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Warum schienen sie so erpicht darauf, Konföderierte zu töten? Die wenigsten kannten einen Südstaatler. Rob J.

stellte fest, dass der Krieg für sie eine Bedeutung gewonnen hatte, die weit über Gründe und Ursachen hinausging. Sie dürsteten danach zu kämpfen, weil es nun einmal Krieg gab - und weil es offiziell für bewundernswert und patriotisch erklärt worden war zu töten. Das genügte. Er hätte sie am liebsten angeschrien, die Generäle und Politiker in ein dunkles Zimmer gesperrt wie ungezogene Kinder, sie am Schlafittchen gepackt und geschüttelt und gefragt: »Was ist mit euch los? Was ist mit euch los?« Statt dessen hielt er jeden Tag Sprechstunde ab, teilte Brechwurz, Chinin und schmerzstillende Mittel aus und achtete darauf, beim Gehen immer auf den Boden zu sehen - wie ein Mann, der in einem riesigen Zwinger wohnt.

An seinem letzten Tag beim 106. Kansas-Regiment holte Rob J. beim Zahlmeister seine achtzig Dollar ab, ging zu dem kegelförmigen Zelt, in dem er gewohnt hatte, hängte sich das mee-shome über die Schulter und nahm seinen Koffer. Major G. H. Woffenden, der, in seinen Gummiumhang gewickelt, zusammengerollt auf dem Boden lag, öffnete nicht einmal die Augen - geschweige denn, dass er den »Herrn Assistenzarzt« verabschiedete.

Fünf Tage zuvor waren die Männer des 67. Pennsylvania an Bord von Dampfschiffen gegangen und einem Gerücht zufolge südwärts zu einem Kriegsschauplatz gebracht worden. Und jetzt spien andere Schiffe das 119.

Indiana aus, das seine Zelte dort aufstellte, wo noch kurz vorher die des 67. Regiments gestanden hatten. Als Rob J. den kommandierenden Offizier aufsuchte, sah er sich einem pausbäckigen Colonel in den Zwanzigern gegenüber, Alonzo Symonds, der ihm erklärte, er suche dringend einen Arzt: Seiner habe eine dreimonatige Dienstzeit abgeleistet und sei nach Indiana zurückgekehrt, einen Assistenten habe er nicht gehabt. Symonds befragte Dr. Cole eingehend und schien beeindruckt von dem, was er erfuhr, doch als Rob J. andeutete, dass bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssten, wenn er unterschreiben solle, verdüsterte sich die Miene des Colonels. Rob J. hatte über seine Sprechstunden gewissenhaft Protokoll geführt. »An fast jedem Tag lagen sechsunddreißig Prozent der Männer entweder flach oder standen Schlange, um sich von mir behandeln zu lassen. Manchmal war der Prozentsatz noch höher. Wie verhält es sich im Vergleich dazu mit Ihrer täglichen Krankenliste?«

»Die ist auch sehr lang«, gab Symonds zu. »Ich kann das ändern, Colonel, wenn Sie mir helfen.« Symonds war erst seit vier Monaten Colonel. Seine Familie besaß in Fort Wayne eine Glasfabrik für Lampenzylinder, und er wusste, wie schlecht kranke Arbeiter fürs Geschäft sein können. Das 119. Indiana war vor vier Monaten aus unerfahrenen Männern zusammengestellt und innerhalb von Tagen nach Tennessee abkommandiert worden. Er schätzte sich glücklich, dass sie nur zwei Scharmützel ausgetragen hatten, die die Bezeichnung Feindberührung verdienten. Die Verluste hatten sich auf zwei Tote und einen Verletzten beschränkt, aber ständig lagen so viele Männer mit Fieber darnieder, dass die Konföderierten das Regiment ohne Schwierigkeiten hätten niederwalzen können, wenn sie es gewusst hätten. »Was muss ich tun?«

»Ihre Männer errichten ihre Zelte auf den Scheißhaufen der 67. Pennsylvania Volunteers, und sie trinken Wasser, das durch ihre eigenen Ausscheidungen verseucht ist. Weniger als eine Meile entfernt liegt ein braches Gelände mit Quellen, die den ganzen Winter über sauberes Trinkwasser liefern könnten, wenn man sie in Rohre fasst.«

»Gütiger Gott! Eine Meile ist ein weiter Weg, um mit den anderen Regimentern in Kontakt zu treten, und welcher Offizier wird ihn zurücklegen, um mit mir zu sprechen?«

Sie sahen einander schweigend an, und dann fasste Colonel Symonds einen Entschluss. Er ging zu seinem Adjutanten. »Geben Sie Befehl, die Zelte wieder abzubrechen, Douglass! Das Regiment zieht um.« Dann wandte er sich wieder dem schwierigen Doktor zu. Wieder lehnte Rob J. ab, rekrutiert zu werden. Er bat darum, als Assistenzarzt angestellt zu werden - mit einem Dreimonatsvertrag. »Auf diese Weise hauen Sie ab, sobald Sie Ihren Kopf nicht durchsetzen können.« Der junge Colonel durchschaute Robs Motiv. Sein Gegenüber widersprach nicht, und Symonds musterte ihn nachdenklich. »Was wollen Sie sonst noch?«

»Latrinen.«

Der Boden war fest, aber noch nicht gefroren. An einem einzigen Vormittag waren die Gräben gezogen und mit Längsbalken auf dreißig Zentimeter hohen Pfosten versehen. Als allen Kompanien gemeinsam der Befehl verlesen wurde, das Verrichten der Notdurft in Zukunft ausschließlich auf die Latrinen zu beschränken, und als die Drohung folgte, dass jede Zuwiderhandlung umgehend und schwer bestraft werde, wurden heftige Proteste laut. Die Männer brauchten etwas, das sie hassen und worüber sie sich lustig machen konnten, und Rob J. musste feststellen, dass er dieses Bedürfnis gestillt hatte. Als er zwischen den Soldaten hindurchging, stießen sie einander in die Rippen, verhöhnten ihn mit Blicken und grinsten bösartig über die lächerliche Figur in dem täglich schäbiger werdenden Zivilanzug. Doch Colonel Symonds ließ ihnen nicht viel Zeit, sich irgendwelche Vergeltungsscherze auszudenken. Er opferte vier weitere Tage dafür, eine Reihe halb in den Boden versenkter Hütten aus Balken und Grassoden bauen zu lassen, die zwar dampfig und schlecht belüftet waren, jedoch beträchtlich mehr Schutz gewährten als Zelte. Ein kleines Feuer in der Mitte ermöglichte es den Männern zudem, kalte Winternächte ohne Unterbrechung zu durchschlafen. Symonds war ein guter Kommandant, und er hatte fähige Offiziere verpflichtet. Der Verpflegungsoffizier war ein Captain namens Mason. Rob J. hatte keine Schwierigkeiten, ihm die ernährungsbedingten Ursachen von Skorbut zu erklären, denn er konnte die Auswirkungen der Krankheit an Beispielen unter den Soldaten deutlich machen. Sie fuhren beide mit einem Wagen nach Cairo hinein und kauften Fässer voll Kohl und Karotten, die Bestandteil der täglichen Rationen wurden. Bei einigen der anderen Einheiten war der Skorbut sogar noch verbreiteter, doch als Rob J. versuchte, mit den Ärzten der anderen Regimenter zu sprechen, stieß er auf wenig Verständnis. Sie schienen sich eher als Armeeoffiziere zu verstehen denn als Ärzte. Alle trugen sie Uniform, zwei sogar Degen wie Truppenoffiziere, und der Stabsarzt des Ohio-Regiments hatte Fransenepauletten, wie sie Rob J. einmal auf dem Bild eines pompösen französischen Generals gesehen hatte.

Er hingegen legte größten Wert auf seinen Zivilistenstatus. Als ein Versorgungssergeant ihm als Dank für die Beseitigung seiner Bauchkrämpfe einen wollenen Uniformmantel brachte, nahm er diesen in die Stadt mit, ließ ihn schwarz färben und mit neutralen Knöpfen versehen. Er tat immer noch, als sei er ein Landarzt, der nur vorübergehend in einer Stadt praktiziert.

Einer kleinen Stadt ähnelte das Lager in vieler Hinsicht- allerdings mit ausschließlich männlichen Bewohnern.

Das Regiment hatte sein eigenes Postamt mit Corporal Amasa Decker als Posthalter und Briefträger. Jeden Mittwochabend gab die Regimentskapelle auf dem Exerzierplatz ein Konzert, und wenn sie ein populäres Lied spielten wie »Listen to the Mocking Bird« oder »Come Where My Love Lies Dreaming« oder »The Girl I Left Behind Me«, sangen die Männer manchmal mit. Händler brachten die verschiedensten Waren ins Lager. Bei einem Monatssold von dreizehn Dollar konnten die Durchschnittssoldaten sich nicht viel von dem Käse leisten, der fünfzig Cent pro Pfund kostete, oder von der Kondensmilch zu fünfundsiebzig Cent die Dose, aber den Marketenderschnaps kauften sie. Rob J. gönnte sich mehrmals wöchentlich Melassekekse, von denen das Viertelpfund für sechs Cent zu haben war. Als sich in einem großen Steilwandzelt ein Fotograf etablierte, zahlte Rob J. eines Tages einen Dollar für eine Ferrotypie, die ihn steif dastehend und mit ernstem Gesicht zeigte und die er sofort an Sarah schickte als Beweis dafür, dass ihr Mann noch am Leben war und sie sehr liebte.