«Also gut«, sagte der Engländer,»ich gebe mich geschlagen. Bis morgen mittag kann ich mir tausend Pfund kommen lassen. Aber ich stelle eine Bedingung.«
«Bedingung?«Der Belgier war sofort wieder mißtrauisch.
«Wir treffen uns nicht hier.«
Der Fälscher war überrascht.»Was haben Sie gegen dieses Studio einzuwenden? Es ist ruhig und abgelegen…«
«Ich habe eine ganze Menge gegen dieses Studio einzuwenden«, entgegnete der Engländer.»Sie haben mir gerade erzählt, daß Sie hier in diesem Raum heimlich ein Photo von mir gemacht haben. Ich lege keinen Wert darauf, daß unsere morgige kleine Übergabezeremonie von dem leisen Klicken einer Kamera unterbrochen wird, mit der sich einer Ihrer Freunde rücksichtsvollerweise hier irgendwo versteckt hält…«
Sichtbar erleichtert, lachte der Belgier laut auf.
«Da brauchen Sie keine Angst zu haben, cher ami. Dieser Laden gehört mir, und niemand kommt hierher, den ich nicht dazu aufgefordert habe. Ich muß da sehr vorsichtig sein, verstehen Sie, sehr diskret, denn ich betreibe hier noch ein Nebengeschäft mit Photos für die Touristen, wenn Sie wissen, was ich meine. Sehr gefragt übrigens, diese Arbeit, aber doch nicht ganz das Genre, das für ein Studio an der Grande Place geeignet ist…«
Mit Daumen und Zeigefinger ein O formend, hob er die linke Hand und bewegte den durch die kreisförmige Öffnung gesteckten Zeigefinger seiner Rechten mehrfach hin und her.
Der Engländer zwinkerte, grinste dann breit und fing schließlich an zu lachen. Der Belgier lachte ebenfalls über den Witz. Der Engländer klatschte dem Belgier auf die Oberarme, und seine Finger, die sich um deren Muskeln legten, packten unvermittelt stahlhart zu und hielten den Belgier, der weiter die obszöne Geste vollführte, fest im Griff. Der Fälscher lachte noch immer, als er einen fürchterlichen Schmerz in seinen Genitalien verspürte.
Ruckartig schnellte sein Kopf nach vorn, während seine Hände, die mitten in ihrer Pantomime erstarrt waren, zu den zerquetschten Hoden hinabfuhren, in die der Mann, der ihn mit eisernem Griff gepackt hielt, sein rechtes Knie gerammt hatte. Sein Lächeln wurde zu einem Schreien, einem Gurgeln, einem Röcheln. Halb bewußtlos, sackte er in die Knie und versuchte dann, sich vornüber fallen und auf die Seite rollen zu lassen. Er krümmte sich vor Schmerzen.
Der Schakal beugte sich rittlings über den Rücken der zusammengesunkenen Gestalt, ließ seinen rechten Arm um den Hals des Belgiers gleiten, packte mit der rechten Hand den eigenen linken Oberarm, während seine Linke sich um den Hinterkopf des Fälschers legte.
Mit einem kurzen, harten Ruck drehte er ihm den Hals seitlich nach hinten um. Das Knirschen, mit dem die Wirbelsäule brach, war vermutlich nicht sehr laut, aber in der Stille des Studios klang es, als krache ein Schuß aus einer kleinen Pistole. Der Körper des Fälschers bäumte sich ein letztes Mal auf und sackte dann in sich zusammen wie eine Stoffpuppe. Der Schakal hielt ihn noch einen Augenblick in seinem Griff fest, bevor er ihn mit dem Gesicht nach unten auf den Boden fallen ließ. Der Kopf des Toten drehte sich zur Seite, und zwischen seinen zusammengepreßten Zähnen stand die fast durchgebissene Zunge leicht hervor, während die starren Augen auf das verschlissene Muster des Linoleumfußbodens gerichtet und die Hände noch immer um das Genital gekrallt waren. Der Engländer ging rasch zu den Vorhängen hinüber, um sich zu vergewissern, daß sie gänzlich zugezogen waren, und kehrte dann zu der Leiche zurück. Er drehte sie herum, tastete die Taschen des Fälschers ab und fand die Schlüssel schließlich in dessen rechter Hosentasche. In der hinteren Ecke des Studios stand die große Kiste mit den Requisiten und Schminkkästen. Der vierte Schlüssel, mit dem er sie zu öffnen versuchte, paßte endlich, und er verbrachte zehn Minuten damit, die Kiste zu leeren und den Inhalt in unordentlichen Haufen auf dem Fußboden aufzutürmen.
Dann packte er die Leiche des Fälschers unter den Achseln und schleifte sie zur Kiste hinüber. Sie ging bequem hinein, weil sich ihre Glieder leicht krümmen und den Begrenzungen der Kiste anpassen ließen. In wenigen Stunden würde der Rigor mortis einsetzen und die Leiche in der jetzt auf dem Boden der Kiste eingenommenen Position erstarren lassen. Dann begann der Schakal, die Gegenstände, die er herausgeholt hatte, wieder in die Kiste zurückzulegen. Perücken, Damenunterwäsche, Toupets und was sonst noch weich und nicht sperrig war, stopfte er in die zwischen den Gliedern verbliebenen Hohlräume. Obenauf packte er die Make-up-Pinsel und Schminktöpfe, und zum Abschluß folgte eine aus den restlichen Cremetuben, mehreren Paaren schwarzer Netzstrümpfe, zwei Negligees und einem Morgenmantel bestehende Schicht, welche die Leiche vollständig bedeckte und die Kiste bis zum Rand füllte. Der Schakal mußte ein bißchen nachdrücken, um den Deckel zu schließen, aber dann rastete das Schloß ein.
Er hatte seine Hand mit einem aus der Kiste stammenden Stofffetzen umwickelt, bevor er die Flakons und Schminktöpfe anfaßte, und zog jetzt sein eigenes Taschentuch hervor, um damit das Schloß und die Außenflächen der Kiste abzuwischen. Dann steckte er das Bündel Fünfpfundnoten ein, das auf dem Tisch liegengeblieben war, wischte auch diesen ab und stellte ihn wieder dorthin an die Wand zurück, wo er gestanden hatte, als er gekommen war. Schließlich schaltete er das Licht aus und setzte sich in einen der an der Wand stehenden Sessel, um den Anbruch der Dunkelheit abzuwarten. Nach ein paar Minuten holte er seine Zigarettenschachtel hervor, steckte sich eine Zigarette an und deponierte die restlichen zehn in eine der Seitentaschen seines Jacketts, um die Schachtel als Aschenbecher zu benutzen und den aufgerauchten Stummel darin zu verwahren.
Er gab sich keiner Täuschung darüber hin, daß das Verschwinden des Fälschers nicht allzu lange unentdeckt bleiben würde, hielt es jedoch für wahrscheinlich, daß ein Mann wie der Belgier periodisch in den Untergrund oder auf Reisen gehen mußte. Wenn es einigen seiner Freunde auffiel, daß er sich in den Kneipen und Bars, in denen er normalerweise anzutreffen war, nicht mehr blicken ließ, so würden sie es vermutlich diesem Umstand zuschreiben. Nach einer gewissen Zeit mochte eine Suche beginnen, an der sich vor allem Leute beteiligen würden, die mit dem Fälscherhandwerk oder dem Pornogeschäft zu tun hatten. Möglicherweise kannten einige von ihnen das Studio und würden sich dorthin begeben, um die Tür verschlossen zu finden. Wer in das Studio eindrang, mußte es durchsuchen, das Vorhängeschloß der Kiste erbrechen und sie leeren müssen, bevor er die Leiche entdeckte.
Ein Mitglied der Unterwelt, das dies täte, würde — so vermute-tete der Schakal — in der Annahme, daß der Fälscher mit einem Gangsterboß aneinandergeraten sei, der Polizei die Angelegenheit nicht melden. Kein manischer Pornoliebhaber würde nach einem im Affekt der Leidenschaft begangenen Mord die Leiche so sorgfältig versteckt haben. Aber irgendwann müßte es die Polizei erfahren. Zu dem Zeitpunkt würde zweifellos ein Photo veröffentlicht werden und der Barmixer sich vermutlich daran erinnern, daß der Fälscher seine Bar am Abend des 1. August in Begleitung eines hochgewachsenen blonden Mannes verlassen hatte, der einen Glencheck-Anzug und dunkle Augengläser trug. Aber es war höchst unwahrscheinlich, daß in den kommenden Monaten irgend jemand die Kassette des Ermordeten untersuchen würde, selbst wenn er sie unter seinem eigenen Namen registriert haben sollte.
Er hatte mit dem Barmixer kein Wort gesprochen, und die Bestellung der beiden Biere bei dem Ober derselben Bar war zwei Wochen zuvor erfolgt. Der Kellner würde schon ein phänomenales Gedächtnis haben müssen, wenn er sich an den kaum merklichen ausländischen Akzent erinnern wollte, mit dem sie ausgesprochen worden war. Die Polizei würde eine routinemäßige Fahndung nach dem blonden Mann veranstalten, aber selbst wenn sie dabei auf den Namen Alexander Duggan stieße, hätte sie den Schakal damit noch lange nicht gefunden. Nach sorgfältigem Abwägen aller kalkulierbaren Umstände kam er zu dem Schluß, daß ihm mindestens ein Monat Zeit verblieb, und mehr brauchte er ohnehin nicht.