Der Schakal traf seinen Mann in einer Bar hinter der rue Neuve, nachdem Louis die Zusammenkunft vereinbart hatte. Er stellte sich vor, und die beiden zogen sich in einen Eckalkoven zurück. Der Schakal zog seinen Führerschein hervor, der auf seinen eigenen Namen lautete, vor zwei Jahren vom London County Council ausgestellt und noch zwei Monate gültig war.
«Der gehörte einem Mann, der nicht mehr am Leben ist«, erklärte er dem Belgier.»Da ich in Großbritannien Fahrverbot habe, brauche ich eine neue Vorderseite mit meinem eigenen Namen darauf.«
Dann legte er dem Fälscher den auf den Namen Duggan ausgestellten Paß vor. Der Mann warf einen Blick darauf, sah, daß er erst vor drei Tagen ausgestellt worden war, und lächelte den Engländer durchtrieben an.
«En effet«, murmelte er und sah sich den aufgeschlagenen kleinen roten Führerschein genauer an. Nach ein paar Minuten blickte er auf.
«Keine Schwierigkeit, Monsieur. Die britischen Beamten sind Gentlemen. Scheinen nicht für möglich zu halten, daß amtliche Ausweise gefälscht werden können, und treffen daher keine nennenswerten Vorsichtsmaßnahmen. Dieser Fetzen«- er wies auf das kleine Papier, das auf die erste Seite des Ausweises geklebt war und die Nummer der Lizenz und den vollen Namen des Inhabers trug —»könnte mit einem Spielzeug-Setzkasten angefertigt werden. Das Wasserzeichen ist leicht nachzumachen. Das Ganze ist überhaupt kein Problem. War das alles, was Sie von mir wollten?«
«Nein. Da wären noch zwei weitere Ausweise.«
«Ah. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber es kam mir merkwürdig vor, daß Sie mich wegen einer so simplen Sache kontaktiert haben sollten. Es muß bei Ihnen in London genügend Männer geben, die dergleichen in zwei Stunden für Sie erledigen. Diese beiden anderen Ausweise — was sind das für welche?«
Der Schakal beschrieb sie ihm bis in die letzten Einzelheiten. Die Augen des Belgiers verengten sich, während er scharf nachdachte. Er holte eine Schachtel» Bastos «heraus, bot dem Engländer, der ablehnte, eine Zigarette an und entzündete sich selbst eine.
«Das ist nicht so einfach. Mit der französischen Identitätskarte ginge es schon. Es gibt genügend davon, nach denen man arbeiten kann. Sie verstehen, man muß nach einem Original arbeiten, um die besten Resultate zu bekommen. Aber die andere. Also, von der Sorte habe ich in meinem Leben noch keine gesehen, glaube ich. Das ist eine ganz ungewöhnliche Aufgabe.«
Er schwieg, während der Schakal einen vorbeikommenden Kellner beauftragte, ihre Gläser nachzufüllen. Als der Kellner gegangen war, fuhr er fort.
«Und dann das Photo. Das wird nicht leicht sein. Es muß einen Unterschied im Alter, in der Haarfarbe und — länge zeigen, sagen Sie. Wer falsche Papiere braucht, will meist sein eigenes Bild darauf haben und eine geänderte Personenbeschreibung dazu. Aber ein neues Photo zu machen, das Ihnen, so wie Sie heute aussehen, noch nicht einmal ähnlich sein soll, das kompliziert die Dinge.«
Er trank sein Bier, während er den Engländer unverwandt anstarrte, zur Hälfte aus.»Um das zu schaffen, ist es nötig, einen Mann zu finden, der annähernd das Alter des Inhabers der Karten und zudem eine gewisse Ähnlichkeit mit Ihnen hat, jedenfalls soweit es Kopf und Gesicht betrifft, und ihm das Haar in der Länge zu schneiden, die Sie verlangen. Als nächstes muß dann eine Photographie dieses Mannes auf die Karte praktiziert werden. Und von da ab läge es bei Ihnen, Ihre Maske dem Äußeren dieses Mannes anzupassen und nicht andersherum. Können Sie mir folgen?«
«Ja«, sagte der Schakal.
«Das wird ein bißchen dauern. Wie lange bleiben Sie in Brüssel?«
«Nicht lange«, sagte der Schakal.»Ich muß ziemlich bald abreisen, aber ich könnte am 1.August wiederkommen. Von da ab könnte ich drei Tage bleiben. Am Vierten muß ich nach London zurück. «Der Belgier dachte eine Weile nach und starrte dabei unverwandt auf das Photo in dem vor ihm liegenden Paß. Schließlich klappte er ihn zu, und nachdem er sich auf einem Stück Papier, das er aus seiner Tasche holte, den Namen Alexander James Quentin Duggan notiert hatte, reichte er ihn dem Engländer zurück. Den Führerschein und das Stück Papier steckte er ein.
«Geht in Ordnung. Aber ich muß zwei gute Porträtphotos von Ihnen haben, die Sie im Profil und en face zeigen, wie Sie jetzt aussehen. Das braucht seine Zeit. Und Geld. Es sind Extrakosten damit verbunden… Es kann möglich sein, daß ich mit einem Kollegen, der sich auf Taschendiebstahl versteht, nach Frankreich gehen muß, um die zweite dieser beiden Karten, von denen Sie sprechen, zu besorgen. Selbstverständlich werde ich es zunächst in und um Brüssel herum versuchen, aber es ist nicht ausgeschlossen, daß eine solche Reise unumgänglich wird…«
«Wieviel?«unterbrach ihn der Engländer.»Zwanzigtausend Belgische Francs.«
Der Schakal überlegte einen Augenblick.»Etwa hundertzwanzig Pfund Sterling. Gut. Ich werde Ihnen hundert Pfund anzahlen, und den Rest bekommen Sie bei Lieferung.«
Der Belgier erhob sich.»Dann machen wir jetzt am besten die Porträtphotos. Ich habe ein eigenes Studio.«
Sie fuhren im Taxi zu einer etwa drei Kilometer entfernten kleinen Kellerwohnung, die sich als das verschmutzte, schäbige Atelier eines Photographen erwies, der laut Firmenschild darauf spezialisiert war, Paßphotos aufzunehmen, auf deren Entwicklung der Kunde warten konnte. Im Schaufenster prangten die unvermeidlichen Photos von jener Art, die der Passant für die Höhepunkte der bisherigen Arbeit des Inhabers halten mußte — zwei gräßlich retuschierte Porträts geziert lächelnder Mädchen, das Hochzeitsbild eines Paars, das unsympathisch genug aussah, um die Einrichtung der Ehe schlechthin in Frage zu stellen, und zwei Babyphotos. Der Belgier ging die Treppe hinunter zur Ladentür voran, schloß sie auf und führte seinen Gast hinein.
Die Sitzung dauerte zwei Stunden, in denen der Belgier eine Geschicklichkeit im Umgang mit der Kamera bewies, wie sie der Schöpfer der im Fenster ausgestellten Photos unmöglich besitzen konnte. Eine große Kiste in der Ecke, die er mit seinem eigenen Schlüssel aufschloß, enthielt eine Anzahl teurer Kameras und Blitzlichtgeräte sowie Unmengen maskenbildnerischer Artikel einschließlich diverser Haarfärbe- und Bleichmittel, Toupets und Perücken, ferner Brillen in großer Auswahl sowie einen Schminkkasten.
Mitten in der Sitzung kam dem Belgier eine Idee, welche die Suche nach einem Ersatzmann, der für das endgültige Photo posierte, überflüssig machte. Während er die Wirkung der auf das Make-up des Schakals verwandten halbstündigen Arbeit studierte, begann er plötzlich in der Kiste zu kramen und holte eine Perücke hervor.
«Was halten Sie hiervon?«fragte er. Die Perücke war eisengrau und en brosse geschnitten.»Meinen Sie, daß Ihr eigenes Haar, in dieser Länge geschnitten und in diesem Ton gefärbt, so aussehen könnte?«
Der Schakal nahm die Perücke und sah sie sich näher an.»Wir können es ja versuchen und dann sehen, wie es auf dem Photo wirkt«, schlug er vor.
Und es klappte. Nachdem er sechs Aufnahmen von seinem Kunden gemacht hatte, kam der Belgier mit einer Anzahl feuchter Abzüge aus der Dunkelkammer. Gemeinsam beugten sie sich über den Tisch, auf dem ihnen das Gesicht eines alten, erschöpften Mannes entgegenstarrte. Seine Haut war aschgrau, und die dunklen Ringe unter seinen Augen zeugten von Müdigkeit und Schmerz. Der Mann war bartlos, aber das graue Haupthaar ließ darauf schließen, daß er ein Fünfziger sein mußte, und noch dazu kein sonderlich robuster Fünfziger.»Ich glaube, es wird gehen«, meinte der Belgier.»Das Dumme ist nur, daß Sie eine halbe Stunde lang mit allen möglichen Kosmetika an mir herumarbeiten mußten, um diesen Effekt zu erzielen. Dazu kam dann noch die Perücke. Ich kann das unmöglich alles selbst schaffen. Dabei haben wir hier künstliches Licht, während ich die Papiere, die ich benötige, bei Tageslicht vorweisen muß.«