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An diesem Nachmittag ritt er zum Haus von Betty Cummings, die an heftigem Rheuma in beiden Schultern litt.

Er band sein Pferd an und wollte eben zur Hintertür gehen, als er im Schnee hinter dem Stall eine Doppelspur und eine Reihe eigenartiger Markierungen entdeckte. Er watete durch eine Schneeverwehung und ging bei den Spuren in die Knie, um sie zu untersuchen.

Die Markierungen waren dreieckige Löcher im Schnee. Sie waren durchschnittlich etwa fünfzehn Zentimeter tief, aber je nach Tiefe unterschiedlich im Durchmesser. Diese dreieckigen Wunden im Schnee waren blutlos, und es waren viel mehr als elf.

Er blieb auf den Knien und starrte sie an.

»Dr. Cole?« Mrs. Cummings war aus dem Haus gekommen und beugte sich mit besorgtem Gesicht über ihn. Sie sagte, die Löcher stammten von den Skistöcken ihres Sohnes. Er hatte sich Ski und Stöcke aus Hickoryholz gemacht und die Enden der Stöcke angespitzt.

Die Löcher waren zu groß.

»Ist etwas nicht in Ordnung, Dr. Cole?« Sie fror und zog sich ihren Schal enger um die Schultern, und er schämte sich plötzlich, dass er eine rheumatische alte Frau in der Kälte stehenliess.

»Alles in bester Ordnung, Mrs. Cummings«, sagte er, stand auf und folgte ihr in die warme Küche.

Alden hatte für Rob J.s Skalpell ein wundervolles Kästchen aus Eichenholz geschreinert und zum Auskleiden von Sarah einen Rest hellblauen Samts erbeten. »Hab’ allerdings nirgends ein Stück altes Glas finden können.

Musste bei Haskin neues kaufen. Ich hoffe, das ist in Ordnung.«

»Das ist mehr als in Ordnung.« Shaman gefiel das Kästchen sehr. »Ich werde es in der Diele aufhängen«, sagte er.

Er freute sich noch mehr, als er das Skalpell sah, das Alden nach seinen Anweisungen angefertigt hatte.

»Ich hab’ es aus einem alten Brandeisen geschmiedet. Es ist noch genug guter Stahl für zwei oder drei solche Messer übrig, falls du welche brauchst.«

Shaman nahm Papier und Bleistift zur Hand und zeichnete eine Wundsonde sowie eine Amputationszange.

»Glaubst du, du kannst das auch machen?«

»Sicher doch.«

Shaman sah ihn nachdenklich an. »Wir werden hier bald ein Krankenhaus bekommen, Alden. Das bedeutet, wir werden Instrumente, Betten, Stühle, alles mögliche brauchen. Wie wär’s, wenn du dir jemanden suchst, der dir hilft, das alles zu machen?«

»Na ja, freuen würde mich das schon... Aber ich glaube nicht, dass ich die Zeit dafür aufbringen kann.«

»Da hast du natürlich recht. Aber mal angenommen, wir stellen jemanden ein, der sich zusammen mit Doug um die Farm kümmert, und du setzt dich nur ein paarmal pro Woche mit ihnen zusammen und sagst ihnen, was sie tun sollen?«

Alden dachte einen Augenblick nach und nickte dann. »Das könnte gehen.«

Shaman zögerte. »Alden... wie gut ist dein Gedächtnis?«

»So gut wie jedermanns, nehm’ ich mal an.«

»Dann erzähl mir mal so genau, wie du es noch weißt, wo an dem Tag, an dem Makwa-ikwa getötet wurde, jeder einzelne war!« Alden seufzte tief und verdrehte die Augen. »Das spukt dir also immer noch im Kopf herum.«

Doch mit ein wenig gutem Zureden brachte Shaman ihn zum Erzählen.

»Na, dann fangen wir mal mit dir an: Du hast in dem Wäldchen geschlafen, soweit ich weiß. Dein Pa war unterwegs zu Hausbesuchen. Ich war bei Paul Gruber und hab’ ihm beim Schlachten geholfen, weil er uns seine Ochsen zum Mistausfahren geliehen hat... Mal sehen, wer ist dann noch übrig?«

»Alex, meine Mutter, Mond und Der singend einhergeht.«

»Also, Alex war irgendwo unterwegs, beim Fischen oder Spielen, was weiß ich. Deine Mutter und Mond... jetzt weiß ich’s wieder, die haben das Kühlhaus geputzt, weil wir anschließend selber schlachten und das Fleisch drin aufhängen wollten. Der große Indianer hat bei der Schafherde gearbeitet und später im Wald.« Er strahlte Shaman an. »Nicht schlecht, mein Gedächtnis, was?«

»Es war doch Jason, der Makwa gefunden hat. Was hat der an diesem Tag gemacht?«

Alden sah ihn entrüstet an. »Woher soll ich denn das wissen? Wenn du wissen willst, was Geiger gemacht hat, musst du schon seine Frau fragen.«

Shaman nickte. »Ich glaube, das werde ich auch tun«, sagte er. Doch kaum war er wieder im Haus, war dieser Gedanke wie weggeblasen, denn seine Mutter sagte ihm, dass Carroll Wilkenson vom Telegrafenamt in Rock Island eine Nachricht für ihn mitgebracht habe. Seine Finger zitterten so heftig wie die Aldens, als er den Umschlag aufriss.

Die Nachricht war knapp und geschäftsmäßig:

Corporal Alexander Bledsoe,28. Louisiana Mounted Rifles, gegenwärtig als Kriegsgefangener interniert im Gefangenenlager Elmira, Elmira, New York. Bitte wenden Sie sich an mich, wenn ich Ihnen anderweitig behilflich sein kann. Viel Glück!

Nicholas Holden, Kommissar für Indianerangelegenheiten

Das Gefangenenlager in Elmira

In seinem Büro las Bankdirektor Charlie Andreson den Betrag auf dem Abhebungsformular und spitzte die Lippen. Obwohl es Shamans eigenes Geld war, das er abheben wollte, nannte er Andreson ohne Zögern den Grund für die Entnahme, denn er wusste, dass er sich dem Direktor anvertrauen konnte. »Ich habe keine Ahnung, was Alex alles brauchen wird. Aber was es auch ist, ich werde eine Menge Geld brauchen, um ihm zu helfen.« Andreson nickte und verließ sein Büro. Einige Minuten später kam er mit einem Bündel Scheine in einem kleinen Leinensäckchen zurück. In der anderen Hand hatte er einen Geldgurt, den er Shaman gab. »Ein kleines Geschenk der Bank für einen geschätzten Stammkunden. Zusammen mit unseren aufrichtigen Glückwünschen und einem Rat, wenn Sie gestatten. Bewahren Sie das Geld in dem Gurt auf, und tragen Sie ihn unter der Kleidung auf der Haut! Haben Sie eine Pistole?«

»Nein.«

»Sie sollten sich eine kaufen. Sie haben eine weite Reise vor sich, und es laufen viele gefährliche Burschen herum, die Sie ohne Zögern töten würden, um an soviel Geld zu kommen.«

Shaman dankte dem Bankdirektor und steckte Geld und Gurt in die kleine Tasche, die er mitgebracht hatte. Er ritt noch die Hauptstraße entlang, als ihm einfiel, dass er doch eine Waffe besaß: den -44er Colt Texas Navy Revolver, den sein Vater einem toten Konföderierten abgenommen hatte, um sein Pferd zu töten, und den er aus dem Krieg mitgebracht hatte.

Normalerweise wäre Shaman nie auf den Gedanken gekommen, bewaffnet zu reisen, aber er wollte nicht riskieren, dass ihm auf dem Weg zu Alex irgend etwas in die Quere kam, und so wendete er sein Pferd und ritt zu Haskins Laden, wo er sich eine Schachtel Munition für den 44er kaufte. Die Patronen und der Revolver wogen schwer und nahmen viel Platz weg in dem Koffer, den er neben seiner Arzttasche als einziges Gepäck mitnahm, als er am folgenden Morgen Holden’s Crossing verließ.

Mit einem Dampfer fuhr er Flussabwärts bis nach Cairo und von dort aus mit der Eisenbahn weiter in den Osten.

Es war eine beschwerliche Reise, die vier Tage und vier Nächte dauerte. Der Schnee verschwand, als er Illinois verließ, nicht aber der Winter, und die eisige Kälte, die in den schaukelnden Eisenbahnwaggons herrschte, kroch Shaman in die Knochen. Er war müde und erschöpft, als er in Elmira ankam, doch er nahm sich nicht einmal die Zeit, zu baden und sich umzuziehen, bevor er sich auf die Suche nach Alex machte. Der unbändige Drang, sich davon zu überzeugen, dass sein Bruder noch am Leben war, trieb ihn vorwärts.

Am Droschkenstand vor dem Bahnhof ging er an einem Hansom vorbei und nahm statt dessen einen Buggy, damit er neben dem Kutscher sitzen und sehen konnte, was der sagte. Der Kutscher erzählte stolz, dass die Stadt bereits fünfzehntausend Einwohner zähle. Sie fuhren durch freundliche Straßen mit kleinen Einfamilienhäusern bis in die Außenbezirke und dann die Water Street hinunter und an einem Fluss entlang, den der Mann Chemung River nannte. Bald darauf kam ein hoher Bretterzaun in Sicht, der das Gefangenenlager umgab.