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»Wenn dieser Mann tatsächlich Reverend Patterson war, sollte er dann nicht für Makwa-ikwas Tod zur Rechenschaft gezogen werden?« Sie seufzte. »Shaman, Sie sind Arzt und kein Polizist. Können Sie die Bestrafung dieses Mannes nicht Gottes Richtspruch überlassen? Wir brauchen Sie dringend als guten Arzt, der Sie sind.« Sie beugte sich vor und sah ihn beschwörend an. »Ich habe großartige Neuigkeiten. Unser Bischof hat mich wissen lassen, dass er uns Geld schicken wird, damit wir ein Krankenhaus in Holden’s Crossing einrichten.«

»Ehrwürdige Mutter, das ist ja wundervoll!«

»Ja, das ist es.«

Ihr Lächeln lässt ihr Gesicht geradezu erstrahlen, dachte Shaman. Er erinnerte sich, im Tagebuch gelesen zu haben, dass sie nach dem Tod ihres Vaters eine Erbschaft gemacht und diese der Kirche überlassen hatte, und er fragte sich, ob es vielleicht ihr eigenes Geld war, das der Bischof ihr jetzt schickte, oder wenigstens ein Teil davon. Doch Miriam Ferocias Freude ließ keinen Raum für solch zynische Betrachtungen.

»Die Leute in dieser Gegend werden ein Krankenhaus haben«, sagte sie. »Die Schwestern des Konvents werden im Hospital des heiligen Franz von Assisi arbeiten.«

»Und ich werde ein Krankenhaus haben, in das ich meine Patienten schicken kann.«

»Nun, wir hoffen, Sie werden mehr tun als das. Die Schwestern sind zu einem einstimmigen Beschluss gekommen: Wir möchten, dass Sie der medizinische Leiter des Krankenhauses werden.« Es dauerte einen Moment, bis er seiner Überraschung Herr werden konnte. »Das ehrt mich sehr«, sagte er schließlich. »Aber ich würde vorschlagen, diese Stelle einem Arzt mit mehr Erfahrung anzubieten, einem älteren Mann. Und außerdem wissen Sie doch, dass ich nicht katholisch bin.«

»Wenn ich früher wagte, davon zu träumen, hoffte ich, dass Ihr Vater diese Stelle einnehmen würde. Gott hat ihn uns als Freund und Arzt geschickt, aber jetzt ist er nicht mehr unter uns. Dafür hat Gott uns Sie geschickt. Sie haben eine gute Ausbildung, viel Geschick und bereits umfassende Erfahrung. Sie sind der Arzt von Holden’s Crossing, und Sie sollten auch der Leiter des Krankenhauses dieser Stadt werden.« Sie lächelte. »Und was Ihr Alter angeht, so glauben wir, dass Sie der älteste junge Mann sind, den wir je kennengelernt haben. Es wird nur ein kleines Krankenhaus sein, mit fünfundzwanzig Betten, und wir werden alle mit unseren Aufgaben wachsen.

Ich möchte Ihnen gerne einen Rat geben: Sträuben Sie sich nicht dagegen, sich selbst hoch einzuschätzen, denn andere tun es. Und scheuen Sie sich nicht, ein Ziel anzustreben. Sie können alles erreichen, denn Gott hat Sie aufs großzügigste mit Gaben ausgestattet.«

Shaman war zutiefst verlegen, doch er lächelte mit der Selbstsicherheit, die einem Mann zukam, dem man gerade die Leitung eines Krankenhauses angetragen hat. »Wie könnte ich es wagen, an Ihren Worten zu zweifeln, Ehrwürdige Mutter.«

Chicago

Shaman vertraute das Gespräch mit der Oberin nur seiner Mutter an, und ihr Stolz wärmte ihm das Herz.

»Es wird wunderbar für die Leute sein, ein Krankenhaus hier zu haben, und für dich, es zu leiten. Wie glücklich das deinen Vater gemacht hätte!«

Er dämpfte ihre Begeisterung, indem er ihr sagte, dass das Geld von der katholischen Erzdiözese erst fließen werde, wenn Pläne für den Bau gemacht und genehmigt wären. »Mater Miriam hat mich gebeten, verschiedene Krankenhäuser zu besuchen und mich über deren Einrichtung zu informieren.«

Er wusste, wohin er fahren und welchen Zug er nehmen würde. Am Montag ritt er nach Moline und stellte Boss dort unter. Der Zug nach Chicago hielt um zwanzig nach drei in Moline, aber nur so lange, bis die Fracht der John-Deere-Pflugfabrik eingeladen war. Viertel vor drei wartete Shaman auf dem hölzernen Bahnsteig. Als der Zug kam, stieg er in den letzten Waggon und machte sich von dort aus auf den Weg nach vorne. Er wusste, dass Rachel nur Minuten vorher in Rock Island eingestiegen war, und fand sie im dritten Wagen. Der Platz neben ihr war frei. Er hatte beabsichtigt, sie unbefangen zu begrüßen und einen Scherz über ihre »zufällige Begegnung« zu machen, doch als sie ihn sah, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.

»Shaman! Ist etwas mit den Kindern?«

»Nein, nein, überhaupt nicht. Ich fahre auch geschäftlich nach Chicago«, antwortete er und ärgerte sich darüber, dass ihm nicht klar gewesen war, dass sie so reagieren würde. »Darf ich mich zu dir setzen?«

»Natürlich.«

Doch als er seinen Koffer neben dem ihren untergebracht und sich auf dem Platz am Gang niedergelassen hatte, waren beide verlegen und verkrampft.

»Neulich auf dem Waldweg, Shaman...«

»Ich fand es wunderbar«, erklärte er entschieden.

»Ich möchte nicht, dass du dir falsche Vorstellungen machst.«

Wieder! dachte er verzweifelt. »Ich habe geglaubt, du hättest es auch wunderbar gefunden«, versetzte er und spürte, wie er errötete. »Darum geht es nicht. Wir dürfen uns nicht in... so etwas hineinsteigern, denn das hat nur zur Folge, dass uns die Realität dann um so grausamer erscheint.«

»Und was ist die Realität?«

»Ich bin eine jüdische Witwe mit zwei Kindern.«

»Und?«

»Ich habe mir geschworen, nie wieder meine Eltern einen Ehemann für mich aussuchen zu lassen, aber das heißt nicht, dass ich bei meiner Wahl nicht Vernunft walten lassen werde.«

Es schmerzte. Aber diesmal würde er sich nicht abweisen lassen, ohne alles zu sagen, was ihm auf der Seele lag.

»Ich habe dich fast mein ganzes Leben lang geliebt. Ich habe nie eine Frau getroffen, deren Erscheinung oder Verstand mich mehr angezogen hätte. Du hast eine Güte in dir, die ich brauche.«

»Shaman, bitte!« Sie wandte sich von ihm ab und starrte aus dem Fenster. Doch er fuhr fort. »Du hast mich dir versprechen lassen, dass ich nie im Leben resignieren werde. Und ich werde mich nicht damit abfinden, dich noch einmal zu verlieren. Ich möchte dich heiraten und Hattie und Joshua ein Vater sein.«

Sie blieb abgewandt und betrachtete die vorbeigleitende Landschaft. Er hatte gesagt, was er sagen wollte, und so nahm er jetzt eine Fachzeitschrift aus der Tasche und begann, eine Abhandlung über Symptomatik und Behandlung von Keuchhusten zu lesen. Rachel zog einen Beutel unter der Sitzbank hervor und nahm ihr Strickzeug heraus. Er sah, dass sie an einem kleinen blauen Pullover arbeitete. »Für Hattie?«

»Für Joshua.« Sie sahen sich an, und es dauerte eine Weile, bis sie ihre Blicke voneinander lösen konnten. Dann wandte sich Rachel mit einem leichten Lächeln wieder ihrer Handarbeit zu. Sie waren noch keine fünfzig Meilen gefahren, da wurde es dunkel, und der Schaffner kam herein, um die Lampen zu entzünden. Gegen fünf Uhr bekamen sie Hunger. Shaman hatte ein Essenspaket dabei, das Brathühnchen und Apfelkuchen enthielt, während Rachels Verpflegung aus Brot, Käse, hartgekochten Eiern und vier kleinen Birnen bestand. Sie teilten sich den Kuchen und die Eier und Früchte und tranken Brunnenwasser aus einer Korbflasche. Nachdem der Zug in Joliet gehalten hatte, drehte der Schaffner die Lampen herunter, und Rachel schlief ein. Als sie aufwachte, lag ihr Kopf an Shamans Schulter, und er hielt ihre Hand. Sie entzog sie ihm, ließ den Kopf jedoch liegen. Kurz darauf tauchte der Zug aus der Dunkelheit der Prärie in ein Lichtermeer. Rachel setzte sich auf und richtete ihre Frisur, wobei sie die Haarnadeln zwischen ihre kräftigen weißen Zähne klemmte. Als sie fertig war, erklärte sie, sie seien in Chicago.

Vom Bahnhof nahmen sie eine Kutsche zum Palmer’s Illinois House Hotel, wo Rachels Anwalt ein Zimmer für sie hatte reservieren lassen. Shaman quartierte sich ebenfalls dort ein und bekam Zimmer Nummer 508 im fünften Stock zugewiesen. Er brachte Rachel zu ihrem Zimmer Nummer 306 und gab dem Pagen ein Trinkgeld.

»Möchtest du noch etwas? Kaffee vielleicht?«

»Ich glaube nicht, Shaman. Es ist schon spät, und ich habe morgen viel zu erledigen.« Sie wollte auch nicht mit ihm frühstücken. »Wie war’s, wenn wir uns um drei Uhr hier in der Halle treffen und ich dir dann Chicago zeige?«