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Engländer habe nervös gewirkt; er schien in großer Eile gewesen zu sein und habe mit einem neuen Hundertfrancschein gezahlt.

Was er nicht erwähnte, weil er es nicht bemerkt hatte, war die Tatsache, daß der Engländer in seiner Abwesenheit — er war in das Geschäftszimmer gegangen, um den Schein zu wechseln, und hatte das Gästebuch, in das er die Namen der für jenen Tag erwarteten Gäste eintragen wollte, offen liegenlassen — die Eintragungen des Vortages überflogen hatte. Der Engländer hatte eine Seite zurückgeschlagen und sich die hinter dem Namen von Mme. la Baronne de la Chalonniere angegebene Adresse — Haute Chalonniere, Correze — gemerkt.

Wenige Minuten nachdem er die Rechnung beglichen hatte, war von der Auffahrt her das dröhnende Motorengeräusch des Alfa zu hören. Es wurde rasch schwächer, und bald hatte es sich gänzlich in der Ferne verloren.

Gegen Mittag rief die Brüsseler Sürete Lebel in seinem Büro an, um zu melden, daß Duggan am Montag nur vier Stunden in der belgischen Hauptstadt verbracht hatte. Er war mit der BEA-Maschine aus London eingetroffen und am Nachmittag mit der Alitalia nach Mailand weitergeflogen. Das Ticket war am Schalter bar bezahlt, der Flug jedoch bereits zwei Tage zuvor telephonisch von London aus gebucht worden.

Lebel ließ sich sofort mit der Mailänder Polizeibehörde verbinden.

Kaum hatte er den Hörer aufgelegt, da klingelte das Telephon wiederum. Diesmal war es die DST, die ihn wissen ließ, daß sie soeben auf dem normalen Dienstweg eine Meldung erhalten hatte, derzufolge sich Alexander James Quentin Duggan unter den am gestrigen Vormittag über die Grenzstation Ventimiglia von Italien nach Frankreich eingereisten Touristen befunden habe.

Lebel bekam einen Tobsuchtsanfall.

«Fast dreißig Stunden«, schrie er,»länger als ein Tag!«

Er schmetterte den Hörer auf die Gabel. Caron zog die Brauen hoch.

«Die Grenzübertrittskarte«, erklärte Lebel resigniert,»hat so lange gebraucht, um von Ventimiglia nach Paris zu gelangen. Die Kollegen sind jetzt dabei, die inzwischen von allen Grenzstationen eingegangenen Karten von gestern morgen zu sortieren. Sie sagen, es sind mehr als fünfundzwanzigtausend. Nur von gestern morgen! Ich hätte sie wohl doch nicht so anbrüllen sollen. Eines wissen wir jetzt wenigstens — er ist in Frankreich. Das steht fest. Wenn ich bei der Besprechung heute abend nicht irgend etwas Konkretes vorzuweisen habe, ziehen die mir die Haut ab. Oh, übrigens — rufen Sie doch bitte nochmals Superintendent Thomas an. Sagen Sie ihm, daß der Schakal in Frankreich ist und wir die Sache von hier aus handhaben. «Als Caron das Gespräch mit London beendet hatte, meldete sich die Zentrale des regionalen Dienstes der PJ in Lyon. Lebel lauschte gespannt und sah Caron dann triumphierend an. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel.

«Wir haben ihn. Er ist gestern abend im Hötel du Cerf in Gap abgestiegen und hat offenbar vor, zwei Tage dort zu bleiben. «Er nahm die Hand von der Muschel und sprach weiter mit Lyon.

«Hören Sie, Kommissar, ich kann Ihnen jetzt nicht erklären, warum wir diesen Mann fassen wollen. Sie müssen es mir schon abnehmen, daß es wichtig ist. Sie machen jetzt folgendes…«Er sprach zehn Minuten lang, und als er das Gespräch beendete, klingelte der auf Carons Schreibtisch stehende Telephonapparat. Es war nochmals die DST, die meldete, daß Duggan in einem gemieteten weißen Alfa-Romeo-Zweisitzer eingereist sei, der das polizeiliche Kennzeichen MI-61741 trug.

«Soll ich eine Suchmeldung an alle Gendarmerieposten und Polizeikommissariate durchgeben lassen?«fragte Caron.

Lebel überlegte einen Augenblick lang.

«Nein, noch nicht«, sagte er dann.»Wenn er irgendwo in der Gegend herumgondelt, würde er vermutlich von einem Landgendarmen angehalten werden, der meint, die Suche gelte bloß einem gestohlenen Sportwagen. Der Schakal legt jeden um, der sich ihm in den Weg stellt. Das Gewehr muß irgendwo im Wagen versteckt sein. Entscheidend ist, daß er sich für zwei Nächte in dem Hotel einquartiert hat. Wenn er zurückkommt, wird es von einer ganzen Armee umstellt sein. Ich will nicht, daß bei der Aktion jemand zu Schaden kommt, wenn es irgend zu vermeiden ist. Los jetzt, beeilen Sie sich, Caron. Der Hubschrauber wartet.«

Lebel wollte nicht das Leben irgendeines einzelnen motorisierten Polizisten aufs Spiel setzen. Daß es ein Fehler war, sich von solchen Überlegungen leiten zu lassen, sollte er sehr bald erkennen.

Während Caron und er sich zum Aufbruch anschickten, waren in und um Gap alle verfügbaren Polizeikräfte fieberhaft damit beschäftigt, auf den Ausfallstraßen der Stadt und in der Umgebung des Hotels Straßensperren zu errichten. Die Anweisung dazu war aus Lyon gekommen. Dort und in Grenoble kletterten jetzt mit Maschinenpistolen und Karabinern bewaffnete Bereitschaftspolizisten in schwarze Mannschaftswagen. Und im Polizeilager Satory außerhalb von Paris wurde für Kommissar Lebel ein Hubschrauber flugklar gemacht.

Am frühen Nachmittag war die Hitze selbst im Schatten der Bäume drückend. Der Schakal hatte das Hemd ausgezogen und sich mit bloßem Oberkörper, Pinsel in der einen, Farbtopf in der anderen Hand, an die Arbeit gemacht.

Unmittelbar hinter Gap war er nach Westen abgebogen und über Veynes nach Aspres-sur-Buech gefahren. Wie ein achtlos abgestreiftes Band schlängelte sich die zumeist bergab verlaufende Straße zwischen den Bergen hindurch. Er fuhr mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und zog den Alfa mit quietschenden Reifen durch die engen Kurven, wobei er zweimal um ein Haar einen entgegenkommenden Wagen von der Straße gedrängt und in den Abgrund geschickt hätte. Hinter Aspres setzte er die Fahrt auf der RN93 fort, die dem Lauf der weiter westlich in die Rhone mündenden Drome folgte.

Während der nächsten dreißig Kilometer hatte die Straße mehrfach den Fluß gekreuzt. Kurz hinter Luc-en-Diois hielt es der Schakal für an der Zeit, den Wagen in eine der zahlreichen Nebenstraßen zu lenken, die hügelan in die höher gelegenen Dörfer führten. Bei der nächsten Abzweigung bog er ein und folgte nach etwa drei Kilometer einem Pfad, der von der Nebenstraße weg nach rechts in einen Wald führte.

Nach zwei Stunden hatte er es geschafft. Der Wagen war leuchtend dunkelblau gestrichen und der Lack größtenteils schon trocken. Obschon alles andere als eine fachmännische Arbeit, würde sie besonders in der Dämmerung niemandem weiter auffallen, es sei denn, man schaute genauer hin.

Die beiden Nummernschilder waren abgeschraubt und lagen mit der Vorderseite nach unten im Gras. Auf ihre Rückseiten hatte er in Weiß eine fiktive französische Nummer gemalt, die mit der Kennzahl 75 — der Codezahl für Paris- endete. Der Schakal wußte, daß dies auf französischen Straßen die häufigste Wagennummer war.

Daß die auf den weißen italienischen Alfa ausgestellten Leih-und Versicherungspapiere nicht zu dem blauen französischen Alfa paßten, war offenkundig, und wenn er von einer Verkehrsstreife angehalten und ohne Wagenpapiere angetroffen wurde, war er geliefert. Die einzige Frage, die ihn beschäftigte, während er einen Lappen in den Tank tauchte, um sich die Farbflecken von den Händen zu wischen, war die, ob er jetzt starten und dabei in Kauf nehmen sollte, daß die amateurhafte Übermalung des ursprünglich weißen Wagens im hellen Sonnenlicht auffiel, oder ob es klüger wäre, den Einbruch der Dämmerung abzuwarten.

Er schätzte, daß die Polizei, nachdem sie nun schon seinen falschen Namen in Erfahrung gebracht hatte, in Kürze auch heraushaben dürfte, über welche Grenzstation er nach Frankreich eingereist war, und alsbald nach dem Wagen zu fahnden beginnen würde.

Für den Auftrag in Paris war es noch immer mehr als eine Woche zu früh, und er mußte einen Unterschlupf suchen, wo er sich bis dahin verstecken und vor möglicher Entdeckung sicher fühlen konnte. Das hieß, er mußte gut und gern dreihundertachtzig Kilometer in westlicher

Richtung zurücklegen, um das Departement Correze zu erreichen; und am schnellsten gelangte man mit dem Auto dorthin. Es war zwar riskant, aber er beschloß, es darauf ankommen zu lassen. Je eher er startete, desto besser. Es galt, die Strecke hinter sich zu bringen, noch bevor jeder Verkehrspolizist des Landes nach einem Alfa Romeo mit einem blonden Engländer am Steuer Ausschau hielt.