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Der Mann stand im Nachthemd in der Tür und dachte nicht im entferntesten daran, die Detektive hereinzubitten. Die blakende Paraffinlampe in seiner Hand warf ihren flackernden Schein auf die Gruppe.

«Aber Gaston, Sie fahren doch sehr häufig auf dieser Straße zum Markt. Sind Sie auch am Freitagmorgen auf der Straße nach Egletons gefahren?«

Der Bauer kniff leicht die Augen zusammen.

«Schon möglich.«

«Nun, sind Sie gefahren oder nicht?«

«Weiß ich nicht mehr.«

«Haben Sie einen Mann auf der Straße gesehen?«

«Ich kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten.«

«Danach haben wir Sie nicht gefragt. Haben Sie einen Mann gesehen?«

«Ich habe nichts gesehen. Niemanden.«

«Einen blonden Mann. Groß, athletisch. Mit drei Koffern und einer Reisetasche.«

«Ich habe keinen gesehen. J'ai rien vu, tu comprends.«

So ging es zwanzig Minuten lang. Schließlich gaben sie es auf und zogen weiter. Die Hunde rissen knurrend an ihren Ketten und schnappten nach den Hosenbeinen der Detektive, die eiligst einen Schritt zur Seite traten und dabei prompt über den Misthaufen stolperten. Der Bauer sah ihnen nach, bis sie die Straße erreicht hatten und in ihrem Wagen davonfuhren. Dann schloß er die Tür und stieg wieder zu seiner Frau ins Bett.

«Die waren doch sicher wegen des Burschen da, den du neulich mitgenommen hast, stimmt's?«fragte sie.»Was haben sie mit ihm vor?«

«Keine Ahnung«, sagte Gaston.»Aber niemand soll von Gaston Grosjean je behaupten können, daß er mitgeholfen hat, einen anderen ans Messer zu liefern. «Er räusperte sich und spuckte in das verglimmende Feuer. »Sales flics.«

Er schraubte den Docht zurück und blies die Lampe aus, hob die Beine ins Bett und kroch tiefer in die Federn.

«Viel Glück, Kumpel, wo immer du jetzt auch bist.«

Lebel ließ die Papiere sinken und sah auf.

«Meine Herren, sobald die Sitzung zu Ende ist, fliege ich nach Ussel, um die Suchaktion persönlich zu beaufsichtigen.«

Nahezu eine Minute lang herrschte Schweigen.

«Was glauben Sie, Kommissar«, ließ sich der Minister vernehmen,»kann aus alldem geschlossen werden?«

«Zweierlei, Monsieur le Ministre. Wir wissen, daß der Schakal Farbe gekauft haben muß, um den Wagen zu überstreichen. Ich nehme an, die Nachforschungen werden ergeben, daß der Alfa in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag, als er von Gap nach Ussel gefahren wurde, bereits umgestrichen war. Wenn das zutrifft — und entsprechende Erkundigungen werden gegenwärtig angestellt —, steht zu vermuten, daß er gewarnt worden ist. Entweder hat jemand ihn angerufen, oder er seinerseits hat jemanden — hier oder in London — angerufen, der ihn über die Aufdeckung seines Pseudonyms Duggan unterrichtete. Er konnte sich ausrechnen, daß wir ihm bis Mittag auf der Spur sein und die Verfolgung des Wagens aufnehmen würden. Deswegen machte er, daß er wegkam, und das so rasch wie möglich.«

Er hatte das Gefühl, die Zimmerdecke müsse bersten, so lastete das Schweigen.

«Wollen Sie im Ernst andeuten«, fragte jemand wie aus weiter Ferne,»daß aus diesem Raum hier Dinge nach außen gedrungen sind?«

«Behaupten kann ich das nicht, Monsieur«, entgegnete Lebel.»Es gibt Telephonfräulein, Fernschreiberinnen und mittlere und untere Beamte, über welche die Orders weitergegeben werden müssen. Schon möglich, daß sich jemand darunter befindet, der heimlich für die O AS arbeitet. Aber eines scheint mir immer deutlicher zu werden. Er ist über die Aufdeckung seiner Absicht, den Präsidenten zu ermorden, informiert worden und hat sich dennoch entschlossen, nicht aufzugeben. Und er wurde von seiner Demaskierung als Alexander Duggan unterrichtet. Einen einzigen Kontakt hat er immerhin. Ich vermute, daß es der Mann namens Valmy ist, dessen Meldung an die OAS von der DST abgefangen wurde.«»Verdammt«, fluchte der Leiter der DST,»wenn wir den Burschen doch nur im Postamt erwischt hätten.«

«Und wie lautet der zweite Schluß, den wir ziehen können, Kommissar?«fragte der Minister.»Daß er Frankreich, als er erfuhr, Duggan sei aufgeflogen, nicht etwa zu verlassen versucht hat, sondern ganz im Gegenteil ins Zentrum des Landes weitergefahren ist. Mit anderen Worten, er ist von seinem Vorhaben, das Staatsoberhaupt zu ermorden, keineswegs abgerückt. Er hat sich vielmehr entschlossen, es ganz allein mit uns allen aufzunehmen.«

Der Minister erhob sich und raffte seine Papiere zusammen.

«Wir wollen Sie nicht aufhalten, Monsieur le Commissaire. Finden Sie ihn noch heute nacht. Machen Sie ihn unschädlich, wenn es sein muß. Das ist meine Weisung, die ich Ihnen im Namen des Präsidenten erteile.«

Damit verließ er den Konferenzraum.

Eine Stunde später hob Lebels Hubschrauber vom Startplatz in Satory ab und nahm im purpurnen Schein des rasch dunkler werdenden Abendhimmels Kurs nach Süden.»Unverfrorener Bursche. Wagt es, die Dinge so darzustellen, als seien wir, Frankreichs allerhöchste Staatsdiener, schuld daran. Ich werde das selbstverständlich in meinem nächsten Bericht erwähnen.«

Jacqueline streifte die schmalen Träger ihres dünnen Unterhemdchens von den Schultern und ließ den durchsichtigen Stoff auf ihre Hüften hinabgleiten, um die er sich in weichen Falten schmiegte. Sie spannte die Armmuskeln an, damit sich das Tal zwischen ihren Brüsten zu einem tiefen Spalt verengte, und zog den Kopf ihres Liebhabers an ihren Busen.

«Erzähl mir alles«, girrte sie.

ACHTZEHNTES KAPITEL

Auch am Morgen des 21. August war der Himmel so strahlend und klar wie schon an den vorangegangenen vierzehn Tagen der hochsommerlichen Hitzewelle. Von den Fenstern des Chateau de la Haute Chalonniere aus, die den Blick auf die hügelige Heidelandschaft freigaben, wirkte der Morgen heiter und friedlich und verriet keinerlei Anzeichen der Unruhe, die eben jetzt durch die polizeiliche Großaktion im achtzehn Kilometer entfernten Egle-tons verursacht wurde.

Nur mit seinem Morgenmantel bekleidet, stand der Schakal im Arbeitszimmer des Barons am Fenster und meldete sein allmorgendliches Routinegespräch mit Paris an. Er hatte seine Geliebte nach einer weiteren wilden Liebesnacht oben in ihrem Zimmer schlafend zurückgelassen.

Als die Verbindung mit Paris hergestellt war, meldete er sich wie gewohnt mit »Ici Chacal«.»Ici Valmy«, sagte die heisere Stimme am anderen Ende der Leitung.»Die Dinge sind wieder in Bewegung geraten. Sie haben den Wagen gefunden…«

Er lauschte zwei Minuten lang angespannt und stellte nur ab und zu eine knappe Zwischenfrage. Dann legte er mit einem abschließenden »Merci« den Hörer auf und griff nach Zigaretten und Feuerzeug in seine Taschen. Was er soeben erfahren hatte, zwang ihn, seine Pläne, ob er es wollte oder nicht, zu ändern. Er hatte beabsichtigt, noch weitere zwei Tage auf dem Schloß zu bleiben, aber jetzt mußte er von hier verschwinden, und je eher er das tat, desto besser. Außerdem war da noch etwas gewesen, weswegen ihn das Gespräch beunruhigte — etwas, das ihn hätte stutzig machen sollen.