Campbell begrüßte Jocasta erfreut, verbeugte sich höflich vor mir, registrierte Ian mit einem Zucken seiner Augenbrauen und wandte sich dann mit der ganzen Ausdruckskraft seiner gewitzten grauen Augen an Jamie.
»Ich bin sehr erfreut, dass Ihr hier seid, Mr. Fraser«, sagte er und streckte die Hand aus. »Wirklich sehr erfreut. Ich habe viel von Euch gehört, seit Eure Tante erfahren hat, dass Ihr River Run besuchen wollt.«
Er schien wirklich erfreut, Jamie kennenzulernen, was mir merkwürdig vorkam.
Nicht, dass es nicht die meisten Menschen freute, Jamie kennenzulernen – er war ein sehr einnehmender Mann, wenn ich das sagen darf –, doch es schien fast so etwas wie Erleichterung in Campbells überschwenglicher Begrüßung zu liegen, was mir ungewöhnlich vorkam bei einem Mann, dessen äußerliche Erscheinung eher auf Zurückhaltung und Schweigsamkeit schließen ließ.
Falls es Jamie merkwürdig vorkam, so verbarg er dies hinter einer Fassade der Höflichkeit.
»Eure Aufmerksamkeit schmeichelt mir, Mr. Campbell.« Jamie lächelte freundlich und verbeugte sich vor den Marineoffizieren. »Meine Herren? Ich bin ebenfalls erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.«
Auf dieses Stichwort hin stellten sich eine rundliche, finster dreinblickende kleine Person namens Leutnant Wolff und seine beiden Fähnriche vor und verbeugten sich flüchtig, um mich und Jocasta dann aus ihren Gedanken und Gesprächen zu verbannen und ihre Aufmerksamkeit augenblicklich einer Unterhaltung über Festmeter und Hektoliter zuzuwenden.
Jamie zog die Augenbraue hoch, deutete mit leichtem Kopfnicken auf Jocasta und bedeutete mir in ehelicher Signalsprache, dass ich mir seine Tante schnappen und mich mit ihr verdrücken solle, während es ums Geschäft ging.
Jocasta zeigte allerdings nicht die geringste Bereitschaft, sich zu entfernen.
»Geht nur, meine Liebe«, drängte sie mich. »Josh wird Euch alles zeigen. Ich warte einfach im Schatten, während die Herren ihre Geschäfte erledigen. Die Hitze ist einfach zu viel für mich, fürchte ich.«
Die Männer hatten in einer Hütte mit offener Front Platz genommen, in der ein einfacher Tisch und eine Anzahl Hocker standen; wahrscheinlich nahmen hier die Sklaven ihre Mahlzeiten zu sich und nahmen die Kriebelmücken in Kauf, wenn sie nur frische Luft hatten. Eine andere Hütte diente Lagerzwecken; die dritte, die eingezäunt war, war demnach wohl das Schlafquartier.
»Man erhitzt das Terpentin und verkocht es zu Pech«, erklärte Josh und führte mich in Sichtweite der Kessel. »Ein Teil wird so, wie er ist, in Fässer gefüllt« – er deutete auf die Hütten, bei denen ein Wagen stand, der hoch mit Fässern beladen war –, »aber aus dem Rest wird Pech gemacht. Die Herren von der Marine sagen uns, wie viel sie brauchen, damit wir Bescheid wissen.«
Ein kleiner Junge von sieben oder acht saß auf einem hohen, wackeligen Hocker und rührte mit einem langen Stock in dem Kessel; ein größerer Junge stand mit einer enormen Schöpfkelle daneben, mit der er die oben schwimmende, leichtere Schicht von gereinigtem Terpentin abschöpfte und in ein Fass an der Seite goss.
Während ich ihnen zusah, kam ein Sklave mit einem Maultier aus dem Wald und hielt auf den Kessel zu. Ein anderer Mann kam ihm zu Hilfe, und gemeinsam luden sie die – offensichtlich schweren – Fässer vom Rücken des Maultiers und leerten das duftende, gelbliche Kiefernharz in einer lärmenden Kaskade in den Kessel.
»Och, tretet besser einen Schritt zurück, Ma’am«, sagte Josh und nahm mich am Arm, um mich vom Feuer wegzuziehen. »Das Zeug spritzt ziemlich, und falls es Feuer fängt, wollt Ihr bestimmt nicht verbrennen.«
Nach dem Anblick des Mannes im Wald wollte ich mir ganz gewiss keine Verbrennungen zuziehen. Ich wich zurück und blickte mich zu den Hütten um. Jamie, Mr. Campbell und die Männer von der Marine saßen auf den Hockern um den Tisch in der einen Hütte, teilten sich den Inhalt einer Flasche und stocherten in einem Haufen Papiere herum.
Von außen gegen die Wand der Hütte gepresst und für die Männer im Inneren unsichtbar, stand Jocasta Cameron. Die Ausrede von ihrer Erschöpfung vergessend, spitzte sie mit aller Kraft die Ohren.
Josh sah meinen überraschten Gesichtsausdruck und drehte sich um, um zu sehen, wohin ich blickte.
»Miss Jo hasst es, wenn sie nicht alle Fäden in der Hand hält«, murmelte er bedauernd. »Ich hab’s noch nicht selbst erlebt, aber Phaedre hat mir erzählt, wie die Herrin sich anstellt, wenn sie mit etwas nicht allein fertigwird – macht ein furchtbares Theater und stampft mit den Füßen.«
»Das muss ein ziemlich bemerkenswerter Anblick sein«, murmelte ich. »Aber was schafft sie denn nicht allein?« Allem Anschein nach hatte Jocasta Cameron ihr Haus, ihre Felder und ihre Leute fest in der Hand.
Jetzt zog er ein überraschtes Gesicht.
»Och, die verflixte Marine. Hat sie Euch nicht gesagt, warum wir heute hier sind?«
Bevor ich mich der faszinierenden Frage widmen konnte, warum Jocasta mit der britischen Marine fertigwerden wollte, ob nun heute oder zu einem späteren Zeitpunkt, unterbrach uns ein Warnruf vom anderen Ende der Lichtung. Ich drehte mich um und wurde fast von einigen halbnackten Männern niedergetrampelt, die in Panik auf die Hütten zurannten.
Auf der anderen Seite der Lichtung erhob sich ein merkwürdiger Hügel. Ich hatte ihn schon zuvor bemerkt, war aber noch nicht dazu gekommen, mich danach zu erkundigen. Der Boden der Lichtung bestand zum Großteil aus Erde, doch der Hügel war mit Gras bedeckt – aber es war ein seltsam fleckiges Gras: teils grün, teils gelb vertrocknet, und hier und da ein Rechteck, das völlig braun war.
Gerade als ich begriff, dass das daher kam, dass der Hügel mit ausgestochenen Grassoden bedeckt war, flog das Ganze in die Luft. Es gab kein Explosionsgetöse, nur ein unterdrücktes Geräusch wie ein enormes Niesen und eine leichte Druckwelle, die mir über die Wange strich.
Es hörte sich zwar nicht an wie eine Explosion, doch es sah zweifellos so aus; überall auf der Lichtung regneten Stücke des Grasbelages und verbrannte Holzsplitter herab. Es gab ein großes Geschrei, und Jamie und seine Begleiter kamen aus der Hütte geschossen wie eine Schar aufgescheuchter Fasane.
»Geht’s dir gut, Sassenach?« Mit ängstlichem Gesicht fasste er mich am Arm.
»Ja, alles klar«, sagte ich ziemlich verwirrt. »Was zum Kuckuck ist hier passiert?«
»Wenn ich das wüsste«, sagte er kurz, während er bereits den Blick über die Lichtung schweifen ließ. »Wo ist Ian?«
»Ich weiß es nicht. Du glaubst doch nicht, dass er etwas damit zu tun hatte, oder?« Ich strich über die freischwebenden Holzkohleflocken, die in meinem Ausschnitt gelandet waren. Schwarze Streifen verzierten mein Dekolleté, als ich Jamie zu dem kleinen Sklavengrüppchen folgte, das in einer verwirrenden Mischung aus Gälisch, Englisch und diversen afrikanischen Sprachen durcheinanderredete.
Wir fanden Ian bei einem der Fähnriche. Sie blickten interessiert in die geschwärzte Grube, die jetzt da war, wo zuvor der Hügel gewesen war.
»Es kommt häufig vor, habe ich gehört«, sagte der Fähnrich gerade, als wir dazukamen. »Ich habe es allerdings noch nie gesehen – erstaunlich kraftvoller Stoß, nicht wahr?«
»Was passiert oft?«, fragte ich und sah an Ian vorbei. Die Grube war mit geschwärzten Kiefernbalken gefüllt, die durch die Wucht der Explosion kreuz und quer übereinandergeflogen waren. Das Fundament des Hügels war noch da und ragte wie der Rand einer Backform um die Grube herum auf.
»Eine Explosion beim Teerschwelen«, antwortete der Fähnrich. Er war klein und rotwangig, ungefähr in Ians Alter. »Man schwelt Kienholz unter einem luftdichten Mantel aus Erde und Rasenstücken, damit die Hitze nicht entweicht. Dabei muss noch so viel Luft hereinströmen, dass das Feuer anbleibt. Der Teer fließt dann durch einen ausgehöhlten Baumstamm in das Teerfass – seht Ihr?« Er zeigte auf einen gespaltenen Baumstamm, der über den Überresten eines zerschmetterten Fasses hing, aus dem klebriges Schwarz sickerte. Die Luft war vom Geruch verbrannten Holzes und dicken Teeres erfüllt, und ich versuchte, nur durch den Mund zu atmen.