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Zu dem Zeitpunkt, als in den fünfziger Jahren ein ausländischer Kunde bei der Abwicklung eines einträglichen Waffengeschäfts um eine beträchtliche Summe Geldes geprellt worden und der Verdacht auf ihn gefallen war, hatte er die Stellung eines Abteilungsleiters bekleidet, und seine eigenen Vorgesetzten waren diejenigen gewesen, welche die von der Polizei hinsichtlich des hochgeschätzten Monsieurs Goossens geäußerten Mutmaßungen am entschiedensten zurückgewiesen hatten.Sogar vor Gericht hatte sich sein Generaldirektor für ihn eingesetzt. Aber der Vorsitzende war der Auffassung, daß der Mißbrauch einer Vertrauensstellung ein besonders strafwürdiges Vergehen sei, und verurteilte ihn zu zehn Jahren Gefängnis. In der Berufung wurde die Strafe auf fünf Jahre herabgesetzt. Wegen guter Führung war er nach dreieinhalb Jahren entlassen worden.

Seine Frau hatte sich von ihm scheiden lassen und die Kinder mit sich genommen. Mit dem Leben, das er früher als Vorortsbewohner in einem schmucken, von Blumenbeeten umgebenen Einzelhaus in einem der reizvolleren Außenbezirke von Liege (davon gibt es nicht viele) verbracht hatte, war es vorbei. Mit seiner Karriere bei der F. N. ebenfalls. Er bezog eine kleine Wohnung in Brüssel und später, als sein blühendes Geschäft, das die Unterwelt halb Westeuropas mit illegalen Waffen versorgte, steigende Einnahmen abwarf, ein Haus außerhalb der Stadt.

Seit den frühen sechziger Jahren war er in einschlägigen Kreisen als »L'Armurier«-»Der Büchsenmacher«- bekannt. Jeder belgische Staatsbürger kann sich in jedem Sport- oder Waffengeschäft gegen Vorlage einer Identitätskarte, die seine belgische Staatsangehörigkeit ausweist, eine tödliche Waffe — sei es einen Revolver, eine Automatic oder ein Gewehr — besorgen. Goossens benutzte nie seine eigene Karte, da jeder Waffen- und anschließende Munitionskauf vom Waffenhändler gebucht und der Name des Käufers sowie die Nummer seiner Identitätskarte eingetragen werden muß. Goossens benutzte die Identitätskarten anderer Leute, entweder gestohlene oder gefälschte.

Er stand in engen Geschäftsbeziehungen zu einem der erfolgreichsten Taschendiebe der Stadt, der, sofern er nicht gerade auf Staatskosten im Gefängnis gastierte, mühelos jede Brieftasche aus jeder beliebigen Reise-, Einkaufs-, Hand- oder Anzugtasche entwenden konnte. Goossens kaufte die Brieftaschen gegen Barzahlung direkt bei dem Dieb. Er hatte darüber hinaus einen Meisterfälscher an der Hand, der sich, nachdem er in den späten vierziger Jahren durch die Produktion großer Mengen französischer Francs in Schwierigkeiten geraten war, auf denen er versehentlich das» u «der» Banque de France «ausgelassen hatte (er war noch sehr jung gewesen damals), mit weitaus größerem Erfolg auf das Fälschen von Pässen verlegt hatte. Übrigens war es niemals Goossens selbst, der sich, wenn er für einen Kunden eine Feuerwaffe beschaffen mußte, dem Waffenhändler gegenüber mit einer säuberlich gefälschten Identitätskarte auswies, sondern stets irgendein arbeitsloser kleiner Gauner oder ein Schauspieler ohne Engagement.

Von seinen» Mitarbeitern «kannten nur der Taschendieb und der Fälscher seine wahre Identität. Desgleichen wußten einige seiner Kunden von ihr, vornehmlich die Bosse der belgischen Unterwelt, die ihn nicht nur ungestört seinen Geschäften nachgehen ließen, sondern ihm auch, weil er für sie nützlich war, einen gewissen Schutz gewährten, indem sie, wenn sie gefaßt wurden, hartnäckig jede Auskunft darüber verweigerten, woher sie ihre illegalen Waffen bezogen hatten. Das hinderte die belgische Polizei zwar nicht, sich über einen Teil seiner Tätigkeit durchaus im klaren zu sein, aber es hinderte sie, ihn jemals mit den in seinem Besitz befindlichen Waren zu erwischen oder sich Zeugenaussagen zu sichern, die vor Gericht aufrechterhalten worden wären und zu seiner Verurteilung geführt hätten. Die Polizei kannte die kleine, aber vorzüglich ausgerüstete Werkstatt, die er sich in seiner umgebauten Garage eingerichtet hatte, sehr wohl, wiederholte Razzien hatten jedoch nichts weiter zutage gefördert als gußeiserne Medaillons und Souvenirs, die Brüsseler Denkmälern nachgebildet waren. Bei ihrem letzten Besuch hatte Goossens dem Oberinspektor als Zeichen seiner Hochschätzung für die Hüter von Gesetz und Ordnung feierlich eine Nachbildung des Maeneken pis überreicht.

Er hatte keinerlei ungute oder sonstwie geartete Vorgefühle, als er am späten Vormittag des 21. Juli 1963 auf den Besuch eines Engländers wartete, für den sich einer seiner besten Kunden telephonisch verbürgt hatte — ein ehemaliger Söldner im Dienste Katangas, der inzwischen zum Boß einer Unterweltorganisation aufgestiegen war, deren Beschützerdienste sich die Freudenhäuser der belgischen Hauptstadt etwas kosten ließen.

Der Besucher erschien, wie vereinbart, um 12 Uhr, und Monsieur Goossens führte ihn in sein kleines Büro neben der Werkstatt.»Würden Sie bitte die Brille abnehmen?«fragte er, nachdem sein Besucher Platz genommen hatte, und fügte, als der Engländer zögerte, hinzu:»Sehen Sie, ich halte es für wichtig, daß wir einander für die Dauer unserer Geschäftsverbindung so weitgehend wie nur möglich vertrauen. Trinken Sie etwas?«

Der Mann nahm die dunkle Brille ab und starrte den kleinen Büchsenmacher, der zwei Gläser einschenkte, fragend an. Goossens nahm hinter seinem Schreibtisch Platz, trank einen Schluck Bier und fragte:»Womit kann ich Ihnen dienen, Monsieur?«

«Ich nehme an, Louis hat Ihnen meinen Besuch avisiert?«

«Gewiß«, nickte Goossens.»Sonst wären Sie nicht hier.«

«Hat er Ihnen von meiner Tätigkeit erzählt?«

«Nein. Nur, daß er Sie von Katanga her kennt, daß er sich für Sie verbürgt, daß Sie eine Feuerwaffe benötigen und daß Sie bereit sind, in bar zu zahlen — Sterling.«

Der Engländer nickte bedächtig.»Nun ja, da mir bekannt ist, was für ein Geschäft Sie betreiben, sehe ich keinen Grund, warum Sie nicht auch über meines Bescheid wissen sollten — um so mehr, als die Waffe, die ich brauche, mit gewissen Zubehörteilen versehen werden müßte, die einigermaßen unüblich sein dürften. Ich bin auf die — ah — Beseitigung von Männern spezialisiert, die mächtige und reiche Gegner haben. Daß solche Männer zumeist selbst reich und mächtig sind, liegt auf der Hand. Es ist nicht immer so ganz leicht. Sie haben die nötigen Mittel, um sich von Spezialisten beschützen zu lassen. Ein solcher Job erfordert sorgfältige Planung und vor allem die richtige Waffe. Ich habe gerade einen derartigen Job übernommen. Ich brauche ein Gewehr.«

Goossens trank einen Schluck Bier und nickte seinem Gast wohlwollend zu.

«Ausgezeichnet, ich verstehe. Ein Spezialist, wie auch ich einer bin. Ich habe das Gefühl, das wird eine wirklich interessante Aufgabe. An welche Art von Gewehr denken Sie?«

«Wichtig ist nicht so sehr der Typ des Gewehrs. Worum es geht, das sind vielmehr die Beschränkungen, die durch die Art des Jobs bedingt sind, und die Frage, woher man ein Gewehr nimmt, das unter diesen Beschränkungen zufriedenstellend funktioniert.«

Monsieur Goossens Augen leuchteten vor Vergnügen.

«Eine Waffe also«, meinte er verklärt,»die für einen ganz bestimmten Mann und eine ganz bestimmte Aufgabe unter ganz bestimmten, unwiederholbaren Umständen nach Maß angefertigt werden müßte. Sie sind bei mir an die richtige Adresse geraten, Monsieur. Doch, doch, das würde mich schon reizen. Ich bin froh, daß Sie gekommen sind.«

Der Engländer mußte über den professionellen Enthusiasmus des Belgiers lächeln.»Ich auch, Monsieur«, sagte er.

«Nun, dann erzählen Sie mir zunächst einmal, welcher Art diese Beschränkungen sind.«

«Die Beschränkungen betreffen hauptsächlich die Maße, nicht die der Länge, sondern die des Umfangs der beweglichen Teile. Kammer und Verschluß dürfen nicht dicker sein als das… «Er hob die rechte Hand, deren Mittelfinger die Daumenkuppe mit dem Endglied berührte und so ein» o «bildete, dessen Durchmesser keine sechseinhalb Zentimeter betrug.