um das Glas und hob es hoch, führte es an ihre Nase, roch daran und schloss voll sinnlichem Vergnügen die Augen.
»Wir haben noch einiges davon übrig. Mehr, als ich selber schlucken kann, das sage ich dir!« Sie öffnete lächelnd die Augen und prostete uns zu. »Auf dich, Neffe, und deine liebe Frau – ich hoffe, ihr werdet euch hier zu Hause fühlen. Slàinte!«
»Slàinte mhar!«, antwortete Jamie, und wir tranken.
Es war wirklich guter Whisky, weich wie Seide und herzerwärmend wie Sonnenschein. Ich spürte, wie er meinen Magen erreichte, sich dort warm ausbreitete und an meinem Rückgrat hochkroch.
Auf Jamie schien er ähnlich zu wirken: Ich sah, wie das leichte Stirnrunzeln verschwand, als sich sein Gesicht entspannte.
»Ich lasse Ulysses noch heute Abend einen Brief schreiben und deiner Schwester sagen, dass ihr sicher hier angekommen seid«, sagte Jocasta. »Sie hat sich sicher große Sorgen um ihren Jungen gemacht, wo euch doch unterwegs so viel Unglück hätte zustoßen können.«
Jamie stellte sein Glas hin und stählte sich räuspernd für seine Beichte.
»Was das Unglück angeht, Tante Jocasta, so fürchte ich, ich muss dir sagen …«
Ich wandte den Blick ab, denn ich wollte sein Unbehagen nicht noch dadurch vergrößern, dass ich ihm zusah, während er ihr ausführlich unsere desolate Lage erklärte. Jocasta hörte sehr aufmerksam zu und gab leise Unmutslaute von sich, als er von unserer Begegnung mit den Piraten berichtete. »Heimtückisch, ach, wie heimtückisch!«, rief sie aus. »Dir deine Großzügigkeit so heimzuzahlen! Der Mann gehört an den Galgen!«
»Tja, das ist nur an mir gescheitert, Tante Jocasta«, sagte Jamie reumütig. »Wäre ich nicht gewesen, wäre er an den Galgen gekommen. Und da ich von Anfang an wusste, dass der Mann ein Schurke ist, darf es mich nicht überraschen, wenn er schließlich wieder Schurkereien begeht.«
»Mmpf.« Jocasta richtete sich in ihrem Sessel auf und blickte beim Sprechen knapp an Jamies linker Schulter vorbei.
»Wie auch immer, Neffe. Ich habe gesagt, dass du River Run als dein Zuhause betrachten sollst, und ich habe es so gemeint. Du und die Deinen, ihr seid hier willkommen. Und ich bin sicher, dass uns etwas einfallen wird, wie wir dir wieder zu Geld verhelfen.«
»Ich danke dir, Tante Jocasta«, murmelte Jamie, doch auch er wollte ihr nicht in die Augen sehen. Er blickte zu Boden, und ich sah, dass er seine Hand so fest um das Whiskyglas geschlossen hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Glücklicherweise wandte sich das Gespräch jetzt Jenny und ihrer Familie in Lallybroch zu, und Jamies Verlegenheit ließ etwas nach. Das Abendessen war bestellt worden; der Abendwind, der über die Rasenflächen und Blumenbeete wehte, trug verlockende Duftwolken von gebratenem Fleisch aus dem Küchengebäude herbei.
Fergus stand auf und entschuldigte sich höflich, während Ian durch das Zimmer wanderte, einzelne Gegenstände näher betrachtete und sie wieder hinstellte. Rollo, dem es innen zu langweilig war, schnüffelte eifrig an der Türschwelle herum, wobei ihn der pingelige Butler mit offener Abneigung beobachtete.
Das Haus und sein Mobiliar waren schlicht, aber gut gearbeitet, schön anzusehen und mit etwas mehr als nur Geschmack arrangiert. Der Grund für die eleganten Proportionen und Arrangements wurde mir klar, als Ian abrupt vor einem großen Gemälde an der Wand innehielt.
»Tante Jocasta!«, rief er aus und drehte sich aufgeregt zu ihr um. »Hast du das gemalt? Es steht dein Name drauf.«
Ich glaubte einen plötzlichen Schatten über ihr Gesicht huschen zu sehen, doch dann lächelte sie wieder.
»Den Blick auf die Berge? Aye, ich habe die Aussicht immer gern gemocht. Ich habe Hector ins Hinterland begleitet, wenn er dort Felle kaufen wollte. Wir haben dann in den Bergen campiert und ein Riesenfeuer gemacht, ein Signalfeuer, das die Bediensteten Tag und Nacht unterhielten. Innerhalb von ein paar Tagen sind die Rothäute durch den Wald zu uns gekommen und haben sich am Feuer niedergelassen, um zu reden und Whisky zu trinken und zu verhandeln – und ich, ich habe stundenlang mit meinem Skizzenbuch dagesessen und Kohlezeichnungen von allem gemacht, was ich sehen konnte.«
Sie drehte sich um und deutete in die andere Zimmerecke.
»Sieh dir das Bild in der Ecke an, Junge. Such mal, ob du den Indianer finden kannst, der sich zwischen den Bäumen versteckt.«
Jocasta trank ihren Whisky aus und stellte ihr Glas hin. Der Butler bot ihr an, es erneut zu füllen, doch sie winkte ab, ohne ihn anzusehen. Er setzte die Karaffe ab und verschwand still im Flur.
»Aye, ich habe den Anblick der Berge geliebt«, sagte Jocasta noch einmal leise. »Sie sind nicht so schwarz und kahl wie in Schottland, aber die Sonne auf den Felsen und der Nebel in den Bäumen haben mich manchmal an Leoch erinnert.«
Dann schüttelte sie den Kopf und lächelte Jamie ein bisschen zu strahlend an.
»Aber das hier ist jetzt schon lange mein Zuhause, Neffe – und ich hoffe, du wirst es auch als das deine betrachten.«
Wir hatten kaum eine andere Wahl, doch Jamie nickte und murmelte gehorsam ein paar Dankesworte. Dabei wurde er allerdings von Rollo unterbrochen, der seinen Kopf mit einem aufgeschreckten Wuff! hob.
»Was ist los, Junge?«, fragte Ian und stellte sich neben den großen Wolfshund. »Riechst du was?« Rollo starrte winselnd auf das schattige Blumenbeet hinaus, und sein dichtes Fell zuckte unbehaglich.
Jocasta wandte den Kopf zur offenen Tür und schnüffelte hörbar. Ihre feinen Nasenlöcher waren gebläht.
»Ein Skunk«, sagte sie.
»Ein Skunk!« Ian fuhr zu ihr herum und starrte sie entgeistert an. »Sie kommen so nah ans Haus ran?«