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»Legen Sie sich schlafen, Abner!« sagte Rob J. zu ihm. »Ich bringe Ihren Kameraden zu seinem Zelt.« Wilcox nickte und entfernte sich schwankend, doch Rob J. tat nicht, was er angekündigt hatte. Vielmehr führte er Ordway von den Zelten weg und lehnte ihn an einen Felsen. »Lanny«, sagte er, »Lanny, mein Junge, lassen Sie uns reden! Ganz unter uns.«

Ordway schaute ihn aus halbgeschlossenen Augen mit leicht schielendem Blick an. »... fröhliche Weihnachten, Doc!«

»Fröhliche Weihnachten, Lanny! Reden wir über den >Order of the Star-Spangled Bannen<!« schlug Rob J. vor.

So kam er zu der Überzeugung, dass Whiskey ein Wundermittel sei, das alles aus Lanning Ordway herauslocken würde, was der Bahrenträger wusste.

Am 3. Januar, als Colonel Symonds mit einem neuen Vertrag zu ihm kam, beobachtete er Ordway, wie dieser seinen Rucksack sorgfältig mit frischen Kompressen und Morphiumtabletten füllte. Rob J. zögerte nur einen Moment. Dann kritzelte er seine Unterschrift auf das Papier, womit er sich für drei weitere Monate verpflichtete.

»Wann haben Sie Ellwood R. Patterson kennengelernt?«

Rob J. glaubte, bei der Befragung Ordways am Weihnachtsabend sehr behutsam und umsichtig vorgegangen zu sein. Das Ergebnis hatte seinen Eindruck von dem Mann und dem OSSB bestätigt. An den Zeltpfosten gelehnt, das Tagebuch auf den hochgezogenen Knien aufgeschlagen, schrieb er folgendes: Lanning Ordway begann, bereits fünf Jahre ehe er das Wahlalter erreichte, zu Versammlungen der American Party in Vincennes zu gehen. Er fragte mich, wo ich beigetreten sei, und ich sagte: »In Boston.« Er wurde zu den Treffen von seinem Vater mitgenommen, »weil er wollte, dass ich ein guter Amerikaner werde«. Sein Vater, Nathanael Ordway, fand als Besenbinder sein Auskommen. Die Zusammenkünfte wurden im ersten Stock über einem Gasthaus abgehalten. Sie mussten durch die Gaststube zur Hintertür hinaus und dann eine Treppe hoch.

Oben klopfte sein Vater auf die vereinbarte Weise an die Tür. Er erinnert sich, dass sein Vater immer stolz war, wenn der »Wächter des Tores« (!) sie nach einem Blick durch den Spion einließ, »weil wir gute Leute waren«.

Ein Jahr lang ging Lanning manchmal, wenn sein Vater betrunken oder krank war, allein zu den Treffen. Als Nathanael Ordway starb (»am Suff und an Rippenfellentzündung«), ging Lanning nach Chicago und arbeitete dort in einem Saloon hinter dem Bahnhofsgelände in der Galena Street, wo ein Cousin seines Vaters Whiskey ausschenkte. Er wischte hinter Säufern auf, wenn sie sich übergaben, streute jeden Morgen frisches Sägemehl, putzte die langen Spiegel, polierte das Messinggeländer - was eben so anfiel.

Es war ganz selbstverständlich für ihn, eine Zelle der Nichtswisser-Partei in Chicago ausfindig zu machen. Es war, als setze er sich mit seiner Familie in Verbindung, denn er hatte mehr mit den Leuten von der American Party gemeinsam als mit dem Cousin seines Vaters. Ziel der Partei war es, öffentliche Ämter nur mit Leuten zu besetzen, die amerikanischen Arbeitern bei der Stellenvergabe den Vorzug vor Einwanderern gaben. Trotz seiner Gehbehinderung (nachdem ich mit ihm gesprochen und ihn lange beobachtet habe, glaube ich, dass er mit einem Hüftfehler geboren wurde) setzten ihn die Parteianhänger sehr bald ein, wenn sie jemanden brauchten, der jung genug für dringende Erledigungen war - und alt genug, um den Mund zu halten. Es erfüllte ihn mit großem Stolz, als er bereits im Alter von siebzehn Jahren in den »Supreme Order of the Star-Spangled Banner« aufgenommen wurde. Er vertraute mir an, dass dies auch ein Quell der Hoffnung für ihn gewesen sei, weil er das Gefühl gehabt habe, dass ein armer und verkrüppelter, als Amerikaner geborener Junge die Unterstützung einer mächtigen Organisation brauche, wenn er es überhaupt zu etwas bringen wolle: »Immerhin gab es genug ausländisches Katholikenpack, das bereit war, fast ohne Lohn zu arbeiten.« Der Geheimbund »tat Dinge, die die Partei nicht tun konnte«. Als ich Ordway fragte, was er denn für den Geheimbund getan habe, antwortete er: »Dies und das. Bin rumgereist - hierhin und dahin.« Als ich wissen wollte, ob er je einem Mann namens Hank Cough begegnet sei, blinzelte er verblüfft. »Natürlich kenne ich den. Und Sie kennen den Mann auch? Stellen Sie sich das vor! Hank!« Ich fragte ihn, wo Cough sich derzeit aufhalte, und er sah mich verwundert an. »Bei der Army natürlich.«

Aber als ich auch erfahren wollte, welche Aufgabe sie gemeinsam erfüllt hätten, legte er den Zeigefinger unter das Auge und führte ihn abwärts an seiner Nase entlang. Und dann rappelte er sich unsicher auf und stolperte davon, und das Gespräch war zu Ende.

Am nächsten Morgen ließ Ordway durch nichts erkennen, dass er sich an die Befragung des vergangenen Abends erinnere. Rob J. beschloss, ihm einige Tage Verschnaufpause zu gewähren, doch es vergingen Wochen, bis sich eine Gelegenheit zur Fortführung der Unterhaltung ergab. Die Whiskeyvorräte der Händler waren während der Urlaubszeit von den Truppen aufgekauft worden, und die Marketender, die mit den Unionstruppen zogen, hatten Angst, ihre Bestände in Virginia aufzufüllen, weil sie fürchteten, der Alkohol könne vergiftet sein.

Doch der »Herr Assistenzarzt« verfügte über einen von der Regierung gestellten Vorrat an Whiskey für medizinische Zwecke. Rob J. gab den Krug Wilcox: Er wusste, dass dieser ihn mit Ordway teilen würde. An diesem Abend hielt er lange Ausschau nach den beiden, und als sie endlich auftauchten - Wilcox in Hochstimmung, Ordway mit düsterer Miene -, schickte er wie beim erstenmal Wilcox zu Bett, um sich wieder Ordways anzunehmen. Wie damals führte er ihn weg von den Zelten zu der gleichen Stelle unter den Felsen.

»Na, Lanny«, begann Rob J. »Lassen Sie uns weiter reden!«

»Über was, Doc?«

»Wann haben Sie Ellwood R. Patterson kennengelernt?« Die Augen des Mannes wirkten wie eisige Nadeln, und seine Stimme klang völlig nüchtern, als er fragte: »Wer sind Sie?«

Rob J. war bereit für die harte Wahrheit. Er hatte lange darauf gewartet. »Was glauben Sie denn, wer ich bin?«

»Ich glaube, Sie sind ‘n verdammter katholischer Spion, und deshalb haben Sie diese ganzen Fragen gestellt.«

»Ich habe noch mehr Fragen. Ich habe Fragen über die Indianerin, die Sie umgebracht haben.«

»Was für ‘ne Indianerin?« fragte Ordway ehrlich entsetzt. »Wie viele Indianerinnen haben Sie denn umgebracht?

Wissen Sie, wo ich herkomme, Lanny?«

»Boston, ham Sie gesagt«, erwiderte Ordway verdrießlich. »Ursprünglich, ja. Aber ich habe jahrelang in Illinois gelebt. In der Nähe einer kleinen Stadt namens Holden’s Crossing.« Ordway sah ihn schweigend an.

»Die Indianerin, die ermordet wurde, war meine Freundin, Lanny. Sie arbeitete für mich. Ihr Name war Makwa-

ikwa, falls Sie das bisher nicht gewusst haben. Sie wurde auf meinem Land getötet.«

»Die Indianerin? Mein Gott, lassen Sie mich zufrieden, Sie Verrückter! Ich weiß nicht, von was Sie reden. Ich warne Sie! Wenn Sie gescheit sind, wenn Sie wissen, was gut für Sie is’, Sie Sohn eines verdammten Spions, dann vergessen Sie schleunigst alles, was Sie vielleicht über Ellwood R. Patterson zu wissen glauben«, sagte Ordway noch, sprang auf und humpelte so schnell davon, als stehe er unter Beschuss.

Den ganzen folgenden Tag beobachtete Rob J. ihn verstohlen. Er sah zu, wie er seine Trägermannschaft trainierte, ihre Rucksäcke inspizierte, hörte, wie er sie ermahnte, sparsam mit den Morphiumtabletten umzugehen, bis Nachschub komme, da der Vorrat fast aufgebraucht sei. Lanning Ordway, musste er feststellen, hatte sich zu einem gewissenhaften und leistungsfähigen Mitglied der Sanitätsstaffel entwickelt. Am Nachmittag sah er Ordway in seinem offenen Zelt mit einem Bleistift in der Hand über einem Blatt Papier sitzen. Der Sergeant war stundenlang beschäftigt. Nach dem Zapfenstreich brachte er einen Briefumschlag zum Postzelt.