Also war der Colonel zu seinem Doktor gekommen, und Rob J. unterschrieb, ohne zu zögern, einen neuen Vertrag für weitere drei Monate. Was sie jetzt brauchten, erklärte er Symonds, sei eine Ambulanz, die das Regiment in der Schlacht betreuen konnte. Die zivile Sanitary Commission hatte den Kriegsminister so lange bedrängt, bis für die Potomac-Army Ambulanzen und Bahrenträger bewilligt wurden, doch damit hatte die Reformbewegung ein Ende gefunden, ohne dass für die Verwundeten der Einheiten im westlichen Sektor eine ähnliche Versorgung gewährleistet gewesen wäre. »Wir werden selbst dafür sorgen müssen«, sagte Rob J. Er und Symonds saßen zigarrenrauchend vor dem Sprechstundenzelt. Der Rauch stieg in die wohlig wärmende Frühlingsluft. Rob J. erzählte dem Colonel von seiner Reise nach Cincinnati auf der War Hawk: »Ich habe mit Männern gesprochen, die zwei Tage lang verwundet auf dem Schlachtfeld gelegen hatten. Es war eine wahre Gnade, dass es regnete, denn sie hatten kein Wasser. Ein Mann erzählte mir, dass während der Nacht Schweine bis in seine Nähe kamen und begannen, die Leichen anzufressen, manchmal sogar Lebende.
Symonds nickte. Ihm waren all die schrecklichen Einzelheiten bekannt. »Was brauchen Sie?«
»Vier Mann aus jeder Kompanie.«
»Sie wollen einen ganzen Zug Bahrenträger?« Der junge Commander sah ihn entsetzt an. »Dieses Regiment ist ohnehin stark unterbesetzt. Um Schlachten zu gewinnen, brauche ich Kämpfer, keine Bahrenträger.« Er betrachtete die Spitze seiner Zigarre. »Es sind noch immer zu viele Alte und Schwache da. Nehmen Sie welche von denen!«
»Nein. Um Verwundete unter Beschuss in Sicherheit zu holen, brauchen wir kräftige Burschen. Das ist keine Aufgabe für schwächliche und alte Männer.« Rob J. studierte das Gesicht des Colonel, den er zu bewundern und zu bedauern gelernt hatte. Symonds liebte seine Leute und wollte sie beschützen, doch er hatte die unschöne Aufgabe, mit Menschen umgehen zu müssen, als wären sie Patronen, Essensrationen oder Feuerholz. »Was halten Sie davon, wenn ich mir Mitglieder der Regimentskapelle hole?« schlug Rob J. vor. »Sie können die meiste Zeit dudeln, und wenn nötig, werden sie als Träger eingesetzt.« Colonel Symonds war zutiefst erleichtert.
»Ausgezeichnet. Fragen Sie den Kapellmeister, ob er Ihnen ein paar Männer abtreten kann!«
Kapellmeister Warren Fitts war sechzehn Jahre Schuster gewesen, ehe er in Fort Wayne rekrutiert wurde. Er hatte intensiven Musikunterricht hinter sich und als junger Mann mehrere Jahre versucht, in South Bend einer Musikschule zum Durchbruch zu verhelfen. Als er die Stadt mit Schulden verließ, kehrte er mit bitterer Erleichterung zur Schuhmacherei zurück, die schon sein Vater betrieben hatte. Fitts führte ein bescheidenes, aber nicht ärmliches Leben und gab nebenher Unterricht für Klavier und Blasinstrumente. Der Krieg ließ dann Träume wiederauferstehen, die er für unerfüllbar gehalten hatte. Im Alter von vierzig Jahren hatte er Gelegenheit bekommen, eine Militärkapelle zusammenzustellen und zu leiten, und hatte dazu die ganze Umgebung von Fort Wayne nach musikalischen Talenten durchforstet. Jetzt hörte er voller Entsetzen, dass dieser Arzt einige seiner Männer als Bahrenträger zweckentfremden wollte. »Niemals!«
»Sie hätten ja nur von Fall zu Fall zu tun«, gab Rob J. zu bedenken. »Die übrige Zeit stünden sie nach wie vor Ihnen zur Verfügung.« Fitts bemühte sich, seine Verachtung zu verbergen. »Jeder Musiker muss der Kapelle seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen. Wenn kein Konzert ist, muss er üben und proben.«
Rob J. wusste von seiner Erfahrung mit der Gambe, dass diese Aussage richtig war. »Gibt es vielleicht Instrumente, für die Sie eine zweite Besetzung haben?« fragte er geduldig.
Diese Frage ließ in Fitts eine Saite anklingen. Seine Position als Kapellmeister war für ihn gleichbedeutend mit der eines Dirigenten, und er achtete peinlich darauf, dass seine äußere Erscheinung - und auch die seiner Männer
- der kulturellen Aufgabe entsprach. Er hatte eine gepflegte, graumelierte Mähne, er war stets glatt rasiert bis auf den Schnurrbart, den er regelmäßig sorgfältig stutzte und dessen Enden er wachste und spitz zusammendrehte, seine Uniform war in tadellosem Zustand, und die Musiker wussten, dass er keinen Spaß verstand, wenn es um nachlässig polierte Instrumente oder glanzlose Stiefel ging. Und sie mussten exakt marschieren: Wenn der Kapellmeister mit wirbelndem Taktstock vorausging, erwartete er, dass die Kapelle seine Ansprüche widerspiegelte. Doch es gab einige, die dieser Darstellung nicht entsprachen.
»Wilcox, Abner«, sagte er, »Trompete.« Wilcox schielte stark, Fitts aber schätzte es, wenn Musiker zu ihrem Talent auch noch ein angenehmes Äußeres zu bieten hatten. Er konnte es nicht ertragen, wenn irgendein Makel die Perfektion seines Ensembles störte, und er hatte Wilcox eingestellt, um vor allem beim Zapfenstreich einzuspringen. »Lawrence, Oscar, Trommler.« Ein ungeschickter sechzehnjähriger Junge mit mangelhaftem Rhythmusgefühl, was ihn nicht nur zu einem schlechten Trommler machte, sondern auch oft dazu führte, dass er beim Marschieren aus dem Tritt kam und sein Kopf sich dann plötzlich asynchron zu den anderen bewegte.
»Ordway, Lanning«, setzte er seine Aufzählung fort. Der Doktor quittierte diesen Vorschlag mit einem leichten Nicken. »F-Horn.« Ein mittelmäßiger Musiker und Kutscher eines der Fahrzeuge der Kapelle, der manchmal auch als Hilfsarbeiter eingesetzt wurde. Als Hornist vor allem geeignet, um an den Mittwochabenden für die Soldaten aufzuspielen oder wenn sie sitzend übten, aber sein Hinken gestattete ihm nicht zu marschieren, ohne das Bild militärischer Präzision zu zerstören. »Perry, Addison, Piccoloflöte und Querpfeife.« Ein schlechter Musiker und sowohl körperlich als auch kleidungsmässig ungepflegt. »Robinson, Lewis, Kornett.« Ein fähiger Musiker, musste Fitts insgeheim zugeben, doch ein ständiges Ärgernis, weil er ein Klugscheißer mit Ehrgeiz war. Mehrmals hatte er Fitts Stücke gezeigt, die er seiner Aussage nach komponiert hatte, und gefragt, ob die Kapelle sie vielleicht spielen könne. Überdies behauptete er, in Columbus, Ohio, als Dirigent gearbeitet zu haben. Fitts konnte niemanden gebrauchen, der ihm über die Schulter sah oder ihn gar verdrängen wollte.
»Und?« fragte Rob J.
»Sonst keinen.«
Den ganzen Winter hindurch beobachtete Rob J. den Mann unruhig aus der Ferne. Ordways Dienstzeit war zwar noch nicht zu Ende, doch es wäre kein Problem gewesen, zu desertieren und zu verschwinden. Aber was auch immer die Mehrheit an die Army band, es funktionierte auch bei Ordway, und so meldete er sich mit den vier anderen bei Rob J. - ein für einen mutmaßlichen Mörder gar nicht unangenehm aussehender Bursche, wenn man von seinen wässrigen, unsteten Augen absah.
Keiner von den fünfen war von der neuen Aufgabe begeistert. Lewis Robinson reagierte sogar mit regelrechter Panik: »Ich muss musizieren! Ich bin Musiker, kein Doktor!«
»Bahrenträger«, korrigierte ihn Rob J. »Wenn es erforderlich ist, werden Sie als Bahrenträger arbeiten«, beschied er allen. Er bat den Kapellmeister, die Männer gänzlich freizustellen, was ihm mit verdächtiger Bereitwilligkeit gewährt wurde. Um sie in die ungewohnte Tätigkeit einzuführen, begann er damit, ihnen beizubringen, Bandagen aufzurollen und Kompressen herzustellen. Danach simulierte er die verschiedensten Verletzungen und zeigte ihnen, wie man die erforderliche Kompresse auflegte. Er lehrte sie, wie die Verwundeten hochzuheben und zu tragen waren, und stattete jeden Mann mit einem kleinen Rucksack aus, der Kompressen, Verbandsmaterial, einen Behälter mit frischem Wasser sowie Opium und Morphium in Pulver und Tablettenform enthielt.