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Und inmitten dieser Hinterlassenschaft menschlicher Grausamkeit suchten die Retter nach Überlebenden. Den restlichen Vormittag arbeitete Rob J. im Regen, legte Kompressen auf und half, die Bahre tragen. Als sie die Verwundeten zu den Krankenhäusern brachten, sah er, warum seine Leute Eier zum Frühstück gehabt hatten: Überall wurden Mengen von Medikamenten und Narkosemitteln, Kompressen und Essen abgeladen. An den Operationstischen standen die Chirurgen in dreifacher Besetzung. Die dankbare Union hatte gehört, dass sie schließlich - wenn auch für einen schrecklichen Preis - doch noch einen Sieg errungen hatte, und beschlossen, bei denen, die das Inferno überlebt hatten, an nichts zu sparen.

In der Nähe des Eisenbahndepots kam ein Zivilist auf Rob J. zu, der etwa in seinem Alter war und ihn höflich fragte, ob er wisse, wo die Möglichkeit bestehe, einen Soldaten einbalsamieren zu lassen. Der Mann stellte sich als Winfield S. Walker vor, Farmer aus Maryland. Als er von der Schlacht hörte, habe eine innere Stimme ihm befohlen, hierher zu kommen und seinen Sohn Peter zu suchen, und jetzt habe er ihn unter den Toten entdeckt.

»Ich möchte ihn einbalsamieren lassen, damit ich ihn mit nach Hause nehmen kann, verstehen Sie?« Rob J.

verstand. »Ich habe gehört, dass im Washington Hause Hotel Einbalsamierungen vorgenommen werden, Sir.«

»Das stimmt, Sir. Aber dort sagte man mir, dass es schon eine ellenlange Warteliste gebe, und deshalb wollte ich mich nach einer anderen Möglichkeit umsehen.« Die Leiche seines Sohnes befand sich auf der Harold Farm, in einem Farm-Lazarett etwas abseits der Emmitsburg Road.

»Ich bin Arzt«, erklärte Rob J., »ich kann es machen.« Er holte die nötigen Dinge von seiner Ausrüstung beim 119. Regiment und traf sich mit Mr. Walker vor dem Farmhaus. Rob J. brachte ihm so schonend wie möglich bei, dass er einen Army-Sarg mit Zinkfutter beschaffen müsse, da aus dem Körper seines Sohnes Flüssigkeit austreten werde. Während der Vater unterwegs war, um diesen traurigen Auftrag auszuführen, kümmerte sich Rob J. in einem Raum, in dem noch sechs andere Tote lagen, um die Leiche des Sohnes. Peter Walker war ein bildschöner junger Mann von etwa zwanzig Jahren, mit den feinen Gesichtszügen seines Vaters und dem gleichen vollen, dunklen Haar. Er war bis auf die Tatsache, dass ein Geschoss ihm das linke Bein in Höhe des Oberschenkels abgerissen hatte, unverletzt. Er war verblutet, und sein Körper schimmerte weiß wie eine Marmorstatue.

Rob J. rührte dreißig Gramm Chlorzinksalz in eine Mischung aus je einem Liter Alkohol und Wasser. Dann band er die Arterie in dem Beinstumpf ab, damit die Flüssigkeit nicht herauslaufen konnte schnitt einen Schlitz in die Oberschenkelarterie des unverletzten Beines und injizierte die Einbalsamierungsflüssigkeit mit einer Spritze. Mr.

Walker hatte keine Schwierigkeiten, von der Army einen Sarg zu bekommen. Er wollte für das Einbalsamieren bezahlen, doch Rob J. schüttelte den Kopf: »Ein Vater hat einem anderen geholfen.« Es regnete weiter. Nachdem einige kleine Flüsse über die Ufer getreten und mehrere Schwerverletzte ertrunken waren, ließ der Regen etwas nach. Rob J. kehrte auf das Schlachtfeld zurück und suchte bis zum Einbruch der Dämmerung nach Verwundeten. Dann hörte er auf, denn jüngere und kräftigere Männer waren mit Laternen und Fackeln erschienen, um das Gelände abzusuchen, und er war todmüde. Die Sanitary Commission hatte mitten in Gettysburg in einem Lagerhaus eine Küche eingerichtet, und Rob J. ging dorthin und aß eine Suppe, die das erste Rindfleisch enthielt, das er seit Wochen gegessen hatte. Er aß drei Schüsseln voll Suppe und sechs Scheiben Weißbrot dazu.

Danach machte er sich auf den Weg zur presbyterianischen Kirche, ging durch die Reihen der Behelfsbetten und versuchte zu helfen, wo es nur ging, auch wenn er den Verwundeten oft nur einen Schluck Wasser geben oder den Schweiß vom Gesicht wischen konnte. War der Patient ein Konföderierter, stellte er ihm immer dieselbe Frage: »Kennen Sie einen dreiundzwanzigjährigen blonden Jungen aus Holden’s Crossing in Illinois, der Alexander Cole heißt?« Doch die Antwort war immer ein Nein.

Scharmützel

Als der Regen sich wieder wie ein dichter Vorhang über das Land senkte, nahm General Robert E. Lee seine schwer angeschlagene Armee und zog sich langsam nach Maryland zurück. Meade hätte ihn nicht entkommen lassen müssen: Die Potomac-Army war zwar ebenfalls stark dezimiert - dreiundzwanzigtausend Mann Verlust einschließlich der etwa achttausend Toten oder Vermissten -, aber die Nordstaatler waren von ihrem Sieg animiert und viel kräftiger als Lees Männer, die auch noch durch einen Wagenzug mit Verwundeten behindert wurden, den sie in einer Länge von siebzehn Meilen hinter sich herschleppten. Doch so wie Hooker in Virginia versagt hatte, versagte jetzt Meade in Pennsylvania, und Lee wurde nicht verfolgt. »Unter welchen Steinen buddelt Mr. Lincoln nur seine Generäle aus?« fragte Symonds Rob J. verächtlich. Doch während die Colonels der Müßiggang verdross, waren die Soldaten glücklich, sich ausruhen und erholen zu können und Zeit zu haben, ihren Angehörigen in Briefen die erstaunliche Tatsache mitzuteilen, dass sie noch am Leben waren. Ordway fand Lewis Robinson in einem der Farmhaus-Lazarette. Sein rechter Fuß war zehn Zentimeter über dem Knöchel amputiert worden. Er war dünn geworden und sah blass aus, schien jedoch ansonsten in guter Verfassung zu sein. Rob J. untersuchte den Stumpf und erklärte Robinson, dass die Wunde gut verheile und der Mann, der ihn operiert habe, sein Handwerk verstehe. Robinson war sichtlich froh, den Kriegsdienst hinter sich zu haben. Die Erleichterung leuchtete geradezu aus seinen Augen. Rob J. hatte das Gefühl, dass Robinson für die Verwundung geradezu prädestiniert gewesen war, weil er sie so sehr gefürchtet hatte. Er brachte ihm sein Kornett, Bleistifte und Papier. Dieser Mann würde mit seiner Behinderung einigermaßen leben können: Schließlich brauchte man zum Komponieren oder Kornettblasen keine zwei gesunden Füße.

Sowohl Ordway als auch Wilcox wurden zum Sergeanten befördert und mit ihnen eine ganze Anzahl von Männern, als Symonds seine Listen durchforstete, die Überlebenden vermerkte und die Dienstgrade der Gefallenen an sie verteilte. Das 119.Indiana hatte achtzehn Prozent seiner Soldaten verloren, was ein im Verhältnis zu den anderen Regimentern geringer Prozentsatz war. Ein Regiment aus Minnesota hatte sechsundachtzig Prozent seiner Männer verloren und war damit wie manches andere auch so gut wie ausgelöscht. Symonds und seine Stabsoffiziere verbrachten Tage damit, Überlebende der vernichteten Regimenter zu rekrutieren, und schließlich zählte das 119-Indiana wieder siebenhunderteinundsiebzig Mann.

Sichtlich verlegen teilte Symonds Rob J. mit, dass er auch einen Regimentsarzt gefunden habe. Dr. Gardner Coppersmith war als Captain bei einer der inzwischen aufgelösten Pennsylvania-Einheiten gewesen, und Symonds konnte ihn mit einer Beförderung ködern. Der Arzt hatte sein Medizinstudium in Philadelphia abgeschlossen und nun zwei Jahre Felderfahrung. »Wenn Sie kein Zivilist wären, Doc Cole, würde ich auf der Stelle Sie zum Regimentsarzt machen«, sagte Symonds, »aber der Posten muss mit einem Offizier besetzt werden. Es ist Ihnen klar, dass Dr. Coppersmith Ihr Vorgesetzter sein und das Sagen haben wird?«

Rob J. versicherte ihm, dass ihm das klar sei.

Für Rob J. war es ein komplizierter Krieg, der von einer komplizierten Nation geführt wurde. In der Zeitung las er, dass es bei der ersten Auslosung der Namen für die Aushebung Wehrpflichtiger in New York zu einem Aufstand gekommen war. Ein Mob von fünfzigtausend hauptsächlich irisch-katholischen Arbeitern setzte das Einberufungsbüro in Brand, legte Feuer in den Räumen der »New York Tribüne« und einem Waisenhaus für Schwarze, in dem sich zu diesem Zeitpunkt gottlob keine Kinder befanden. Sie gaben offenbar den Schwarzen die Schuld an dem Krieg und zogen durch die Straßen, schlugen und beraubten jeden dunkelhäutigen Menschen, den sie finden konnten, und ermordeten und lynchten tagelang Schwarze, bis der Aufruhr von Unionstruppen niedergeschlagen wurde, die gerade von den Kämpfen gegen die Südstaatler aus Gettysburg zurückgekommen waren. Der Vorfall bestürzte Rob J. tief. In Amerika geborene protestantische Christen verhöhnten und unterdrückten katholische Christen und Einwanderer, und Katholiken und Einwanderer verhöhnten und ermordeten Schwarze, als lebe jede Gruppe von ihrem Hass und brauche als Nährstoff das Knochenmark eines Schwächeren. Als Rob J. sich noch auf die amerikanische Staatsbürgerschaft vorbereitete, hatte er die Verfassung des Landes gelesen und sich über die Bestimmungen gewundert. Jetzt erkannte er, dass die Genialität derer, die diese Verfassung festschrieben, darin gelegen hatte, dass sie die Charakterschwächen der Menschen und den Fortbestand des Bösen in der Welt einkalkulierten und versuchten, die Freiheit des einzelnen zur gesetzlichen Realität zu machen, zu der diese Nation immer und immer wieder zurückkehren musste.