Выбрать главу

Der Pole fuhr herum.»Ich scheiße auf die Politik. Es ist mir egal, wer an der Macht ist und welche Partei alles auf den Kopf stellen will. Aber Leute wie Sie kenne ich. Mein ganzes Leben lang habe ich sie immer wieder getroffen. Ein Typ wie Sie würde auch für Hitler oder Mussolini oder die OAS arbeiten, wenn für Sie dabei etwas herausspringt. Für jeden würden Sie arbeiten. Die Regierungen wechseln, aber solche Hunde wie Sie bleiben immer die gleichen — «schrie er und hinkte auf den Mann mit der Pistole zu, deren kurzläufige Mündung unverändert auf ihn gerichtet war.»Jo-Jo«, schrie die Frau.»Jo-Jo, je t'enprie. Laisse le.« Der Pole vestummte und starrte seine Frau an, als sei er sich ihrer Gegenwart erst jetzt bewußt geworden. Er sah nacheinander alle drei im Zimmer Anwesenden an, deren Augen auf ihn gerichtet waren — die seiner Frau mit beschwörendem, die der Geheimdienst-Gorillas mit kaltem Blick. Anschuldigungen, die doch nichts änderten, waren sie gewohnt. Der Ranghöhere der beiden deutete zum Schlafzimmer.

«Los, packen Sie jetzt Ihre Sachen. Sie zuerst, dann die Frau.«»Was wird mit Sylvie? Sie kommt um vier aus der Schule, und dann ist niemand da, um sie hereinzulassen«, klagte die Frau. Der Korse starrte noch immer ihren Mann an.»Unsere Leute werden sie von der Schule abholen. Wir haben schon alles arrangiert. Die Direktorin ist unterrichtet worden, daß die Großmutter im Sterben liegt und die ganze Familie ans Totenbett gerufen wurde. Alles wird sehr diskret gehandhabt. Also los, beeilen Sie sich jetzt. «Jo-Jo zuckte mit den Achseln, warf seiner Frau einen letzten Blick zu und ging, gefolgt von dem Korsen, ins Schlafzimmer, um zu packen. Seine Frau zerknüllte ihr Taschentuch zwischen den Fingern. Nach einer Weile blickte sie auf.

«Was — was werden sie mit ihm machen?«fragte sie den anderen Aktionsdienst-Agenten. Er war jünger als der Korse und stammte aus der Gascogne.

«Mit Kowalsky?«

«Mit Viktor, ja.«

«Ein paar Herschaften wollen mit ihm sprechen. Das ist alles.«

Eine Stunde später saßen die Grzybowskis im Fond eines großen Citroen, der sie in ein abgelegens Gebirgshotel im Vercors brachte.

Der Schakal verbrachte das Wochenende an der See. Er kaufte sich eine Badehose, sonnte sich am Strand von Zeebrügge, badete mehrmals und durchstreifte die kleine Hafenstadt, um die einst britische Matrosen und Soldaten verzweifelt gekämpft hatten. Möglicherweise hätten sich einige der bärtigen alten Männer, die auf der Mole saßen und ihre Angeln nach Seebarschen auswarfen, auf Befragen an das Blutbad, das hier vor sechsundvierzig Jahren stattgefunden hatte, erinnert. Aber er fragte sie nicht danach. Die einzigen englischen Stimmen, die man an diesem Tag am Strand hören konnte, waren die einiger englischer Familien, die die Sonne genossen und dabei ihre in der Brandung badenden Kinder im Auge zu behalten versuchten.

Am Sonntagmorgen packte er seine Koffer und fuhr gemächlich durch die flämische Landschaft. Er schlenderte in den engen Gassen von Brügge und Gent umher, aß in Damm im Siphon-Restaurant ein über dem Holzfeuer gebratenes Steak und fuhr am Nachmittag nach Brüssel zurück. Bevor er sich schlafen legte, bat er darum, anderntags frühzeitig mit Kaffee am Bett geweckt zu werden, bestellte sich ein Lunchpaket zum Mitnehmen und erklärte, daß er in die Ardennen zu fahren beabsichtige, um dort das Grab seines während der letzten deutschen Offensive zwischen Bastogne und Malmedy gefallenen Bruders zu besuchen. Der Empfangschef zeigte sich ungemein mitfühlend und gelobte, daß der Schakal sich darauf verlassen könne, zum Antritt seiner Pilgerfahrt rechtzeitig geweckt zu werden.

In Rom verbrachte Kowalsky ein weit weniger erholsames Wochenende. Er trat seinen Wachdienst, zu dem er bei Tage als Wachhabender am Empfangstisch im achten Stock und in der Nacht als Posten auf dem Dach des Hotels eingeteilt war, pünktlich an. In der wachfreien Zeit schlief er nur wenig und lag zumeist in seinem an einem schmalen Gang im achten Stockwerk gelegenen Zimmer auf dem Bett, rauchte und trank den herben Rotwein, der für die acht der Leibwache angehörenden Ex-Legionäre gallonenweise angeliefert wurde. Den Vergleich mit dem algerischenpinard, der in der Feldflasche jedes Legionärs zu gluckern pflegte, hielt der saure italienische rosso nicht aus, fand Kowalsky. Aber er war besser als gar nichts. Wie immer, wenn es weder Befehle von oben gab, die ihm die Verantwortung abnahmen, noch gültige Dienstanweisungen, die ihm die Entscheidung leichtmachten, brauchte er sehr lange,um zu einem Entschluß zu kommen. Aber am Montagmorgen hatte er sich entschieden. Er würde nicht lange fort sein, vielleicht nur einen Tag, möglicherweise auch zwei Tage, sollte es mit den Anschlüssen nicht klappen. In jedem Fall war es etwas, was geschehen mußte. Er würde dem patron hinterher alles erklären. Er zweifelte nicht daran, daß der patron ihn verstehen würde, ob schon er bestimmt wütend wäre. Er hatte auch erwogen, dem Obersten alles zu erzählen und ihn um achtundvierzig Stunden Urlaub zu bitten. Aber er war sich ganz sicher, daß der Oberst, obwohl er ein beliebter Offizier war, der zu seinen Männern hielt, wenn sie in Schwierigkeiten geraten waren, ihn nicht gehen lassen würde. Er würde die Sache mit Sylvie nicht verstehen, und Kowalsky wußte, daß er sie ihm nicht erklären könnte. Er konnte nie etwas mit Worten erklären. Er seufzte tief, als er am Montagmorgen in aller Frühe aufstand, um die Wache abzulösen. Der Gedanke, daß er sich zum erstenmal in seinem Leben als Legionär unerlaubt von der Truppe entfernen würde, beunruhigte ihn außerordentlich.

Der Schakal stand zur gleichen Zeit auf. Er duschte und rasierte sich und machte sich anschließend über das ausgezeichnete Frühstück her, das auf einem Tablett neben seinem Bett stand. Dann holte er den Koffer mit dem zerlegten Gewehr aus dem Schrank und umwickelte jedes Einzelteil sorgfältig mit mehreren Lagen Schaumgummi, um die er eine Schnur band. Die Pakete kamen zuunterst in seinen Rucksack, darüber packte er die Farbtöpfe und Pinsel, die Drillichhose und das Holzfällerhemd, die Socken und die Stiefel. Das Einholnetz verstaute er in einer der äußeren Taschen des Rucksacks, die Patronen in der anderen.

Er wählte eines seiner üblichen gestreiften Hemden, wie sie 1963 Mode waren, und entschied sich für einen taubengrauen leichten Sommeranzug und schwarze Mokassins von Gucci. Eine gestrickte schwarze Krawatte vervollständigte das Ensemble. Den Rucksack in der Linken tragend, ging er zu seinem auf dem Parkplatz des Hotels abgestellten Wagen hinunter und schloß ihn im Kofferraum ein. An der Rezeption ließ er sich das Lunchpaket aushändigen, nickte dem Empfangschef, der ihm eine gute Fahrt wünschte, freundlich zu und verließ das Hotel. Um 9 Uhr hatte er Brüssel hinter sich gelassen und jagte auf der alten E 40 in Richtung Namur. Die strahlende Sonne, unter der sich das flache Land ringsum zu erwärmen begann, ließ bereits erkennen, daß es ein brennendheißer Tag werden würde. Auf seiner Straßenkarte war die Entfernung bis Bastogne mit vierundneunzig Meilen angegeben, und er würde noch ein paar weitere Meilen fahren müssen, um südlich der kleinen Stadt in den Hügeln und Wäldern einen geeigneten Platz zu finden. Er schätzte, daß er die hundert Meilen bis zum Mittag spielend geschafft haben würde, und drehte den Simca-Aronde kräftig auf, als er ihn in der wallonischen Ebene neuerlich in eine lange, flache Gerade lenkte.

Noch bevor die Sonne ihren Höchststand erreichte, hatte er Namur und Marche durchfahren und näherte sich Bastogne. Hinter der kleinen Stadt, die 1944 von General von Manteuffels Tiger-Panzern zerschossen worden war, bog er in die nach Süden in eine zunehmend hügelige Landschaft führende Straße ein. Der Wald wurde dichter, die kurvige Straße immer häufiger von großen Ulmen und Buchen verdunkelt und schließlich nur noch selten von einzelnen zwischen den Bäumen einfallenden Sonnenstrahlen zerschnitten.