Er selbst hielt die Chancen des Mörders, wenn es ihn überhaupt gab, für außerordentlich gering. Die zum Schutz des Präsidenten getroffenen Sicherheitsvorkehrungen waren die wirksamsten der Welt, und zu seinen eigenen Aufgaben im Generalserkretariat gehörte es, die präsidiale Sicherungsgruppe über jedes bevorstehende Erscheinen des Präsidenten in der Öffentlichkeit und die hierfür vorgesehene Route zu unterrichten. Daß dieses engmaschige Netz bis ins letzte durchorganisierter Sicherungsmaßnahmen von einem ausländischen Attentäter durchbrochen werden könnte, erschien ihm so gut wie ausgeschlossen.
Er schloß die Wohnungstür auf und hörte seine Geliebte, die seit kurzem bei ihm zu Hause wohnte, aus dem Schlafzimmer rufen:»Bist du es, cherie?«
«Ja, Liebling. Natürlich bin ich es. Hast du dich einsam gefühlt?«
Angetan mit einem durchsichtigen schwarzen Baby-Doll-Nightie, kam sie ihm aus dem Schlafzimmer entgegengelaufen. Das indirekte Licht der Nachttischlampe konturierte die Kurven ihres jungen Frauenkörpers. Wie immer, wenn er seine Geliebte sah, empfand Raoul Saint Clair außerordentliche Genugtuung darüber, daß sie ihm gehörte und so heftig in ihn verliebt war.
Sie schlang ihre nackten Arme um seinen Hals und küßte ihn lange mit geöffneten Lippen. Er erwiderte ihren Kuß, so gut er konnte, den Attachekoffer und die Abendzeitung noch immer in der Hand.
«Geh schon ins Bett«, sagte er schließlich,»ich komme gleich. «Er gab ihr einen Klaps aufs Hinterteil, um ihren Abgang zu beschleunigen. Das Mädchen hüpfte ins Schlafzimmer zurück und warf sich auf das Bett, wo sie, die Arme unter dem Nacken verschränkt, die Brüste zu provozierender Modellierung gestrafft, ihre Schenkel spreizte.
Saint Clair betrat das Schlafzimmer ohne seinen Attachekoffer und betrachtete sie zufrieden. Sie erwiderte seinen Blick mit laszivem Grinsen.
In den vierzehn Tagen ihres Beisammenseins hatte sie begriffen, daß nur ein überdeutliches Ausspielen demonstrativster Reize, gepaart mit der Vorspiegelung krudester Sinnlichkeit, seinen saftlosen Lenden zur Lust verhelfen konnte. Insgeheim haßte ihn Jacqueline noch genauso wie an dem Tag, als sie einander erstmals begegnet waren. Aber sie hatte herausgefunden, wie man ihn dazu bringen konnte, seinen Mangel an Männlichkeit mit seiner Redseligkeit, insbesondere was die Bedeutung seiner Stellung im Elysee-Palast anbetraf, zu kompensieren.
«Mach schnell«, flüsterte sie.»Ich will dich. «Saint Clair lächelte ehrlich entzückt und zog sich die Schuhe aus, die er sorgfältig ausgerichtet nebeneinander vor den stummen Diener stellte. Als nächstes folgte das Jackett, wobei er den Inhalt der Taschen auf die Nachttischplatte entleerte. Dann kam die Hose an die Reihe, die pedantisch gefaltet und über den hierfür vorgesehenen Arm des stummen Dieners gehängt wurde. Seine dürren langen Beine sahen unter dem Hemd hervor wie zwei dünne weiße Stricknadeln.
«Was hat dich denn so lange aufgehalten?«fragte Jacqueline.»Ich warte schon seit einer Ewigkeit auf dich.«
Saint Clair warf ihr einen tadelnden Blick zu.»Nichts, worüber du dir das Köpfchen zerbrechen solltest, meine Liebe.«
«Oh, du bist gemein. «Sie spielte die Schmollende, wandte sich abrupt ab und rollte sich, ihm den Rücken zukehrend, mit hochgezogenen Knien zusammen. Seine Finger zerrten am Knoten seiner Krawatte, während er auf das kastanienbraune Haar hinuntersah, das ihr über die Schultern und die vollen Hüften fiel, über die sich das kurze Nightie hinauf geschoben hatte. Nach weiteren fünf Minuten war er endlich soweit, ins Bett zu steigen, und knöpfte sich den mit seinem Monogramm bestickten seidenen Pyjama zu.
Er streckte sich neben ihr auf dem Bett aus und ließ seine Hand von der sanften Mulde ihrer Taille über den Hügel ihrer Hüfte wandern und seine Finger nach der schwellenden Rundung ihrer warmen Gesäßbacke tasten.»Was hast du denn?«»Nichts.«
«Ich dachte, du wolltest geliebt werden.«
«Du sagst mir überhaupt nichts. Ich darf dich ja nicht im Amt anrufen. Ich habe stundenlang hier gelegen und Angst gehabt, daß dir irgend etwas zugestoßen sein könnte. Du bist noch nie so spät heimgekommen, ohne mich anzurufen.«
Sie drehte sich auf den Rücken und blickte zu ihm hinauf. Auf den Ellenbogen gestützt, ließ er seine freie Hand unter ihr Nightie gleiten und begann, eine ihrer Brüste zu kneten.»Hör mal, cherie, ich habe sehr viel zu tun gehabt. Es hat da so etwas wie eine Krise gegeben, die wir in den Griff bekommen mußten, bevor ich weggehen konnte. Ich hätte dich ja angerufen, aber es waren so viele Leute da, die noch arbeiteten. Einige von denen wissen, daß meine Frau verreist ist, und es würde komisch ausgesehen haben, wenn ich über die Vermittlung zu Hause angerufen hätte.«
Sie steckte ihre Hand in den Schlitz seiner Pyjamahose und umfaßte den schlaffen Penis. Ein schwaches Erbeben belohnte sie.»Es gibt überhaupt nichts, was so wichtig wäre, daß du mich nicht anrufen und mir Bescheid sagen könntest, wann du kommst, Liebling. Ich habe mir den ganzen Abend Sorgen gemacht.«
«Nun, dazu ist ja jetzt kein Grund mehr vorhanden. Nun komm schon und mach's mir, du weißt doch, daß ich das gern habe.«
Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und biß ihn ins Ohrläppchen.
Nein, er hat es nicht verdient, dachte sie, jedenfalls jetzt noch nicht. Um ihm eine Lehre zu erteilen, kniff sie in sein mählich härter werdendes Glied. Der Oberst atmete merklich rascher. Er fing an, sie mit offenem Mund zu küssen, während seine Hand erst ihre eine, dann ihre andere Brustwarze so fest massierte, daß sie sich wand.
«Mach's mir«, knurrte er.
Sie beugte sich über ihn und löste die Schnur seiner Pyjamahose. Raoul Saint Clair sah die Mähne kastanienbraunen Haars von ihren Schultern herabgleiten und seinen Bauch einhüllen, ließ sich zurückfallen und seufzte genießerisch.
«Die OAS scheint es noch immer auf den Präsidenten abgesehen zu haben«, sagte er.»Heute nachmittag ist die Verschwörung aufgedeckt worden. Wir mußten uns darum kümmern. Deswegen bin ich so spät gekommen.«
Es machte hörbar» Plopp«, als das Mädchen den Kopf wenige Zentimeter hob.
«Sei nicht albern, Liebling. Die sind doch längst erledigt«, sagte sie und setzte ihre Tätigkeit fort.
«Das sind sie ganz und gar nicht. Sie haben jetzt einen ausländischen Killer engagiert, der ihn umlegen soll. Au, beiß mich nicht,
du.«
Eine halbe Stunde später war Oberst Saint Clair de Villauban eingeschlafen und erholte sich, das Gesicht halb im Kissen vergraben, sanft schnarchend von seinen Anstrengungen. Seine Geliebte lag neben ihm und starrte in der Dunkelheit zur Zimmerdecke hinauf, die dort, wo das Licht von der Straße durch einen schmalen Spalt zwischen den Vorhängen hereindrang, schwach erhellt wurde.
Sie war entsetzt von dem, was sie gehört hatte. Obschon ihr von einer Verschwörung nichts bekannt gewesen war, konnte sie sich die Folgen von Kowalskys Geständnis selbst ausmalen. Ohne sich zu rühren, wartete sie, bis das Leuchtzifferblatt des Reiseweckers neben dem Bett 2 Uhr anzeigte. Dann stand sie leise auf und zog die Telephonschnur aus der Steckdose im Schlafzimmer.
Bevor sie zur Tür ging, beugte sie sich über den Obersten und war froh, daß er nicht zu den Männern gehörte, die es liebten, ihre Bettgenossin im Schlaf zu umarmen. Er schnarchte noch immer.