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Rob J. schüttelte den Kopf. Doch da er Stephen Hume mochte, streckte er ihm die Hand hin. »Ich wünsche Ihnen eine gesunde Rückkehr, Colonel.«

Hume lächelte schief und drückte ihm die Hand. Ein paar Tage später hörte Rob J. in der Gemischtwarenhandlung, dass Tom Beckermann als Arzt für das 102. Regiment verpflichtet worden war.

Drei Monate lang hatten beide Seiten nur Krieg gespielt, aber im Juli zeichnete sich ab, dass eine großangelegte Konfrontation bevorstand. Viele waren immer noch überzeugt, dass der Spuk schnell vorüber sein würde, doch diese erste Schlacht war eine Sensation für die Nation. Rob J. verschlang die Zeitungsberichte ebenso begierig wie diejenigen, die den Krieg liebten.

Mehr als dreißigtausend Unionssoldaten unter General Irving McDowell standen bei Manassas in Virginia, fünfundzwanzig Meilen südlich von Washington, zwanzigtausend Konföderierten unter General Pierre G. T.

Beauregard gegenüber. Etwa elftausend weitere Konföderierte befanden sich unter General Joseph E. Johnston im Shenandoah Valley in Kampfstellung gegen ein Unionsheer von vierzehntausend Mann, das von General Robert Patterson befehligt wurde. Am 21. Juli führte McDowell, in der Annahme, dass Patterson Johnston in Atem halten werde, seine Armee in der Nähe von Sudley Ford am Bull Run Creek gegen die Südstaatler. Es war alles andere als ein Überraschungsangriff. Unmittelbar bevor McDowell losstürmte, ließ Johnston Patterson stehen und vereinigte seine Truppen mit denen Beauregards. Der Schlachtplan der Nordstaaten war so bekannt, dass Kongressabgeordnete und Verwaltungsangestellte mit Kind und Kegel aus Washington nach Manassas hinausgeströmt waren, wo sie Picknicks veranstalteten und der Begegnung entgegenfieberten, als handle es sich um ein Wettrennen. Dutzende von Zivilisten waren von der Army angeheuert worden, um mit Gespannen und leichten, vierrädrigen Wagen bereitzustehen, die als Krankenfahrzeuge benutzt werden sollten, falls es Verwundete gäbe. Viele dieser Ambulanzfahrer brachten ihren Whiskey zu dem Picknick mit.

Vor den Augen des faszinierten Publikums warfen sich McDowells Männer der vereinigten Streitkraft der Konföderierten entgegen. Auf beiden Seiten waren die Soldaten größtenteils Neulinge, die mit mehr Eifer als Können kämpften. Die Konföderierten zogen sich ein Stück zurück, hielten dann die Stellung und sahen zu, wie sich die Nordstaatler in mehreren verzweifelten Attacken aufarbeiteten. Dann befahl Beauregard einen Gegenangriff. Die erschöpften Unionstruppen wichen zurück und rannten schließlich in wilder Flucht davon. Die Schlacht war nicht das, was die Zuschauer sich erwartet hatten:

Der Lärm des Gewehrfeuers und der Artillerie sowie die Schreie waren schrecklich, der Anblick war noch schrecklicher. Anstatt einer Sportveranstaltung erlebte das Publikum, wie Männern Köpfe und Gliedmaßen abgerissen wurden und Eingeweide aus ihren Bäuchen quollen. Den tausendfachen Tod. Einige Zivilisten sanken in Ohnmacht, andere weinten. Alle versuchten zu fliehen, aber eine explodierende Mine jagte einen Wagen in die Luft und tötete das vorgespannte Pferd, wodurch der Hauptzufahrtsweg blockiert wurde. Die meisten der Ambulanzfahrer waren, ob nüchtern oder betrunken, mit leerem Wagen davongerast. Die wenigen, die versuchten, Verwundete zu bergen, sahen sich in einem Meer von Zivilfahrzeugen und scheuenden Pferden gefangen. Die Schwerverletzten blieben auf dem Schlachtfeld liegen und schrien, bis sie starben. Manche der Ambulanzfahrzeuge brauchten mehrere Tage, um mit ihrer Fracht nach Washington zu kommen.

In Holden’s Crossing goss der Sieg der Konföderierten Wasser auf die Mühle der Südstaatensympathisanten.

Rob J. war über die sträfliche Vernachlässigung der Opfer mehr bestürzt als über die Niederlage. Im Frühherbst wurde die Bilanz der Schlacht am Bull Run Creek bekannt: fast fünftausend Tote, Verwundete oder Vermisste, wobei so manches Leben durch mangelnde Versorgung ausgelöscht worden war. Als Rob J. und Jay Geiger eines Abends zusammen in der Coleschen Küche saßen, vermieden sie es tunlichst, über die Schlacht selbst zu sprechen. Sie unterhielten sich über die Neuigkeit, dass Lillians Cousin Judah Benjamin zum Kriegsminister der Konföderierten berufen worden sei, und sie waren völlig einer Meinung, dass es grausam und unklug von einer Armee sei, sich nicht um ihre Verwundeten zu kümmern.

»So schwierig das auch ist«, sagte Jay, »wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Krieg unsere Freundschaft zerstört.«

»Nein. Natürlich nicht!« Der Krieg wird sie vielleicht nicht zerstören, dachte Rob J., aber strapaziert und beeinträchtigt ist sie bereits. Er erschrak, als Geiger ihn beim Abschied umarmte und fest an sich drückte. »Deine Familie steht mir ebenso nahe wie meine eigene«, sagte Jay mit erstickter Stimme. »Ich würde für ihr Wohlbefinden alles tun.« Am nächsten Tag, als Lillian mit trockenen Augen in der Küche der Coles saß und ihnen erzählte, dass ihr Mann bei Tagesanbruch in Richtung Süden aufgebrochen sei, um sich in den Dienst der Konföderierten zu stellen, verstand er Jays Abschiedsstimmung.

Es kam Rob J. so vor, als habe die ganze Welt das Grau der Konföderiertenuniform angelegt. Obwohl er sein möglichstes tat, hustete sich Julia Blackmer, die Frau des Pfarrers, zu Tode, noch ehe die Winterluft dünn und kalt wurde. Sydney Blackmer weinte, als er auf dem Friedhof die Gebete sprach, und als die erste Schaufel Erde auf Julias Kiefernsarg fiel, presste Sarah Rob J.s Hand so fest, dass es schmerzte. Die Mitglieder der Gemeinde vereinbarten, ihren Seelsorger zu unterstützen, und Sarah teilte die Frauen so ein, dass Mr. Blackmer stets mitfühlende Gesellschaft oder eine warme Mahlzeit hatte. Rob J. meinte, dass der Reverend vielleicht ein bisschen Ruhe in seinem Gram haben solle, doch der Witwer schien dankbar für die Anteilnahme. Vor Weihnachten erzählte Mater Miriam Ferocia Rob J. von dem Brief einer Frankfurter Anwaltskanzlei, in dem ihr der Tod ihres Vaters, Ernst Brotknecht, mitgeteilt worden sei. Er habe testamentarisch den Verkauf des Frankfurter Wagenbauwerks und der Münchner Kutschenfabrik verfügt, und nun warte eine beträchtliche Summe auf seine Tochter, die frühere Andrea Brotknecht.

Rob J. sprach ihr zum Tod ihres Vaters, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, sein Beileid aus. Dann sagte er: »Meine Güte! Mutter Oberin - dann sind Sie ja reich!«

»Nein«, antwortete sie ruhig. Sie habe versprochen, all ihre weltlichen Güter der heiligen Mutter Kirche zu überlassen, als sie den Schleier nahm, und bereits die Papiere unterzeichnet, mit denen sie die Erbschaft in die Hände ihres Erzbischofs lege.

Rob J. verstand die Welt nicht mehr. Im Laufe der Jahre, in denen er mit angesehen hatte, wie die Nonnen darbten, hatte er dem Konvent immer wieder kleine Geschenke gemacht. Die Härte ihres Daseins, die strenge Rationierung ihres Essens und das Fehlen aller Dinge, die auch nur im entferntesten als Luxus angesehen werden konnten, hatten ihn zutiefst gedauert. »Ein bisschen Geld würde den Schwestern Ihres Ordens eine Verbesserung der Lebensumstände bescheren. Wenn Sie die Erbschaft schon nicht selbst annehmen konnten, hätten Sie wenigstens an Ihre Nonnen denken können!«

Doch sie ließ den Vorwurf nicht gelten. »Armut ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens«, erklärte sie und nickte mit provozierend christlicher Nachsicht, als er sich abrupt verabschiedete und davonritt.

Mit Jasons Fortgang hatte sein Leben viel an Wärme verloren. Er hätte auch weiterhin mit Lillian musizieren können, aber Klavier und Gambe klangen ohne die melodiöse Verstärkung durch Jays Violine seltsam hohl, und so vermieden sie es, allein zu spielen. In der ersten Woche des Jahres 1862, in einem Augenblick, als Rob J. sich besonders unzufrieden fühlte, freute er sich, einen Brief von Harry Loomis aus Boston zu bekommen. Dem Schreiben lag die Übersetzung eines Artikels bei, der von einem ungarischen Arzt namens Ignaz Semmelweis in Wien veröffentlicht worden war. Der Aufsatz, der den Titel trug »Ätiologie, Begriff und Prophylaxe des Kindbettfiebers«, untermauerte im wesentlichen die Vorgehensweise von Oliver Wendeil Holmes in Amerika.