Выбрать главу

General Guibaud, der den halben Tag damit verbracht hatte, dem Leiter der Abteilung R 3/W esteuropa wegen Rollands Eigenmächtigkeit, das Wiener Büro für seine Ermittlungen einzuschalten, die Hölle heiß zu machen, starrte unverwandt vor sich auf die Tischplatte.

«Ja«, sagte der Oberst.»Heute vormittag haben zwei unserer Agenten in Wien in der Pension Kleist Ermittlungen angestellt. Sie hatten Photos von Marc Rodin, Rene Montclair und Andre Casson bei sich. Die Zeit reichte nicht mehr, ihnen Bilder von Viktor Kowalsky — im Wiener Archiv befinden sich keine — per Funk zu übermitteln. Der Portier der Pension behauptete, zumindest zwei der abgebildeten Männer wiederzuerkennen. Mit Hilfe eines Trinkgeldes konnte er veranlaßt werden, die zwischen dem 12. und dem 18. Juni — dem Datum, an welchem die drei OAS-Chefs gemeinsam das Hotel in Rom bezogen- im Gästebuch vorgenommenen Eintragungen nachzuschlagen. Schließlich meinte er, sich an Rodins Gesicht als das des Mannes zu erinnern, der unter dem Namen Schulze am 15. Juni ein Zimmer bestellt hatte. Der Portier sagte, Schulze habe dort am Nachmittag des gleichen Tages eine Art Geschäftsbesprechung abgehalten, die Nacht in dem Zimmer verbracht und sei am nächsten Morgen abgereist.

Er erinnerte sich, daß Schulz in Begleitung eines sehr großen, mürrischen Mannes erschien und am Vormittag den Besuch zweier weiterer Männer erhielt. Die beiden Besucher könnten Casson und Montclair gewesen sein. Er war sich nicht sicher, aber einen von ihnen glaubte er auf jeden Fall schon einmal gesehen zu haben.

Der Portier sagte, die Männer seien den ganzen Tag über auf dem Zimmer geblieben, mit Ausnahme einer halben Stunde am späten Vormittag, während der Schulze und der Riese — so nannte er Kowalsky — die Pension verlassen hatten. Keiner von ihnen ging zum Essen aus, und am Mittagstisch der Pension nahmen sie auch nicht teil.«

«Haben sie denn überhaupt den Besuch von einem fünften Mann bekommen?«fragte Sanguinetti ungeduldig. Rolland fuhr fort, in gleichmäßigem Tonfall zu berichten:

«Im Laufe des Abends gesellte sich ihnen noch ein weiterer Mann zu, der etwa eine halbe Stunde lang blieb. Der Portier sagt, daß er sich gut daran erinnere, weil der Mann so rasch zur Tür hereingekommen und die Treppe hinaufgegangen sei, daß er keine Gelegenheit hatte, ihn zu sehen. Er glaubte zunächst, es müsse sich um einen Pensionsgast handeln, der seinen Schlüssel nicht abgegeben hatte. Aber als der Mann die Treppe hinaufeilte, habe er gerade noch einen Zipfel seines Mantels sehen können. Wenige Augenblicke später sei der Mann in die Halle zurückgekehrt. Wegen des Mantels war sich der Portier ganz sicher, daß es derselbe Mann gewesen sei. Der Mann habe sich von ihm über das auf dem Empfangstisch stehende Telephon mit dem von Schulze gemieteten Zimmer 64 verbinden lassen, zwei Sätze auf französisch gesprochen, eingehängt und sei dann hinaufgegangen. Nach einerhalben Stunde habe er dann, ohne ein Wort zu sagen, die PensioiJ verlassen. Etwa eine Stunde später seien die beiden anderen Besucher einzeln fortgegangen. Schulze und der Riese seien über Nacht' geblieben und anderntags nach dem Frühstück abgereist.

Die einzige Beschreibung, die der Portier von dem abendlichen? Besucher geben konnte, war: hochgewachsen, Alter unbestimmt,Gesichtszüge offenbar regelmäßig, trug Sonnenbrille, sprach fließend französisch und hatte blondes, nach hinten gekämmtes, ziemlich langes Haar.«

«Könnte man den Portier nicht dazu bringen, uns bei der Anfertigung einer Zeichnung von dem Mann zu helfen?«fragte Papon, der Polizeipräfekt.

Rolland schüttelte den Kopf.

«Meine — unsere Agenten haben sich als Wiener Kriminalbeamte ausgegeben. Glücklicherweise könnte man den einen wirklich für einen Österreicher halten. Aber eine solche Maskerade läßt sich nicht unbegrenzt lange durchführen. Der Mann mußte am Empfangstisch befragt werden.«

«Wir brauchen unbedingt eine bessere Beschreibung«, protestierte der Leiter der Zentralkei.»Ist denn kein Name erwähnt worden?«

«Nein«, sagte Rolland.»Was Sie soeben gehört haben, ist das Ergebnis einer dreistündigen Befragung. Jeder einzelne Punkt ist wieder und wieder durchgenommen worden. An mehr erinnert er sich nicht. Eine bessere Beschreibung kann er nicht geben.«

«Warum schnappen Sie ihn sich nicht einfach wie Argoud, damit er uns hier in Paris ein Bild von diesem Killer anfertigt?«wollte Oberst Saint Clair wissen.

Der Minister schüttelte den Kopf.

«Ausgeschlossen. Wir stehen mit dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik wegen der Argoud-Entführung noch immer auf Kriegsfuß. So etwas mag einmal funktionieren, aber nicht ein zweites Mal.«

«Sollte es in einem so ernsten Fall wie diesem nicht doch möglich sein, einen Hotelportier unauffälliger verschwinden zu lassen als seinerzeit Argoud?«meinte der Chef des DST.

«Es erscheint mir in jedem Fall zweifelhaft«, wandte Max Fernet ein,»ob das rekonstruierte Porträt eines Mannes, der eine Sonnenbrille trägt, von großem Nutzen sein kann. Nur sehr wenige solcher Bilder, die aufgrund eines nicht sonderlich bemerkenswerten Vorfalls gezeichnet wurden, der zwanzig Sekunden gedauert hat und zwei Monate zurückliegt, sehen dem Verbrecher ähnlich, wenn er schließlich festgenommen wird. Die meisten dieser Bilder könnten ebensogut eine halbe Million beliebiger anderer Leute darstellen, und manche sind ausgesprochen irreführend.«

«Abgesehen von Kowalsky, der tot ist und alles gesagt hat, was er wußte — viel war es nicht —, gibt es nur vier Männer, denen die Identität dieses Schakals bekannt ist«, sagte Kommissar Ducret.»Einer davon ist er selbst, und die anderen drei halten sich in einem Hotel in Rom auf. Wie wäre es, wenn man versuchte, einen von ihnen herzuschaffen?«

Wieder schüttelte der Minister den Kopf.

«Meine Anweisungen sind auch in diesem Punkt ganz eindeutig. Menschenraub kommt nicht mehr in Frage. Die italienische Regierung würde in eine ernste Krise geraten, wenn dergleichen wenige Schritte von der Via Condotti entfernt vorfiele. Ganz abgesehen davon bestehen begründete Zweifel an der technischen Durchführbarkeit eines solchen Unternehmens. General?«

General Guibaud hob den Blick.

«Die Art und das Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen, die Rodin und seine Anhänger zu ihrem Schutz getroffen haben, schließen laut den Berichten meiner Agenten, die sie ständig unter Beobachtung halten, ein derartiges Vorgehen auch unter praktischen Gesichtspunkten aus. Acht Ex-Legionäre, ausnahmslos erstklassige Leute — oder vielmehr sieben, wenn Kowalsky nicht ersetzt worden ist-, sind ständig einsatzbereit. Alle Aufzüge, Treppenflure, Feuertreppen und auch das Dach werden ständig bewacht. Ein Feuergefecht, bei dem Gasgranaten und Maschinenpistolen verwendet werden müßten, wäre vermutlich unumgänglich, um auch nur einen von ihnen lebend herauszuholen. Selbst dann wären die Chancen, den Mann außer Landes zu bringen, außerordentlich gering. Die Grenze ist mehr als fünfhundert Kilometer entfernt, und die Italiener würden zweifellos alle ihnen verfügbaren Polizei- und Militäreinheiten mobilisieren, um die Entführung zu verhindern. Wir haben einige der besten Experten der Welt für Dinge dieser Art unter unseren Leuten. Sie halten es für praktisch undurchführbar, es sei denn im Rahmen einer regelrechten militärischen Kommandoaktion.«

Wieder breitete sich Schweigen in dem Konferenzraum aus.»Nun, meine Herren«, sagte der Minister,»irgendwelche anderen Vorschläge?«

«Dieser Schakal muß aufgespürt werden. Soviel steht fest«, bemerkte Oberst Saint Clair. Einige der Konferenzteilnehmer wechselten stumme Blicke, und da und dort zog man die Brauen hoch.

«Soviel steht allerdings fest«, murmelte der Minister.»Was wir hier versuchen, ist, einen Weg zu finden, wie das innerhalb der uns auferlegten Beschränkungen geschehen soll, und auf dieser Basis können wir dann am besten entscheiden, welche der hier vertretenen Abteilungen zur Wahrnehmung dieser Aufgabe am geeignetsten erscheint.«