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Mit den letzten Anschaffungen und dem Packen der Koffer war die Planungs- und Vorbereitungsphase abgeschlossen. Jetzt wartete der Schakal nur noch auf das Eintreffen zweier Briefe, die für ihn das Signal zum Aufbruch bedeuteten. Der eine würde ihm die

Pariser Telephonnummer bekanntgeben, unter der er sich ständig über den Bereitschaftszustand der den französischen Staatspräsidenten schützenden Sicherungskräfte informieren konnte, der andere die ihm von Herrn Meier in Zürich übermittelte schriftliche Benachrichtigung enthalten, daß 250000 Dollar auf sein dortiges Bankkonto überwiesen worden seien.

Er verkürzte sich die Wartezeit damit, im Korridor seiner Wohnung einen möglichst glaubwürdig wirkenden hinkenden Gang zu üben. Innerhalb von zwei Tagen lernte er so realistisch zu hinken, daß auch der kritischste Beobachter nicht mehr auf den Gedanken kommen konnte, er habe gar keinen Bein- oder Knöchelbruch.

Der erste der beiden erwarteten Briefe traf am Morgen des 9. August ein. Der in Rom abgestempelte Umschlag enthielt folgende Botschaft:»Ihr Freund kann unter MOLITOR 5901 kontaktiert werden. Melden Sie sich mit den Worten: >Ici Chacal.< Die Antwort wird lauten: >Ici Valmy.< Viel Glück.«

Der Brief aus Zürich kam erst am 11. August. Der Schakal grinste breit, als er die Bestätigung las, daß er, was auch kommen mochte — vorausgesetzt, er ging bei der Sache nicht drauf —, für den Rest seines Lebens ein reicher Mann sein würde. Und ein noch viel reicherer, wenn seine bevorstehende Mission in Frankreich erfolgreich war. Er bezweifelte nicht, daß er Erfolg haben würde. Nichts war dem Zufall überlassen worden.

Er verbrachte den restlichen Vormittag jenes Tages am Telephon, um Flüge zu buchen, und legte das Datum seiner Abreise auf den nächsten Tag, den 12. August, fest.

In dem Kellerraum war nur das schwere, aber kontrollierte Atmen der fünf hinter dem Tisch sitzenden Männer und das rasselnde Keuchen des Gefangenen zu hören, den man auf einen eichenen Stuhl gefesselt hatte. Die einzige Lichtquelle bildete eine einfache Bürotischlampe, aber die Birne war ungewöhnlich stark und hell, was die erstickende Hitze in dem Raum noch steigerte. Die Lampe war am linken Tischrand festgeklemmt und der verstellbare Schirm so gedreht, daß das Licht den keine zwei Meter entfernt sitzenden Gefangenen direkt anstrahlte. Ein Streifen des Lichtkreises fiel auf die fleckige Tischplatte und beleuchtete hier und da Finger, die eine Zigarette hielten, von der blauer Rauch aufstieg, gelegentlich eine ganze Hand oder einen aufgestützten Unterarm. Oberkörper und Schultern der fünf in einer Reihe hinter dem Tisch sitzenden Männer blieben für den Gefangenen unsichtbar. Gepolsterte Lederriemen fesselten seine Fußgelenke eng an die Stuhlbeine. Jedes dieser Stuhlbeine war seinerseits mit einem L-förmigen Winkeleisen aus Stahl an den Fußboden geschraubt. Der Stuhl hatte Armlehnen, an welchen die Handgelenke des Gefangenen, ebenfalls mit gepolsterten Lederriemen, festgebunden waren. Je ein weiterer Riemen umspannte seine Hüften und seinen massigen, behaarten Brustkorb. Die Polsterung der Riemen war schweißdurchnäßt.

Abgesehen von den auf ihr liegenden Händen der fünf Männer war die Tischplatte fast leer. Die einzige sichtbare Besonderheit bildete ein in sie eingelassener Schlitz, dessen messingbeschlagene Ränder eine Anzahl Ziffern aufwiesen. Aus dem Schlitz ragte ein mit einem Bakelitknopf versehener, schmaler Hebel aus Messing heraus, der vorwärts und rückwärts bewegt werden konnte. Daneben befand sich ein simpler Schalter. Die rechte Hand des am Ende des Tisches sitzenden Mannes lag unmittelbar neben dem Schalter. Auf seinem Handrücken sprießten kleine schwarze Haare.

Zwei Kabel verbanden Schalter und Hebel mit einem nahe den Füßen des Gefesselten auf dem Fußboden stehenden Transformator. Von dort führte mit Gummi isolierte, dickere schwarze Leitungsschnur zu einer großen Steckdose, die an der Wand hinter der Gruppe angebracht war.

In der gegenüberliegenden Ecke jenseits des Tisches saß ein Mann mit dem Gesicht zur Wand an einem Holztisch. Ein schwacher grüner Lichtschein verriet, daß das vor ihm stehende Tonbandgerät eingeschaltet war, wenngleich die Spulen stillstanden.

Alle Männer hatten die Ärmel ihrer durchgeschwitzten Hemden aufgekrempelt. Der Gestank nach Schweiß, kaltem Rauch, Metall und Erbrochenem war unerträglich, wurde jedoch von einem noch stärkeren Geruch übertroffen — dem der unverkennbaren Ausdünstung von Angst und Schmerz. Endlich beendete der Mann, der in der Mitte der Gruppe hinter dem Tisch saß, das Schweigen.

«Ecoute, monp'tit Viktor«, sagte er mit sanft überredender Stimme,»du wirst uns schon noch alles erzählen. Vielleicht nicht jetzt gleich, aber irgendwann. Du bist ein tapferer Bursche, das wissen wir. Wirklich, alle Achtung! Aber selbst du kannst nicht mehr lange durchhalten. Warum willst du es uns also nicht sagen? Du meinst, Oberst Rodin würde es dir verbieten, wenn er hier wäre? Aber er kennt sich doch aus in diesen Dingen. Er würde uns sagen, daß wir dir weitere Quälereien ersparen sollen. Du weißt doch selbst ganz genau, zuletzt reden sie immer, n'est-cepas, Viktor? Keiner kann ewig so weitermachen, das hält niemand aus. Also warum nicht gleich reden, kein? Und dann zurück ins Bett.Und schlafen, schlafen, schlafen. Niemand wird dich wecken…«

Der Mann auf dem Stuhl hob das schweißglänzende, zerschlagene Gesicht. Ob es an den blutunterlaufenen, von den Fußtritten der Korsen in Marseille herrührenden Quetschungen im Gesicht oder am grellen Licht lag, daß er die Augen geschlossen hielt, war nicht zu erkennen. Eine Weile wandte er das Gesicht dem Tisch und der Dunkelheit vor ihm zu, während er den Mund öffnete und zu sprechen versuchte. Ein dünnes Rinnsal von blutigem Schleim erschien auf seiner Unterlippe und troff über den behaarten Oberkörper in die Pfütze von Erbrochenem, die sich in seinem Schoß gesammelt hatte. Er schüttelte den Kopf und ließ ihn sinken. Vom Tisch her meldete sich die Stimme neuerlich:

«Viktor, ecoute-moi. Du bist ein harter Mann. Wir alle wissen das. Wir- alle erkennen das auch an. Du hast den Rekord schon längst gebrochen. Jetzt kannst selbst du nicht mehr. Aber wir können noch, Viktor, und ob wir noch können. Wenn es sein muß, halten wir dich noch tagelang am Leben und bei Bewußtsein. Es gibt gewisse Drogen, tu sais. Mit dem dritten Grad ist es vorbei, man ist heute technisch viel weiter. Also rede lieber jetzt als später. Wir verstehen das, mußt du wissen. Wir kennen den Schmerz. Aber die kleinen Elektroden,

Viktor, die verstehen das leider ganz und gar nicht. Und die kennen nichts, die machen nur immer weiter, immer weiter… Wirst du es uns jetzt erzählen, Viktor? Was tun die da in dem Hotel in Rom? Worauf warten sie?«

Der auf die Brust herabgesunkene große Kopf schwankte langsam von einer Seite zur anderen. Es war, als musterten die geschlossenen Augen erst die eine, dann die andere der beiden an seinen Brustwarzen befestigten kleinen kupfernen Elektroden und schließlich die einzelne größere, deren gezackte Zähne sein Glied von beiden Seiten an der Eichel umfaßten. Die Hände des Mannes, der gesprochen hatte, lagen schlank, weiß und friedlich vor ihm in dem Lichtstreifen, der von der Lampe her seitlich auf den Tisch fiel. Der Mann wartete noch ein wenig länger. Die Hände trennten sich voneinander, und nur die Rechte blieb, den Daumen gegen die Handfläche gedrückt, vier Finger gespreizt, auf dem Tisch liegen.

Am äußeren Ende der Tischplatte schob die Hand des am elektrischen Schalter sitzenden Mannes den Messinghebel auf der Skala von Ziffer zwei auf Ziffer vier und nahm den Schalterknopf zwischen Daumen und Zeigefinger.

Jetzt krümmte die weiter zur Mitte der langen Tischplatte verbliebene Hand die vier bislang gespreizten Finger und hob und senkte dann einmal den Zeigefinger. Der elektrische Strom wurde eingeschaltet.