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«Aber genau das ist nicht der Punkt, um den es sich dreht«, erwiderte der Belgier rasch.»Es geht weniger darum, daß Sie nicht der genaue Abklatsch des Photos sind, sondern vielmehr darum, daß das Photo nicht der genaue Abklatsch von Ihnen ist. Das Gehirn eines Mannes, der Ausweise kontrolliert, arbeitet folgendermaßen: Zuerst sieht er dem Inhaber des Ausweises ins Gesicht, dann verlangt er die Papiere. Und dann schaut er sich das Photo an. Der erste Eindruck von dem Gesicht des vor ihm stehendenMannes hat sich ihm schon eingeprägt. Das beeinflußt sein Urteil. Er achtet auf übereinstimmende, nicht auf abweichende Details.

Zweitens mißt dieser Abzug hier zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter, während das Photo auf der Identitätskarte nicht größer als drei mal vier sein wird. Drittens sollte eine allzu genaue Ähnlichkeit vermieden werden. Wenn die Karte schon vor einigen Jahren ausgestellt wurde, ist es ganz ausgeschlossen, daß der Mann sich inzwischen kein bißchen verändert haben sollte. Auf dem Photo hier haben wir Sie in einem offenen gestreiften Hemd mit festem Kragen. Vermeiden Sie es zum Beispiel, dieses Hemd oder überhaupt Hemden mit offenem Kragen anzuziehen. Tragen Sie eine Krawatte, ein Halstuch oder einen Sweater mit Rollkragen.

Und schließlich ist keine der Veränderungen, die ich an Ihnen vorgenommen habe, schwer zu simulieren. Die Hauptsache ist selbstverständlich das Haar. Es muß einen Bürstenschnitt bekommen und grau gefärbt werden — vielleicht sogar noch grauer als auf dem Photo, aber jedenfalls nicht weniger grau —, bevor Sie das Photo vorweisen. Lassen Sie sich, um den Eindruck von Alter und Hinfälligkeit zu verstärken, einen drei Tage alten Stoppelbart stehen. Rasieren Sie sich dann mit einem Klapprasiermesser, aber schlecht, und schneiden Sie sich an ein paar Stellen. Alte Männer tun das häufig. Und was die Haut betrifft — also die ist sehr wichtig. Um Mitleid zu erregen, muß sie grau und schlaff wirken, möglichst wächsern und kränklich aussehen. Können Sie sich ein paar Stückchen Kordit besorgen?«

Der Schakal hatte den Ausführungen des Fälschers voller Bewunderung gelauscht, wenngleich sein Gesicht davon nichts verriet. Zum zweitenmal an ein und demselben Tag war er einem Profi begegnet, der sich auf seinem Gebiet wirklich auskannte. Er beschloß, sich Louis in angemessener Form erkenntlich zu zeigen — nachdem der Job erledigt war.

«Das müßte sich schon machen lassen«, sagte er zurückhaltend.

«Zwei oder drei Körnchen Kordit, zerkaut hinuntergeschluckt, erzeugen innerhalb einer halben Stunde ein Gefühl leichter Übelkeit, das unbehaglich, aber nicht weiter schlimm ist.

Sie bewirken außerdem, daß die Gesichtshaut grau und schweißig wird. Wir haben diesen Trick in der Armee angewandt, wenn wir uns vor Extradienst oder Gewaltmärschen drücken wollten.«

«Herzlichen Dank für die Information. Und was das andere betrifft — glauben Sie, daß Sie die Papiere rechtzeitig liefern können?«

«Rein technisch gesehen, dürfte es kein Problem darstellen. Die einzige Schwierigkeit, die noch verbleibt, ist die Beschaffung eines Originals des zweiten französischen Dokuments. Da wird die Zeit vielleicht ein wenig knapp werden. Aber wenn Sie in den ersten Augusttagen zurückkommen, kann ich sie, glaube ich, allesamt für Sie fertig haben. Sie — äh — sprachen von einer Anzahlung zur Deckung der Unkosten…«

Der Schakal griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein einzelnes Bündel von zwanzig Fünfpfundnoten hervor, das er dem Belgier überreichte.

«Wie setze ich mich mit Ihnen wieder in Verbindung?«fragte er.

«Auf die gleiche Weise wie heute würde ich vorschlagen.«

«Das ist mir zu unsicher. Womöglich ist mein Kontaktmann unerreichbar oder gerade nicht in der Stadt. Ich hätte dann keine Möglichkeit, Sie zu finden.«

Der Belgier überlegte kurz und sagte dann:»Ich werde an jedem der drei ersten Augusttage von 18 bis 19 Uhr in der Bar, in der wir uns heute getroffen haben, auf Sie warten. Wenn Sie nicht kommen, ist die Sache, was mich betrifft, abgeblasen.«

Der Engländer hatte die Perücke abgenommen und sich mit einem in eine Abschminkflüssigkeit getauchten Handtuch das Gesicht abgewischt. Schweigend band er sich die Krawatte und schlüpfte in seine Jacke. Dann wandte er sich an den Belgier.

«Es gibt da ein paar Dinge, über die zwischen uns keine Mißverständnisse aufkommen sollten«, sagte er. Seine Stimme, aus der alle Freundlichkeit gewichen war, klang jetzt kalt, und das Grau seiner auf den Belgier gerichteten Augen hatte den farblos-bleichen Ton undurchsichtiger Nebelschwaden.»Wenn Sie alles besorgt und erledigt haben, werden Sie sich, wie vereinbart, in der Bar einfinden. Sie werden mir den neuen Führerschein liefern und die aus dem alten entfernte Seite zurückgeben, desgleichen mir alle Negative und Abzüge der Photos, die Sie eben aufgenommen haben, aushändigen. Sie werden den Namen Duggan wie auch den des ursprünglichen Eigentümers dieses Führerscheins vergessen. Den Namen auf den beiden französischen Ausweisen, die Sie anfertigen werden, können Sie nach eigenem Gutdünken aussuchen, vorausgesetzt, daß er einfach und in Frankreich gebräuchlich ist.Nachdem Sie mir die beiden Ausweise ausgehändigt haben, werden Sie auch diesen Namen vergessen. Sie werden mit niemandem über diesen Auftrag sprechen. Falls Sie gegen irgendeine dieser Bedingungen verstoßen, werden Sie sterben. Haben wir uns verstanden?«Der Belgier starrte ihn ein paar Sekunden lang wortlos an. In den vergangenen drei Stunden war er zu der Auffassung gelangt, daß es sich bei dem Engländer um einen nicht sonderlich bedeutenden Kunden handelte, der nichts weiter vorhatte, als in Großbritannien einen Wagen zu fahren und sich in Frankreich aus irgendwelchen persönlichen Gründen als älterer Mann zu verkleiden. Vielleicht ein Schmuggler, der Rauschgift oder Diamanten von einem einsamen bretonischen Fischerdorf nach England transferierte. Aber eigentlich doch ein recht sympathischer Typ. Jetzt änderte er seine Meinung.

«Voll und ganz, Monsieur«, sagte er.

Wenige Sekunden später war der Engländer in die Dunkelheit der Nacht hinausgetreten. Erst fünf Querstraßen weiter nahm er ein Taxi, das ihn zum Amigo zurückbrachte. Es war Mitternacht, als er dort ankam. Er ließ sich eine Flasche Mosel und ein kaltes Brathähnchen aufs Zimmer bringen, badete ausgiebig, um die letzten Spuren des Make-up zu beseitigen, und ging schlafen.

Am anderen Morgen zahlte er die Hotelrechnung und bestieg den Brabant-Expreß nach Paris. Es war der 22. Juli.

Um die gleiche Zeit saß der Chef des Aktionsdienstes des SDECE an seinem Schreibtisch und blickte auf die beiden Schriftstücke, die vor ihm lagen. Es handelte sich um Kopien zweier von Agenten oder anderen Dienststellen übermittelter Routineberichte. Beide trugen oben auf der Seite eine Verteilerliste mit den Namen der zu ihrer Lektüre autorisierten Abteilungschefs. Sie enthielten auch seinen eigenen Namen, der mit einem Kreuzchen versehen war. Beide

Berichte waren an diesem Morgen eingetroffen, und normalerweise würde Oberst Rolland sie überflogen, ihren Inhalt irgendwo in seinem unglaublichen Gedächtnis gespeichert und die Berichte dann unter verschiedenen Stichwörtern abgelegt haben. Aber es hatte da einen Namen gegeben, der in beiden Berichten aufgetaucht war, einen Namen, der seine Aufmerksamkeit erregte. Bei dem Bericht, der zuerst eingetroffen war, handelte es sich um ein abteilungsinternes Memorandum von R 3 (Westeuropa), das die Zusammenfassung einer Meldung ihres ständigen Büros in Rom enthielt. Sie besagte, daß Rodin, Montclair und Casson noch immer in ihrer Zimmerflucht im obersten Stockwerk des römischen Hotels hockten, wo sie sich nach wie vor von acht Fremdenlegionären bewachen ließen. Sie hatten das Gebäude, seit sie am 18. Juni eingezogen waren, nicht ein einziges Mal verlassen. Aus Paris waren zusätzliche Beamte der Abteilung R 3 nach Rom beordert worden, um die dortigen Agenten bei der Tag und Nacht aufrechterhaltenen Überwachung des Hotels zu unterstützen. Die Anweisungen aus Paris lauteten unverändert dahingehend, daß nichts unternommen, die Beobachtung jedoch fortgesetzt werden solle. Drei Wochen zuvor hatten die Männer im Hotel ein bestimmtes Schema festgelegt, nach welchem sie die Verbindung mit der Außenwelt aufrechtzuerhalten pflegten (siehe R 3 / Rom-Bericht vom 30. Juni), und es seither beibehalten. Der Kurier war stets Viktor Kowalsky. Ende der Mitteilung.