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Caron nahm einen Zettel zur Hand, auf dem eine Anzahl Namen untereinander geschrieben und links daneben die für die Gespräche jeweils vorgesehene Uhrzeit angegeben war.

«Diese sieben sind angemeldet«, sagte er.»Sie fangen um

7 Uhr 10 mit dem Leiter der Mordkommission beim FBI an. In Washington ist es dann l Uhr morgens. Um 7 Uhr 30 kommt Brüssel an die Reihe, danach Amsterdam um 7 Uhr 45 und schließlich Bonn um 8 Uhr 10. Das Gespräch mit Johannesburg ist für

8 Uhr 30 angemeldet, und anschließend, um 9 Uhr, ist Scotland Yard dran. Den Schluß macht Rom um 9 Uhr 30.«

«Werde ich jedesmal mit dem Leiter der Mordkommission verbunden?«fragte Lebel.

«Ja, oder dem Leiter der Abteilung, die der Mordkommission entspricht. Bei Scotland Yard ist es Mister Anthony Mallinson, Assistant Commissioner (Crime). Bei der Londoner Polizeibehörde gibt es offenbar keine Mordkommission. In den anderen Fällen ja mit Ausnahme von Südafrika. Ich habe Van Ruys nicht erreichen können. Statt seiner werden Sie mit Assistant Commissioner Anderson sprechen.«

Lebel dachte einen Augenblick nach.

«Ausgezeichnet«, sagte er dann.»Er ist mir sogar lieber als Van Ruys. Wir haben einmal einen Fall gemeinsam bearbeitet. Bleibt die Frage der Verständigung. Drei von ihnen sprechen Englisch.

Ich nehme an, daß nur der Belgier Französisch spricht. Die anderen werden sicherlich Englisch sprechen, wenn es sein muß…«»Dietrich, der Deutsche, spricht Französisch«, bemerkte Caron.»Gut. Mit den beiden, die Französisch sprechen, rede ich dann persönlich, und in den anderen fünf Fällen werden Sie als Dolmetscher fungieren. Kommen Sie, es wird Zeit.«

Es war zehn Minuten vor sieben, als der Polizeiwagen mit den beiden Detektiven vor dem grünen Portal in der engen rue Paul Valery hielt, in der sich damals die Pariser InterpolZentrale befand.

In den folgenden drei Stunden sprachen Lebel und Caron von der Fernmeldezentrale im Kellergeschoß aus per Funktelephon mit den höchsten Funktionären der Kriminalbehörden von sieben Ländern der westlichen Welt. Lebel machte sich keine Illusionen darüber, daß die Leiter der Mordkommissionen errieten, was er wohl andeuten, aber nicht aussprechen durfte. Es gab in Frankreich nur eine einzige Persönlichkeit, die als das Opfer eines Berufsmörders der internationalen Spitzenklasse in Betracht kam.»Ja, selbstverständlich«, lautete die Antwort ohne Ausnahme.»Wir werden sämtliche Karteien durchkämmen. Ich will versuchen, Sie noch im Lauf des Tages zurückzurufen. Oh, und übrigens — viel Glück, Claude!«

Als Lebel den Hörer des Funktelephons zum letztenmal auflegte, fragte er sich, wie lange es noch dauern mochte, bis die Außenminister und schließlich auch die Regierungschefs der sieben Länder sich darüber klar wurden, was auf dem Spiel stand. Lange gewiß nicht mehr.

Selbst ein Polizist war verpflichtet, seinen politischen Vorgesetzten Vorkommnisse dieser Größenordnung zu melden. Er nahm jedoch an, daß die Minister Stillschweigen bewahren würden. Über alle politischen Differenzen hinweg gab es schließlich auch gemeinsame Interessen, welche die Machthaber der ganzen Welt miteinander verbanden. Sie alle waren Mitglieder des gleichen Klubs — des Klubs der Mächtigen. Gegen gemeinsame Feinde hielten sie allemal zusammen, und was könnte für jeden einzelnen von ihnen bedrohlicher sein als die Existenz eines politischen Meuchelmörders? Dessenungeachtet war sich Lebel durchaus bewußt, daß die Presse, falls sie von seinen Ermittlungen auch nur das geringste erfuhr, die Nachricht schon morgen in die Weltöffentlichkeit hinausposaunen und er ein für allemal erledigt sein würde.Die einzigen, die ihm ernsthaft Sorge bereiteten, waren die Briten. Wenn es eine Sache gewesen wäre, deren Kenntnis auf die Beamten zweier Kriminalbehörden beschränkt bleiben könnte, hätte er keinen Grund zur Besorgnis gehabt. Aber er wußte, daß Mallinson seine Vorgesetzten würde informieren müssen. Es lag gerade erst sechs Monate zurück, daß Charles de Gaulle England den Eintritt in den Gemeinsamen Markt brüsk verwehrt hatte, und seit der am 23. Januar vom General abgehaltenen Pressekonferenz hatte sich das britische Auswärtige Amt — das hatte selbst ein so unpolitischer Kopf wie Lebel mitbekommen — in seinen durch politische Korrespondenten ausgestreuten Verlautbarungen über den Kurs des französischen Staatspräsidenten nicht gerade enthusiastisch geäußert. Würden die Engländer die Gelegenheit wahrnehmen, sich an dem alten Mann zu rächen? Lebel starrte gedankenverloren auf den jetzt stummen Funktelephonapparat. Caron sah ihn fragend an.

«Kommen Sie«, sagte der kleine Kommissar schließlich,»gehen wir frühstücken. Im Augenblick gibt es ohnehin nichts, was wir sonst noch tun könnten.«

Mit nachdenklich gerunzelter Stirn legte Assistant Commissioner Anthony Mallinson den Hörer auf und verließ die Fernmeldezentrale, ohne von dem grüßenden jungen Polizeibeamten, der hereingekommen war, um seinen Dienst anzutreten, Notiz zu nehmen. Noch immer stirnrunzelnd, ging Mallinson in sein geräumiges, aber spärlich möbliertes Büro hinauf, dessen Fensterfront einen panoramaartigen Ausblick über die Themse bot.

Für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel. Die französische Polizei hatte von irgendwoher einen Tip bekommen, daß sich ein eminent gefährlicher Berufsmörder auf freiem Fuß und vermutlich auf dem Weg nach Frankreich befand. Wie Lebel vorausgesehen hatte, bedurfte es keines besonderen Scharfsinns, um sich auszurechnen, wer im August 1963 in Frankreich als Zielscheibe eines Killers dieser Sorte einzig und allein in Betracht kam. Dem altgedienten Polizeibeamten Mallinson war Lebels mißliche Lage durchaus gegenwärtig.»Armes Schwein«, sagte er halblaut, während er auf den träge dahinfließenden Strom hinabblickte.»Sir?«fragte sein persönlicher Assistent, der ihm in das Arbeitszimmer gefolgt war, um die eingegangene Post auf den Nußbaumtisch seines Chefs zu legen.

«Nichts. «Als der Assistent das Zimmer verlassen hatte, starrte Mallinson weiterhin unverwandt aus dem Fenster. Wieviel Verständnis er für Claude Lebel auch aufbringen mochte, der sich vor die fast unlösbare Aufgabe gestellt sah, seinen Präsidenten schützen zu müssen, ohne eine offizielle Großfahndung in Gang setzen zu dürfen — er, Mallinson, hatte seine eigenen Vorgesetzten. Früher oder später würde er sie über das heute morgen an ihn ergangene Ansuchen unterrichten müssen. In einer halben Stunde begann die tägliche Besprechung der Abteilungsleiter. Sollte er es bei dieser Gelegenheit erwähnen?

Er entschied sich dafür, es nicht zu tun. Es würde genügen, dem Commissioner ein formelles, aber privates Memorandum zuzuleiten, in welchem er Lebels Ansuchen kurz umriß. Der Hinweis auf die Diskretion, mit der die Sache behandelt werden mußte, würde in jedem Falle erklären, warum er die Angelegenheit nicht bei der morgendlichen Konferenz zur Sprache gebracht hatte. Inzwischen konnte es nicht schaden, wenn er die Ermittlung in die Wege leitete, ohne die Gründe hierfür anzugeben. Er nahm hinter seinem Arbeitstisch Platz und drückte auf einen Knopf der Haussprechanlage, die auf seinem Schreibtisch stand.

«Sir?«meldete sich die Stimme seines Assistenten aus dem Vorzimmer.

«Kommen Sie doch bitte auf einen Augenblick zu mir herüber, John.«

Mit dem Notizblock in der Hand trat der Detektivinspektor ein.

«John, ich möchte, daß Sie zur Zentralkartei gehen und sich gleich an Chief Superintendent Markheim wenden. Sagen Sie ihm, es handele sich um ein persönliches Ansuchen von mir, für das ich ihm aber im Augenblick noch keine Gründe nennen könne. Bitten Sie ihn, die Dossiers aller Berufsmörder zu überprüfen, von denen man weiß, daß sie sich in Großbritannien aufhalten…«