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«Sie scheinen ja schon eine ganze Menge zu wissen«, warf Casson ein.

Der Engländer steckte sich die Zigarette an, lehnte sich zurück und stieß einen dichten Strahl von blauem Rauch aus.»Meine Herren, sprechen wir doch offen miteinander. Ich weiß, wer Sie sind, und Sie wissen, was ich bin. Unsere beiderseitige Tätigkeit — sowohl Ihre als auch meine — ist keine ganz alltägliche. Sie werden gejagt, während ich ohne Überwachung reisen kann, wohin ich will. Ich arbeite gegen Geld, Sie tun es aus Idealismus. Aber wenn es um konkrete Einzelheiten geht, sind wir allesamt Praktiker, Profis der gleichen Branche. Wir brauchen einander also nichts vorzumachen. Sie haben Erkundigungen über mich eingezogen. Es ist schlechthin nicht möglich, derartige Nachforschungen anzustellen, ohne daß dies demjenigen, dem sie gelten, zu Ohren kommt. Selbstverständlich habe ich wissen wollen, wer sich so angelegentlich für mich interessiert. Es hätte jemand sein können, der sich an mir rächen, oder auch jemand, der mich engagieren will. Es war wichtig für mich, das herauszubekommen. Als ich erfuhr, welche Organisation es war, die ein solches Interesse an mir bekundete,genügten zwei Tage, die ich in der französischen Abteilung des Zeitungsarchivs im Britischen Museum verbrachte, um mich über Sie und Ihre Organisation ausreichend ins Bild zu setzen. Der Besuch Ihres kleinen Laufjungen am heutigen Nachmittag war daher für mich keine allzu große Überraschung mehr. Bon. Ich weiß, wer Sie sind und wen Sie repräsentieren. Was ich gern wüßte, ist, was Sie wollen.«

Minutenlang herrschte Schweigen. Casson und Montclair sahen Rodin fragend an. Der Fallschirmjäger-Oberst und der Killer fixierten einander unverwandt. Rodin kannte sich mit gewalttätigen Männern zu gut aus, um nicht schon jetzt zu wissen, daß der, welcher ihm gegenübersaß, der gesuchte Mann war. Von diesem Augenblick an waren Montclair und Casson nur noch Randfiguren.

«Da Sie über uns schon so gründlich unterrichtet sind, will ich Sie nicht mit einer Darlegung der Motive und Ziele unserer Organisation, die Sie zutreffend als idealistisch bezeichnen, langweilen. Wir meinen, daß Frankreich derzeit von einem Diktator regiert wird, der das Land zugrunde richtet und seine Ehre besudelt. Wir meinen, daß sein Regime nur gestürzt und Frankreich den Franzosen wiedergeschenkt werden kann, wenn diesem Mann zuvor das Leben genommen wird. Von den sechs Versuchen, die unsere Anhänger unternommen haben, um ihn zu beseitigen, wurden drei bereits in der frühen Planungsphase aufgedeckt, einer am Vortag des Anschlags verraten und zwei ausgeführt, die jedoch mißlangen.

Wir erwägen — wohlgemerkt: erwägen! — gegenwärtig, die Dienste eines Profis in Anspruch zu nehmen, der dieser Aufgabe gewachsen ist. Wir wollen jedoch nicht unser Geld verschwenden. Als erstes müßten wir wissen, ob Sie einen solchen Auftrag für ausführbar halten.«

Rodin hatte seine Karten geschickt ausgespielt. Die im letzten Satz enthaltene Frage, auf die er die Antwort bereits wußte, ließ in den grauen Augen erstmals so etwas wie einen Anflug von Ausdruck erkennbar werden.

«Es gibt auf der ganzen Welt keinen einzigen Mann, der gegen die Kugeln eines Mörders gefeit wäre«, sagte der Engländer.»De Gaulles Exponierungsquote ist sehr hoch. Selbstverständlich ist es möglich, ihn zu töten. Die Schwierigkeit liegt darin, daß der Mörder kaum eine Chance hat, mit heiler Haut davonzukommen.

Ein Fanatiker, der bereit ist, bei dem Mordanschlag selbst drauf — zugehen, bietet noch immer die sicherste Gewähr für das Gelingen eines Attentats auf einen Diktator, der sich der Öffentlichkeit aussetzt. Ich stelle fest«, fügte er nicht ohne Bosheit hinzu,»daß es Ihnen ungeachtet Ihres Idealismus bislang nicht gelungen ist, einen solchen Mann aus Ihren Reihen zu rekrutieren. Sowohl Pont-de-Seine als auch Petit-Clamart mußten fehlschlagen, weil sich niemand fand, der bereit gewesen wäre, sein eigenes Leben zu riskieren, um einen Mißerfolg auszuschließen.«

«Selbst jetzt gibt es noch genügend französische Patrioten, die _«, protestierte Casson erregt, aber Rodin winkte ab. Der Engländer hatte Casson nicht einmal eines Blickes gewürdigt.

«Und wie beurteilen Sie die Chancen für einen Profi?«wollte Rodin wissen.

«Ein Profi handelt nicht aus Leidenschaft, ist also ruhiger und läuft folglich weniger Gefahr, elementare Fehler zu begehen. Da er kein Idealist ist, wird er schwerlich dazu neigen, sich im letzten Augenblick Gedanken darüber zu machen, ob durch die Explosion — oder welchen Effekt die von ihm verwendete Technik auch immer haben mag — außer dem Opfer noch andere Personen zu Schaden kommen könnten. Und als Profi, der er ist, wird er die Risiken bis ins letzte kalkuliert haben. Die Aussichten auf pünktlichen Erfolg sind deswegen bei ihm weit sicherer als bei jedem anderen, aber er wird nicht daran denken, auch nur in irgendeiner Weise aktiv zu werden, ehe er nicht einen Plan entwickelt hat, der es ihm nicht nur ermöglicht, den Auftrag zu erfüllen, sondern auch ungeschoren davonzukommen.«

«Halten Sie es für denkbar, daß ein solcher Plan, der einem Profi die Möglichkeit gäbe, Charles de Gaulle zu töten und sich in Sicherheit zu bringen, ausgearbeitet werden könnte?«Der Engländer zog ohne Hast an seiner Zigarette und sah minutenlang aus dem Fenster.»Im Prinzip ja«, sagte er schließlich.»Im Prinzip ist dergleichen immer möglich, sofern es nur von langer Hand geplant und mit genügender Sorgfalt vorbereitet wird. Aber in diesem Fall wäre es doch außerordentlich schwierig. Weit schwieriger als bei anderen Zielen.«

«Warum das?«

«Weil de Gaulle vorgewarnt ist — nicht in bezug auf den einzelnen Versuch als solchen, wohl aber im Hinblick auf die Absicht im allgemeinen. Alle großen Männer lassen sich von Leibwächtern und Sicherheitsbeamten beschützen; wenn jedoch im Verlauf von ein paar Jahren kein ernst zu nehmender Anschlag auf das Leben des großen Mannes stattfindet, läßt die Wachsamkeit nach, werden die Überprüfungen zur reinen Formsache, die Sicherheitsvorkehrungen zu bloßer Routine. Das eine Geschoß, das sein Ziel erwischt und erledigt, kommt völlig unerwartet und löst daher eine Panik aus, die dem Täter die Flucht ermöglicht. In unserem Fall wird von reduzierter Wachsamkeit und zur Routineangelegenheit gewordenen Sicherheitsmaßnahmen keine Rede sein können, und wenn die Kugel ins Ziel trifft, wird es viele geben, die nicht in Panik geraten, sondern die Verfolgung des Täters aufnehmen werden. Es ließe sich schaffen, aber es wäre bestimmt einer der schwierigsten Jobs, die es gegenwärtig auf dieser Welt gibt. Denn Ihre Versuche, meine Herren, sind nicht nur fehlgeschlagen, sie haben die Aufgabe auch für jeden anderen ungemein erschwert.«»Falls wir uns entschlössen, einen professionellen Killer zu engagieren, der diesen Job für uns übernimmt — «, begann Rodin.

«Sie müssen einen Profi engagieren«, unterbrach der Engländer gelassen.

«Und warum, bitte? Es gibt noch immer genug Männer, die willens wären, diese Arbeit aus rein patriotischen Gründen zu verrichten.«

«Ja, Watin und Curutchet gibt es immer noch«, entgegnete der Blonde.»Und zweifellos müssen irgendwo auch noch weitere Degueldres und Bastien-Thirys existieren. Aber Sie drei haben mich weder zu einem unverbindlichen Schwätzchen über die Theorie des politischen

Mordes hergerufen, noch auch, weil etwa die Killer bei Ihnen plötzlich rar geworden wären. Sie haben mich hergerufen, weil Sie sich reichlich spät darüber klargeworden sind, daß Ihre Organisation von der französischen Geheimpolizei so weitgehend unterwandert ist, daß kaum eine Ihrer Entscheidungen längere Zeit geheim bleibt, und auch deswegen, weil das Gesicht jedes einzelnen von Ihnen jedem Polizisten in Frankreich bekannt ist. Deswegen brauchen Sie Außenseiter. Und damit haben Sie recht. Wenn der Job ausgeführt werden soll, muß ein Außenseiter damit beauftragt werden. Bleibt nur die Frage, wer und für wieviel. Nun, meine Herren, ich finde, Sie haben sich die Ware jetzt lange genug angeschaut, meinen Sie nicht?«Rodin sah Montclair von der Seite her an. Montclair nickte.