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Etwa sieben Kilometer hinter Bastogne fand der Schakal einen schmalen Weg, der in den Wald führte, und nach weiteren anderthalb Kilometern einen vom Weg abzweigenden Pfad, der sich im Waldinneren verlor. Er bog in ihn ein und brachte den Wagen nach ein paar Metern hinter dichtem Buschwerk zum Halten. Er rauchte eine Zigarette und lauschte dem Ticken des abkühlenden Motors, dem Windhauch, der in den oberen Ästen spielte, und dem entfernten Gurren einer Wildtaube.

Schließlich stieg er aus, öffnete den Kofferraum und legte den Rucksack auf die Kühlerhaube. Stück für Stück wechselte er die Kleidung, legte den makellosen taubengrauen Anzug sorgfältig zusammengefaltet auf den Rücksitz und schlüpfte in die Drillichhose. Er fand es warm genug, ohne Jacke zu gehen, und er vertauschte Hemd und Krawatte mit dem Holzfällerhemd. Zuletzt entledigte er sich seiner eleganten Stadtschuhe und Socken, zog die Wollstrümpfe an und schlüpfte in die kurzen Stiefel, in die er die Aufschläge seiner Drillichhose steckte.

Dann packte er die Einzelteile des Gewehrs aus und setzte es Stück für Stück zusammen. Den Schalldämpfer steckte er in eine Hosentasche, das Zielfernrohr in die andere. Er entnahm der Munitionsschachtel zwölf Patronen und ließ sie in die linke Brusttasche seines Hemdes gleiten, das noch immer in Seidenpapier gewickelte einzelne Explosivgeschoß in die rechte. Als das Gewehr zusammengesetzt war, legte er es auf die Kühlerhaube und holte die Melone aus dem Kofferraum, die er, bevor er am Abend zuvor in sein Hotel zurückgekehrt war, an einem Obststand gekauft und über Nacht im Wagen gelassen hatte. Er verschloß den Kofferraum, steckte die Melone zusammen mit dem Farbtopf, den Pinseln und dem Jagdmesser in den leeren Rucksack, schloß den Wagen ab und ging in den Wald. Es war kurz nach zwölf.

Innerhalb von zehn Minuten hatte er eine langgestreckte, schmale Lichtung gefunden, die von einem bis zum anderen Ende freie Sicht gewährte. Er lehnte das Gewehr an einen Baumstamm, schritt hundertdreißig Meter ab und suchte sich dann einen Baum, von dem aus das zurückgelassene Gewehr sichtbar war. Er entleerte den Rucksack, löste die Deckel von den beiden Farbtöpfen und machte sich an die Arbeit. Rasch hatte er den oberen und den unteren Teil der Melone braun und die Mitte der Frucht rosa übermalt. Mit dem Finger zeichnete er Augen, Nase, Bärtchen und Mund in die noch nasse Farbe.

Um das Kunstwerk nicht zu verwischen, steckte er das Messer in den oberen Teil der Melone und praktizierte sie so in das Einkaufsnetz. Die Maschen verbargen weder die Form der Melone noch die auf sie gezeichneten Umrisse. Schließlich rammte er das Messer etwa einen Meter neunzig über dem Boden in den Baumstamm und hängte den Griff der Netztasche darüber. Vor der dunklen Borke des Baums nahm sich die rosa und braun bemalte Melone wie ein auf groteske Weise freischwebender menschlicher Kopf aus. Der Schakal trat zurück und betrachtete sein Werk. Auf hundertdreißig Meter Entfernung würde es seinen Zweck erfüllen. Er schloß die beiden Farbtöpfe und schleuderte sie, so weit er konnte, in den Wald hinein, wo sie geräuschvoll im dichten Unterholz landeten. Die Pinsel steckte er mit den Haaren nach oben in den Boden und trampelte die Erde fest, bis nichts mehr von ihnen zu sehen war. Dann nahm er den Rucksack auf und ging zum Gewehr zurück.

Der Schalldämpfer ließ sich mühlelos über die Mündung streifen und so lange um den Lauf drehen, bis er festsaß. Das Zielfernrohr rastete in den längs der Oberseite des Laufs eingekerbten Nuten ein. Er zog den Riegel zurück und legte die erste Patrone in die Kammer ein. Durch das Fernrohr blickend, suchte er den gegenüberliegenden Rand der Lichtung nach seinem aufgehängten Ziel ab. Als er es fand, war er überrascht, wie groß und deutlich es erschien. Er konnte die Maschen des Einkaufsnetzes, die sich um die Melone spannten, und die auf ihr mit ein paar Strichen angedeuteten Gesichtszüge so gut erkennen, als sei das Ziel nicht weiter als dreißig Meter von ihm entfernt.

Er lehnte sich gegen einen Baum, um ruhiger visieren zu können, und schaute wieder durch das Fernrohr. Die beiden gekreuzten Linien schienen nicht völlig übereinzustimmen, und er drehte an den Einstellschrauben, bis das Kreuz gänzlich zentriert war. Dann zielte er sorgfältig auf die Mitte der Melone und drückte ab. Der Rückstoß war schwächer, als er erwartet hatte, der schallgedämpfte Schuß kaum laut genug, um auf der anderen Seite einer stillen Straße gehört zu werden. Mit dem Gewehr unter dem Arm ging er wieder zum hundertdreißig Meter entfernten Ende der Lichtung und untersuchte die Melone. Die Kugel hatte die Schale der Frucht am rechten oberen Rand gestreift und Teile des Einkaufsnetzes zerrissen, bevor sie in den Baumstamm eingedrungen war. Der Schakal marschierte zurück und feuerte, ohne die Einstellung des Zielfernrohrs zu verändern, ein zweites Mal.

Das Ergebnis war das gleiche, mit einem Unterschied von nur anderthalb Zentimetern. Nach zwei weiteren Schüssen, bei denen er die Einstellschrauben des Fernrohrs nicht berührte, war er überzeugt, daß er richtig gezielt, die Optik ihn jedoch zu hoch und leicht nach rechts hatte abkommen lassen. Er stellte die Schrauben entsprechend ein.

Beim nächsten Schuß kam er nach links unten ab. Um ganz sicher zu gehen, begab er sich nochmals zum jenseitigen Rand der Lichtung und betrachtete das Einschußloch. Die Kugel hatte das auf die Melone gemalte Gesicht unterhalb des linken Mundwinkels durchschlagen. Der Schakal gab noch drei weitere Schüsse mit unveränderter Einstellung des Fernrohrs ab, die allesamt dieselbe Gegend trafen. Schließlich drehte er die Schrauben um eine Winzigkeit zurück.

Der neunte Schuß ging mitten durch die Stirn, auf die er auch gehalten hatte. Wiederum machte er sich auf den Weg zum Ziel und holte diesmal ein Stück Kreide aus der Tasche, um die von den vorangegangenen Schüssen getroffenen Partien zu markieren — die Streifschüsse oben rechts, die Einschüsse links neben dem Mund und das saubere Loch in der Mitte der Stirn.

Von da ab traf er nacheinander je ein Auge, die Nasenwurzel, die Oberlippe und das Kinn. Dann drehte er die Melone so, daß sich ihm das» Profil «des aufgemalten Kopfes bot, und erzielte mit den letzten sechs Schüssen Treffer in der Schläfengegend, der Ohrmuschel, der Wange, im Genick, im Unterkiefer und im Hinterkopf.

Mit dem Gewehr zufrieden, merkte er sich die Position der Einstellschrauben des Teleskops, holte eine Tube Balsaholzzement aus der Tasche und spritzte die klebrige Flüssigkeit auf die beiden Schraubenköpfe und die sie unmittelbar umgebende Bakelitfläche. Eine halbe Stunde und zwei Zigarettenlängen später war der Zement hart geworden und die Optik, der Sehschärfe des Schakals entsprechend, genau auf eine Entfernung von hundertdreißig Meter eingestellt.

Aus der anderen Brusttasche holte er das Explosivgeschoß hervor, wickelte es aus dem Seidenpapier und legte es in die Kammer ein. Er zielte mit besonderer Sorgfalt auf das rosa bemalte Zentrum der Melone und drückte ab.

Als sich der blaue Rauch von der Mündung des Schalldämpfers verzogen hatte, lehnte der Schakal das Gewehr an den Baumstamm und ging zum aufgehängten Einkaufsnetz hinüber. Schlaff und fast leer hing es von dem Baum herab, dessen Borke von Einschüssen durchsiebt war. Die Melone, die von zwanzig Bleikugeln getroffen worden war, ohne dabei ihre Form zu verlieren, war jetzt zerplatzt. Teile waren durch die Maschen des Einkaufsnetzes gepreßt worden und lagen jetzt verstreut im Gras umher. Ihr Saft und ihre Kerne troffen von der Baumrinde herab. Die restlichen Klumpen ihres Fruchtfleisches klebten im unteren Teil des Einkaufsnetzes, das wie ein erschöpftes Skrotum vom Griff des Jagdmessers herabhing.

Er nahm das Netz und warf es in ein nahes Gebüsch. Daß es einmal als Ziel gedient hatte, war den zerfetzten Fruchtfleischresten, die es enthielt, nicht anzusehen. Der Schakal riß das Messer aus der Borke und steckte es in das Lederfutteral zurück. Dann nahm er sein Gewehr auf und schlenderte zum Wagen.