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Barney McGowan lächelte. »Ach ja, die Farm«, sagte er leicht abschätzig. »Ich prophezeie Ihnen, junger Mann, dass Sie in Zukunft kaum noch zur Farmarbeit kommen werden. Soweit ich weiß, ist Ihr Vater Landarzt in Illinois, nicht wahr? Ich wollte Sie immer schon einmal danach fragen. An der Universität in Edinburgh gab es einige Jahre vor mir einen Arzt, der genauso hieß wie Ihr Vater.«

»Ja, das war mein Vater. Er hat mir die gleiche Anekdote erzählt, die Sie in der ersten Anatomievorlesung über Sir William Fergusson erzählt haben, seine Beschreibung eines Leichnams als Haus, aus dem der Bewohner ausgezogen ist.«

»Ich erinnere mich, dass Sie gelächelt haben, als ich die Geschichte erzählte. Jetzt verstehe ich, warum.«

McGowan sah ihn nachdenklich an. »Wissen Sie... äh... warum Ihr Vater Schottland verlassen hat?« Shaman merkte, dass Dr. McGowan versuchte, taktvoll zu sein. »Ja. Er hat es mir erzählt. Er hatte politische Schwierigkeiten und wäre beinahe nach Australien deportiert worden.«

»Ich erinnere mich.« Dr. McGowan schüttelte den Kopf. »Er wurde uns immer als warnendes Beispiel vorgehalten. Jeder am University College wusste von ihm. Er war Sir Fergussons Protege, mit einer glänzenden Zukunft vor sich. Und jetzt ist er Landarzt. Wie schade!« »Das ist überhaupt nicht schade!« Shaman bekämpfte den aufsteigenden Ärger und schaffte am Ende sogar ein Lächeln. »Mein Vater ist ein großartiger Mensch«, sagte er und wurde sich überrascht klar, dass das wirklich stimmte. Er erzählte Barney McGowan von Rob J. und seiner Tätigkeit unter Oliver Wendell Holmes in Boston und von den Holzfällern und Schienenlegern, die er während seiner Wanderschaft durch den Kontinent verarztet hatte. Er erzählte ihm, wie sein Vater eines Tages mit seinem Pferd zwei Flüsse und einen Bach hatte durchschwimmen müssen, um eine Torfhütte zu erreichen, in der er dann eine Frau von Zwillingen entband. Er beschrieb die Farmhausküchen inmitten der Prärie, in denen sein Vater operiert hatte, und vergaß auch nicht zu erwähnen, wie oft Rob J. Cole auf Tischen hatte operieren müssen, die er zuvor aus den schmutzigen Hütten ins helle Sonnenlicht hinausgetragen hatte. Er erzählte, wie sein Vater von Gesetzlosen entführt und mit vorgehaltener Waffe gezwungen worden war, eine Kugel aus der Schulter eines Banditen zu entfernen. Er erzählte, wie sein Vater eines Nachts bei dreißig Grad unter Null nach Hause geritten war und nur überlebt hatte, weil er abgestiegen und, sich an den Schwanz seines Pferdes klammernd, hinter dem Tier hergelaufen war, um die Blutzirkulation wieder in Schwung zu bringen.

Barney McGowan lächelte. »Sie haben recht«, sagte er. »Ihr Vater ist wirklich ein großartiger Mann. Und ein beneidenswerter Vater.«

»Vielen Dank, Sir.« Shaman wandte sich zum Gehen, hielt aber dann inne. »Dr. McGowan. Mein Vater hat einmal eine Autopsie an einer Frau vorgenommen, die mit elf Stichen in die Brust getötet worden war. Die Wunden maßen etwa neun Millimeter im Durchmesser und waren ihr mittels eines spitzen Gegenstandes mit drei scharfen Kanten zugefügt worden. Können Sie sich vorstellen, was das war?«

Der Pathologe überlegte, offensichtlich interessierte ihn die Frage. »Vielleicht war es ein medizinisches Instrument; da gibt es das Beersche Messer, ein dreischneidiges Skalpell, das zur Operation von Katarakten und Defekten der Augenhornhaut verwendet wird. Aber die Wunden, die Sie beschreiben, waren zu groß, um von einem Beerschen Messer zu stammen. Vielleicht gehen sie auf ein Bistouri zurück? Waren die Wunden einheitlich groß?«

»Nein. Die Einstiche ließen erkennen, dass es sich um einen spitz zulaufenden Gegenstand gehandelt haben muss.«

»So ein Bistouri gibt es nicht. Vielleicht stammen die Wunden doch nicht von einem medizinischen Instrument.«

Shaman zögerte. »Könnten sie von einem Gegenstand herrühren, den gewöhnlich eine Frau benutzt?«

»Von einer Stricknadel oder etwas Ähnlichem? Das ist natürlich möglich, aber mir fällt auch kein Haushaltsgegenstand ein, der solche Wunden verursachen könnte.« Dr. McGowan lächelte. »Lassen Sie mich eine Weile über das Problem nachdenken, und wir unterhalten uns später noch einmal darüber! Und wenn Sie Ihrem Vater schreiben«, schloss er, »müssen Sie ihm herzliche Grüße von einem ausrichten, der ein paar Jahre nach ihm zu William Fergusson kam.« Shaman versprach, seinen Vater in dem notwendig gewordenen Brief zu grüßen.

Die Antwort Rob J.s traf erst acht Tage vor Semesterende in Cincinnati ein, gerade noch rechtzeitig, damit Shaman die angebotene Stelle im Krankenhaus annehmen konnte.

Sein Vater konnte sich an einen Dr. McGowan nicht erinnern, gab aber seiner Freude darüber Ausdruck, dass Shaman bei einem Schotten Pathologie studiere, der Kunst und Wissenschaft des Sezierens bei William Fergusson gelernt hatte. Er bat seinen Sohn, den Professor auch von ihm herzlich zu grüßen und dem Mann zu bestellen, dass er seinem Sohn erlaube, im Krankenhaus zu arbeiten. Der Brief war persönlich, aber sehr kurz, und an der mangelnden Mitteilsamkeit erkannte Shaman, dass sein Vater bedrückter Stimmung war. Von Alex gab es noch immer keine Nachricht, und der Vater gestand, dass Shamans Mutter mit jeder neuen Schlacht ängstlicher und besorgter wurde.

Die Fahrt mit dem Schiff

Es war Rob J. klar, dass sowohl Jefferson Davis als auch Abraham Lincoln nicht zuletzt dadurch zu ihren Positionen aufgestiegen waren, dass sie im Krieg des Schwarzen Falken an der Vernichtung der Sauks mitgewirkt hatten. Als junger Lieutenant hatte Davis Schwarzer Falke und den Medizinmann Weiße Wolke persönlich auf dem Mississippi von Fort Crawford nach Jefferson Barracks gebracht, wo sie in Ketten gelegt wurden. Lincoln hatte die Sauks mit der Miliz bekämpft, und zwar als einfacher Soldat und auch als Captain.

Jetzt wurden diese beiden Männer mit »Mr. President« angesprochen, und sie führten die eine Hälfte der amerikanischen Nation gegen die andere ins Feld. Rob J. hätte sich am liebsten aus allem herausgehalten, doch das war ihm nicht vergönnt: Der Krieg war erst sechs Wochen alt, als Stephen Hume nach Holden’s Crossing geritten kam, um ihn aufzusuchen. Der ehemalige Kongressabgeordnete gab offen zu, dass er seinen Einfluss dazu genutzt hatte, als Colonel in die Army zu kommen. Er hatte seine Stellung als Rechtsbeistand der Eisenbahn in Rock Island gekündigt, um das 102. Illinois Volunteer Regiment aufzustellen - und er war gekommen, um Dr. Cole als Regimentsarzt anzuwerben. »Das ist nichts für mich, Stephen.«

»Doc, es ist nichts dagegen zu sagen, wenn man den Krieg als abstrakten Begriff ablehnt, aber jetzt ist er Realität geworden, und es gibt gute Gründe für diesen Krieg.«

»Ich glaube nicht, dass das Töten vieler Menschen bei irgend jemandem eine Meinungsänderung über die Sklaverei und den freien Handel herbeiführen wird. Außerdem brauchen Sie einen jüngeren und robusteren Kandidaten: Ich bin ein vierundvierzigjähriger Mann mit einem Schmerbauch.« Er hatte tatsächlich zugenommen. Früher, als er entflohene Sklaven in seiner Nische versteckte, hatte er es sich angewöhnt, auf dem Weg durch die Küche etwas in die Taschen zu stecken - eine gebackene Süßkartoffel, ein Stück Brathähnchen, ein paar Rosinenbrötchen -, um es den Flüchtlingen zu geben. Heutzutage stibitzte er immer noch Essen, doch jetzt verspeiste er es selbst, wenn er im Sattel saß.

»O nein, ich möchte Sie - wie dick und zartbesaitet Sie auch sein mögen«, widersprach Hume. »Und außerdem gibt es in der ganzen verdammten Army zur Zeit nur neunzig Sanitätsoffiziere. Das bedeutet eine große Chance für Sie: Sie fangen als Captain an und sind, bevor Sie sich’s versehen, Major. Ein Arzt wie Sie macht da zwangsläufig Karriere.«