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Herrenshaws Hände in die seinen und erschrak, als er die traurige Botschaft spürte. Ohne zu wissen, was er tat, legte er dem Mann die Hand auf die gebeugte Schulter, bevor er sich abwandte. Sie kehrten in das Behandlungszimmer zurück, um Shamans Diagnose zu hören. »Ich weiß nicht, was die Flüssigkeitsansammlung im Gewebe verursacht hat. Ich habe noch nicht die Erfahrung, um das zu begreifen. Aber der Puls des Patienten war schwach und fadenförmig. Unregelmäßig. Die Herztätigkeit ist stark gestört, wenn es rast, schlägt es einhundertdreißigmal pro Minute.« Er sah Meigs an. »In den letzten Jahren habe ich meinem Vater bei der Autopsie von zwei Männern und einer Frau geholfen, die an Herzversagen gestorben sind. In allen Fällen war ein kleines Stück der Herzwand abgestorben. Das Gewebe wirkte verbrannt, als wäre es mit glühender Kohle in Berührung gekommen.«

»Was würden Sie für ihn tun?«

»Ich würde ihn warm halten. Ich würde ihm ein Schlafmittel geben. Und da er in ein paar Stunden stirbt, würde ich seine Schmerzen lindern.« Er wusste sofort, dass er zuviel gesagt hatte, konnte aber die Worte nicht mehr ungesprochen machen.

Meigs fiel über ihn her. »Woher wissen Sie, dass er sterben wird?«

»Ich habe es gespürt«, antwortete Shaman mit leiser Stimme.

»Was? Sprechen Sie lauter, Mr. Cole, damit alle es hören können!«

»Ich habe es gespürt, Sir.«

»Sie haben nicht genug Erfahrung, um über Körperflüssigkeiten Bescheid zu wissen, aber Sie sind in der Lage, den bevorstehenden Tod zu spüren«, sagte der Professor schneidend. Er wandte sich an die anderen Studenten.

»Was lernen wir hieraus, Gentlemen? Solange noch Leben in einem Patienten ist, dürfen wir ihn nicht - dürfen Sie ihn nie und nimmer - dem Tod überantworten. Wir kämpfen um sein Leben, bis er von uns gegangen ist.

Haben Sie das verstanden, Mr. Cole?«

»Ja, Sir«, sagte Shaman kläglich.

An diesem Abend lud Shaman Jim Halleck in einen Saloon an der Flusspromenade, dessen Fußboden mit Sägemehl bestreut war, ein. Sie aßen gekochtes Rindfleisch mit Kohl, und jeder trank drei große Gläser bitteres dunkles Bier. Es war kein Siegesschmaus. Keiner von beiden war zufrieden mit dem Ausgang des Nachmittags.

Außer der gegenseitigen Versicherung, dass Meigs ein schrecklicher Miesepeter sei, hatten sie sich kaum etwas zu sagen. Gleich nach dem Essen dankte Shaman deshalb dem Pfleger und bezahlte ihn für seine Hilfe, und so konnte Halleck um einige Dollar weniger arm als noch am Morgen zu Frau und vier Kindern zurückkehren.

Shaman blieb und trank noch mehr Bier. Über die Wirkung des Alkohols auf die Gabe dachte er erst gar nicht nach. Er zweifelte daran, dass diese Gabe in seinem Leben noch eine große Rolle spielen werde. Auf dem Rückweg zum Wohnheim dachte er an nichts anderes als an die Notwendigkeit, vorsichtig einen Fuß vor den anderen zu setzen, und sobald er in seinem Zimmer war, kletterte er, vollständig angezogen, in sein Bett.

Am nächsten Morgen hatte er einen neuen guten Grund, alkoholische Getränke in Zukunft zu meiden, denn sein Kopf und die Gesichtsmuskeln schmerzten. Doch er nahm es als angemessene Strafe hin. Er ließ sich Zeit mit dem Waschen und dem Umziehen und war eben auf dem Weg zu einem verspäteten Frühstück, als ein Kommilitone namens Rogers in den Speisesaal des Krankenhauses gelaufen kam. »Dr. McGowan sagt, du sollst sofort in sein Labor kommen.«

Als er den niederen Raum im Keller betrat, sah er Dr. Berwyn bei Dr. McGowan spehen. Auf dem Tisch lag die Leiche von Arthur Herrenshaw.

»Wir haben auf Sie gewartet«, sagte Dr. McGowan gereizt, als habe Shaman einen vereinbarten Termin nicht eingehalten. »Ja, Sir«, erwiderte er, denn etwas anderes fiel ihm nicht ein. »Wollen Sie ihn öffnen?« fragte Dr.

McGowan. Shaman hatte es noch nie selbst getan. Aber er hatte seinem Vater oft genug dabei zugesehen, und Dr. McGowan reichte ihm sofort ein Skalpell, als er nickte. Er war sich bewusst, dass die beiden Ärzte ihm bei seinen ersten Schnitten in die Brust sehr genau auf die Finger sahen. Dr. McGowan setzte selbst die Rippensäge an, und nachdem er das Brustbein entfernt hatte, beugte er sich über das Herz und hob es leicht an, damit Dr.

Berwyn und Shaman die rundliche, verbrannt aussehende Schadstelle an der Wand von Mr. Herrenshaws Herzmuskel sehen konnten.

»Da ist etwas, das Sie wissen sollten«, sagte Dr. Berwyn zu Shaman. »Manchmal tritt die tödliche Störung im Herzinneren auf, so dass sie an der Außenwand nicht feststellbar ist.« Shaman nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. McGowan wandte sich an Dr. Berwyn und sagte etwas, und Dr. Berwyn lachte. Dann sah Dr.

McGowan Shaman an. Sein Gesicht erinnerte an faltiges Leder, und nun sah Shaman zum erstenmal, dass ein Lächeln es erhellte.

»Ich habe zu ihm gesagt: >Gehen Sie, und bringen Sie mir mehr solche Taube!<« sagte Dr. McGowan.

In Cincinnati

An jedem Tag in diesem schiefergrauen Frühling der nationalen Pein versammelte sich eine besorgte Menge vor der Redaktion der »Cincinnati Post«, um die Kriegsberichte zu lesen, die mit Kreide auf eine Tafel geschrieben waren. Präsident Lincoln hatte eine Blockade aller Häfen der Konföderierten durch die Kriegsmarine der Union angeordnet und alle Männer des Nordens gebeten, dem Ruf zur Fahne Folge zu leisten. Überall gab es Gerede über den Krieg und eine Unmenge von Spekulationen. General Winfield Scott, der Oberbefehlshaber der Unionsarmee, war ein Südstaatler, der die Union unterstützte, aber er war ein müder alter Mann. Ein Patient erzählte Shaman von dem Gerücht, Lincoln habe Robert E. Lee gebeten, den Befehl über die Armee zu übernehmen. Aber wenige Tage später berichteten die Zeitungen, dass Lee das Kommando wieder abgegeben habe, da er es vorzog, auf der Seite des Südens zu kämpfen.

Noch vor Ende dieses Semesters hatten mehr als ein Dutzend Studenten, die meisten davon in akademischen Schwierigkeiten, die Medical School verlassen, um sich zu der einen oder anderen Armee zu melden. Zu ihnen gehörte auch Ruel Torrington, der zwei leere Schubladen hinterließ, in denen der Geruch ungewaschener Wäsche hing. Andere Studenten sprachen davon, das Semester zu beenden und dann zur Armee zu gehen. Im Mai berief Dr. Berwyn eine Studentenversammlung ein und erklärte, dass die Poliklinik in Erwägung gezogen habe, das Institut während des militärischen Notstands zu schließen, dann aber beschlossen habe, doch weiter zu unterrichten. Er bat die Studenten eindringlich, an der Medical School zu bleiben. »Sehr bald wird es einen Bedarf an Ärzten geben wie nie zuvor, sowohl in der Armee als auch für die Versorgung der Zivilbevölkerung.«

Dr. Berwyn hatte schlechte Nachrichten. Da der Lehrkörper sein Gehalt aus den Schulgeldern bezog und die Studentenzahl zurückging, mussten die Gebühren erhöht werden. Für Shaman bedeutete das, dass er Mittel aufbringen musste, die nicht eingeplant waren. Doch nachdem ihm schon seine Taubheit nicht im Weg hatte stehen können, war er fest entschlossen, sich auch von einer solchen Kleinigkeit wie Geldproblemen nicht davon abhalten zu lassen, Arzt zu werden.