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Sie ließen die Lampe brennen, damit sie einander sehen und miteinander sprechen konnten.

Nachdem sie sich geliebt hatten, schlief sie ein wie eine zufriedene Katze, und er lag da und sah ihr beim Atmen zu. Nach einer Weile wachte sie wieder auf, und ihre Augen leuchteten, als sie ihn sah. »Auch als ich Joes Frau war... sogar als ich schon Mutter war, träumte ich von dir.«

»Ich habe das irgendwie gespürt. Und das hat alles noch schlimmer gemacht.«

»Ich fürchte mich, Shaman.«

»Wovor?«

»Jahrelang habe ich die Hoffnung auf dich tief in mir begraben... Weißt du, was eine orthodoxe Familie tut, wenn ein Mitglied jemanden anderen Glaubens heiratet? Sie verhängen die Spiegel mit Tüchern, ziehen Trauerkleidung an und sprechen die Totengebete.«

»Keine Angst! Wir werden mit ihnen reden, bis sie es verstehen.«

»Und wenn sie es nie verstehen?«

Auch er fühlte Unbehagen und Furcht, doch er musste sich mit dieser Frage auseinandersetzen. »Wenn das der Fall ist, wirst du eine Entscheidung treffen müssen.« Sie sahen einander an.

»Keine Resignation mehr - bei uns beiden nicht, richtig?« Rachel lächelte wieder.

»Richtig.«

Sie begriffen, dass sie ein Bekenntnis füreinander abgelegt hatten, das ernster war als jeder Schwur, und sie umarmten sich und klammerten sich aneinander, als sei der andere ein Rettungsanker.

Im Zug auf der Fahrt nach Westen sprachen sie am nächsten Tag über ihre Zukunft.

»Ich werde Zeit brauchen«, sagte Rachel.

Als er sie fragte, wieviel Zeit, sagte sie, sie wolle es ihrem Vater persönlich mitteilen, nicht in einem geschmuggelten Brief. »Das dürfte nicht mehr lange dauern. Alle meinen, dass der Krieg bald vorbei sein wird.«

»Ich habe so lange auf dich gewartet, da kann ich jetzt auch noch länger warten«, antwortete er. »Aber ich bin nicht bereit, mich heimlich mit dir zu treffen. Ich möchte dich zu Hause besuchen können und etwas mit dir unternehmen. Und ich möchte viel Zeit mit Hattie und Joshua verbringen, um sie richtig kennenzulernen.«

Rachel nickte lächelnd und nahm seine Hand.

In Rock Island wurde sie von Lillian abgeholt. Shaman stieg schon in Moline aus und holte sein Pferd aus dem Mietstall. Dann ritt er dreißig Meilen Flussaufwärts und nahm die Fähre über den Mississippi nach Clinton in Iowa. Die Nacht verbrachte er im Randall Hotel in einem schönen Zimmer mit einer Kamineinfassung aus Marmor und fließend warmem und kaltem Wasser. Das Hotel besaß einen eindrucksvollen fünfstöckigen Toilettenturm, der von allen Etagen aus zugänglich war. Als Shaman am nächsten Tag das Inman Hospital aufsuchte, um sich dort umzusehen, erlebte er eine Enttäuschung. Es war ein kleines Krankenhaus wie das für Holden’s Crossing geplante, aber schmuddelig und schlecht geführt: eine Lektion, wie man es nicht machen durfte. Shaman verließ das Inman Hospital sehr schnell wieder und gab dem Kapitän eines Flachbootes Geld, damit er ihn und Boss Flussabwärts nach Rock Island brachte.

Auf dem Ritt nach Holden’s Crossing begann ein kalter Regen zu fallen, doch die Gedanken an Rachel und ihre gemeinsame Zukunft hielten Shaman warm.

Als er endlich zu Hause angekommen war und sein Pferd versorgt hatte, ging er in die Küche, wo seine Mutter aufrecht und kerzengerade auf ihrem Stuhl saß; offensichtlich hatte sie ungeduldig auf seine Rückkehr gewartet.

Sobald er eintrat, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus: »Dein Bruder lebt. Er ist in Kriegsgefangenschaft«, sagte sie.

Ein Telegramm

Am Tag zuvor hatte Lillian Geiger von ihrem Mann einen Brief erhalten. Jason schrieb, dass er den Namen eines Corporal Alexander Bledsoe auf einer Liste konföderierter Kriegsgefangener gesehen habe. Er sei am 11.November 1862 in Perryville, Kentucky, von den Truppen der Union gefangengenommen worden. »Deshalb hat man in Washington nicht geantwortet, als wir anfragten, ob sie einen Gefangenen namens Alexander Cole hätten«, sagte Sarah. »Er hat den Namen meines ersten Mannes benutzt.« Shaman freute sich sehr. »Wenigstens können wir hoffen, dass er noch am Leben ist! Ich werde gleich schreiben und versuchen herauszufinden, wo sie ihn gefangenhalten.«

»Das würde Monate dauern. Wenn er noch am Leben ist, dann ist er schon fast drei Jahre lang Gefangener. Jason schreibt, dass die Gefangenenlager auf beiden Seiten der Front entsetzlich sind. Er meint, wir sollten versuchen, Alex so schnell wie möglich zu holen.«

»Dann fahre ich selber nach Washington.«

Aber seine Mutter schüttelte den Kopf. »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Nick Holden nach Rock Island und Holden’s Crossing kommt, um für Lincolns Wiederwahl zu werben. Du gehst zu ihm und bittest ihn, uns bei der Suche nach deinem Bruder zu helfen.« Shaman war verwundert. »Warum sollten wir uns an Nick Holden wenden statt an unseren Kongressabgeordneten oder Senator? Pa hat Holden verachtet, weil er an der Vernichtung der Sauks beteiligt war.«

»Nick Holden ist wahrscheinlich Alex’ Vater«, erwiderte sie ruhig.

Einige Augenblicke lang brachte Shaman vor Überraschung kein Wort heraus. »Ich habe immer geglaubt... das heißt, Alex glaubt, dass sein leiblicher Vater ein Mann namens Will Mosby ist.« Seine Mutter sah ihn an. Sie war sehr blass, doch ihre Augen waren trocken. »Ich war siebzehn Jahre alt, als mein erster Mann starb. Ich war ganz allein in einer Hütte mitten in der Prärie, auf dem Land, das jetzt zur Schroeder-Farm gehört. Ich habe versucht, den Besitz alleine zu bewirtschaften, aber ich hatte einfach nicht die Kraft dazu. Das Land hat mich kaputtgemacht. Ich hatte kein Geld. Eine Anstellung bekam ich nirgends, es gab ja damals noch kaum Leute in der Gegend. Will Mosby ist als erster zu mir gekommen. Er war ein Gauner und immer lange Zeit verschwunden, aber wenn er kam, hatte er immer eine Menge Geld. Und dann ist Nick aufgekreuzt. Sie waren beide attraktive, charmante Männer. Am Anfang habe ich geglaubt, dass keiner vom anderen etwas weiß, aber als ich dann schwanger wurde, hat sich gezeigt, dass beide Bescheid wussten, und jeder hat behauptet, der andere sei der Vater.«

Shaman hatte Mühe, etwas zu erwidern. »Haben sie dir denn überhaupt nicht geholfen?«

Sie lächelte dünn. »Gemerkt habe ich auf jeden Fall nichts davon. Ich glaube, Will Mosby hat mich geliebt, und er hätte mich wahrscheinlich irgendwann einmal auch geheiratet, aber er hat ein gefährliches, riskantes Leben geführt und ist genau damals getötet worden. Nick ließ sich nicht mehr sehen, obwohl ich mir schon damals ziemlich sicher war, dass er Alex’ Vater ist. Alma und Gus waren inzwischen hier und hatten mein Land übernommen, und ich glaube, er hat gewusst, dass die Schroeders mich durchfüttern würden.« Sarah schien nachzudenken. »Bei der Niederkunft war Alma dabei, aber in einem Ernstfall dreht die Arme ja immer durch, und ich musste ihr fast bei jedem Handgriff sagen, was sie tun solle. Nach Alex’ Geburt hatte ich ein paar sehr schlimme Jahre. Zuerst machten die Nerven nicht mehr mit, dann der Magen, und das führte zu den Blasensteinen.« Sie schüttelte den Kopf. »Dein Vater hat mir das Leben gerettet. Bis ich ihn kennenlernte, habe ich nicht geglaubt, dass es so etwas wie einen liebenswürdigen, gütigen Mann überhaupt gibt. Das Schlimme war, ich hatte gesündigt. Als du dein Gehör verloren hast, wusste ich, dass ich bestraft wurde und dass es meine Schuld war, und ich habe mich kaum in deine Nähe getraut. Ich habe dich so sehr geliebt, aber ich hatte doch ein solch schlechtes Gewissen.« Sie strich ihm über das Gesicht. »Es tut mit leid, dass du eine so schwache und sündige Mutter gehabt hast.«

Shaman nahm ihre Hand. »Nein, du bist nicht schwach und sündig. Du bist eine starke Frau, die wirklichen Mut brauchte, nur um zu überleben. Und was das angeht, es war auch sehr mutig von dir, mir diese Geschichte überhaupt zu erzählen. Für meine Taubheit kannst du nichts, Ma. Gott will dich nicht bestrafen. Ich war noch nie so stolz auf dich wie jetzt, und ich habe dich noch nie so geliebt.«