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»Äh … um ehrlich zu sein, Ian«, sagte Jamie und senkte seinen Becher. Er achtete sorgfältig darauf, meinem Blick auszuweichen, doch ich sah, wie sein Mundwinkel zuckte. »Du wärst bestimmt eine große Hilfe, aber …«

»Vielleicht treffen wir ja auf Indianer!«, sagte Ian mit weit aufgerissenen Augen. Sein Gesicht, das sowieso schon von der Sonne rosig braun gefärbt war, glühte jetzt rot vor wohliger Vorfreude. »Oder wilde Tiere! Dr. Stern hat mir gesagt, dass die Wildnis von Carolina vor Raubtieren nur so wimmelt – Bären und Wildkatzen und hinterlistige Panther – und große, widerwärtige Bestien, die die Indianer Skunks nennen!«

Ich verschluckte mich an meinem Ale.

»Alles in Ordnung, Tante Claire?« Ian beugte sich besorgt über den Tisch.

»Bestens«, keuchte ich und wischte mir das triefende Gesicht mit meinem Halstuch ab. Ich tupfte mir die verschütteten Biertropfen aus dem Ausschnitt und lüpfte unauffällig den Stoff meines Mieders, um vielleicht etwas Luft hereinzulassen.

Dann sah ich Jamies Gesicht, in dem der Ausdruck unterdrückter Belustigung einem leichten, besorgten Stirnrunzeln gewichen war.

»Skunks sind nicht gefährlich«, murmelte ich und legte eine Hand auf sein Knie. In seiner Heimat, dem schottischen Hochland, war Jamie ein erfahrener Jäger, doch genau deshalb neigte er auch dazu, sich der unbekannten Fauna der Neuen Welt mit Vorsicht zu nähern.

»Mmpf.« Das Stirnrunzeln ließ nach, doch eine schmale Falte blieb zwischen seinen Augenbrauen stehen. »Mag sein, aber was ist mit dem Rest? Ich kann nicht behaupten, dass ich gern einem Bären oder einem Haufen Wilder begegnen würde, wenn ich nur das hier in der Hand habe.« Er berührte das große Messer, das in einer Scheide an seinem Gürtel hing.

Unser Mangel an Waffen hatte Jamie schon in Georgia große Sorgen gemacht, und Ians Bemerkungen über Indianer und wilde Tiere hatten ihm diese Sorge wieder zu Bewusstsein gebracht. Neben Jamie trug nur noch Fergus eine kleinere Klinge, mit der man Stricke zerschneiden und Zweige zu Zunder stutzen konnte. Das war unser ganzes Arsenal – die Oliviers hatten weder Pistolen noch Schwerter entbehren können.

Von Georgia nach Charleston waren wir in Gesellschaft einer Gruppe von Reis- und Indigofarmern gereist – alle bis an die Zähne mit Messern, Pistolen und Musketen bewaffnet –, die ihre Erzeugnisse zum Hafen brachten, von wo aus sie in den Norden, nach Pennsylvania und New York verschifft werden sollten. Wenn wir jetzt nach Cape Fear aufbrachen, würden wir allein sein, unbewaffnet und allem, was aus den dichten Wäldern auftauchen mochte, mehr oder weniger hilflos ausgeliefert.

Gleichzeitig gab es jedoch triftige Gründe, nach Norden zu reisen, und unser Mangel an verfügbarem Kapital war einer davon. Am Cape Fear war die größte Ansiedlung schottischer Highlander in den amerikanischen Kolonien, und es gab dort mehrere Städte, deren Einwohner infolge des Umbruchs nach Culloden während der letzten zwanzig Jahre aus Schottland emigriert waren. Unter diesen Emigranten befanden sich Verwandte von Jamie, und ich wusste, dass sie uns bereitwillig Zuflucht gewähren würden: ein Dach über dem Kopf, ein Bett und Zeit, um in dieser neuen Welt Fuß zu fassen.

Jamie trank noch einen Schluck und nickte Duncan zu.

»Ich kann nur sagen, ich bin deiner Meinung, Duncan.« Er lehnte sich an die Wand und schaute sich unauffällig im Raum um. »Spürst du die Blicke in deinem Rücken nicht?«

Es lief mir kalt den Rücken hinunter, ungeachtet der Schweißtropfen, die sich auf demselben Weg befanden. Duncans Augen weiteten sich um einen Bruchteil und verengten sich dann wieder, doch er drehte sich nicht um.

»Ah«, sagte er.

»Welche Blicke?«, fragte ich und sah mich ziemlich nervös um. Mir fiel niemand auf, der uns besonders zu beachten schien, aber vielleicht wurden wir ja verstohlen beobachtet – das Wirtshaus war eine einzige alkoholgetränkte Menschenmenge, und das Stimmengewirr war laut genug, um jede weiter entfernte Unterhaltung zu übertönen.

»Alle möglichen, Sassenach«, antwortete Jamie. Er warf mir einen Seitenblick zu und lächelte. »Jetzt mach nicht so ein ängstliches Gesicht, ja? Wir sind nicht in Gefahr. Hier nicht.«

»Noch nicht«, sagte Innes. Er beugte sich vor, um sich nachzuschenken. »Mac Dubh hat Gavin am Galgen gerufen. Es wird Leute geben, die sich das gemerkt haben – wo doch Mac Dubh so eine unauffällige Erscheinung ist«, fügte er trocken hinzu.

»Und die Bauern, die mit uns aus Georgia gekommen sind, haben ihre Waren inzwischen bestimmt verkauft und erholen sich an Orten wie diesem hier«, sagte Jamie und studierte scheinbar gebannt das Muster auf seinem Becher. »Lauter ehrliche Männer – aber sie werden den Mund nicht halten, Sassenach. Es ist doch eine tolle Geschichte, oder? Die Leute, die vom Hurrikan angeweht wurden. Und wie stehen die Chancen, dass mindestens einer von ihnen ahnt, was wir bei uns tragen?«

»Ich verstehe«, murmelte ich, und so war es auch. Wir hatten öffentliche Aufmerksamkeit erregt, weil wir mit einem Verbrecher in Verbindung standen, also gingen wir nicht länger als unauffällige Reisende durch. Wenn es länger dauerte, einen Käufer zu finden, und das war wahrscheinlich, liefen wir Gefahr, skrupelloses Gesindel zum Diebstahl einzuladen oder von den englischen Behörden überprüft zu werden. Keine dieser Aussichten war verlockend.

Jamie hob den Becher und tat einen tiefen Zug, dann stellte er ihn mit einem Seufzer hin.

»Nein. Ich denke, es ist wohl nicht klug, hier in der Stadt zu bleiben. Wir sorgen dafür, dass Gavin ordentlich beerdigt wird, und dann suchen wir uns einen sicheren Platz zum Schlafen draußen in den Wäldern. Morgen können wir dann entscheiden, ob wir bleiben oder weiterfahren.«

Der Gedanke, erneut mehrere Nächte in den Wäldern zu verbringen – egal, ob mit oder ohne Skunks –, war nicht verlockend. Ich hatte mir seit acht Tagen das Kleid nicht ausgezogen und nur die erreichbaren Körperteile gewaschen, wenn wir an einem Bach gerastet hatten.

Ich hatte mich auf ein richtiges Bett gefreut, selbst wenn es voller Flöhe war, und auf die Gelegenheit, mir den Dreck der letzten Woche abzuschrubben. Doch er hatte recht. Ich seufzte und betrachtete den Saum meines Ärmels, der vom Tragen grau und schmierig war.

Da flog plötzlich die Wirtshaustür auf und riss mich aus meinen Gedanken. Vier rotberockte Soldaten drängten sich in den überfüllten Raum. Sie trugen Uniform, hatten die Bajonette ihrer Musketen aufgepflanzt und waren offensichtlich nicht zum Würfeln oder Trinken hier.

Zwei der Soldaten machten eine schnelle Runde durch den Raum und sahen unter die Tische, während ein anderer in der Küche verschwand. Der Vierte blieb als Wache an der Tür stehen und musterte die Menge mit flinken, blassen Augen. Sein Blick traf unseren Tisch und ruhte einen Augenblick spekulierend auf uns, doch dann wanderte er weiter, unablässig auf der Suche.

Jamie war äußerlich ruhig und trank scheinbar unbeirrt sein Ale, doch ich sah, wie sich die Hand in seinem Schoß langsam zur Faust ballte. Duncan, der seine Gefühle weniger im Zaum halten konnte, senkte den Kopf, um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen. Keiner von beiden würde die Gegenwart eines Rotrockes jemals ohne Beklommenheit ertragen können, und das aus gutem Grund.

Außer uns schien die Anwesenheit der Soldaten niemanden sonderlich zu beunruhigen. Der kleine Gesangsverein in der Kaminecke setzte seine endlose Version von »Fill Every Glass« fort, und die Kellnerin fing einen lauten Streit mit zwei Lehrlingen an.

Der Soldat kam aus der Küche zurück, offensichtlich ohne etwas gefunden zu haben. Er stapfte mitten durch die Würfelrunde am Kamin und schloss sich dann seinen Kameraden an der Tür wieder an. Just als sich die Soldaten aus der Wirtschaft schoben, quetschte sich Fergus’ schmale Gestalt herein und drückte sich gegen den Türpfosten, um den Ellbogen und Musketenkolben auszuweichen.