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Alden keuchte. Shaman lagen noch eine Unmenge Fragen auf der Zunge, aber er wusste, wie krank Alden war.

Er saß da und war hin und her gerissen zwischen seinem Zorn und dem Eid, den er geleistet hatte. Am Ende schluckte er seine Fragen hinunter und sah Alden nur an, der mit geschlossenen Augen dalag und ab und zu ein wenig Blut hustete oder von Anfällen geschüttelt wurde.

Fast eine halbe Stunde später fing Alden von selbst wieder zu reden an: »Ich war der Anführer der American Party hier in der Gegend... An diesem Morgen hab’ ich Gruber... beim Schlachten geholfen. Bin früh wieder weg, um die drei zu treffen. In unserem Wald. Als ich hinkam, hatten sie die Frau... bereits gehabt. Ist auf dem Boden gelegen und hat gehört, wie ich mit denen geredet hab’. Ich hab’ angefangen zu schreien: Wie ich denn jetzt noch hierbleiben könnte? Sie würden ja wieder verschwinden, aber mich würde die Indianerin in furchtbare Schwierigkeiten bringen. Korff hat kein Wort gesagt. Hat einfach nur das Messer genommen und sie umgebracht.«

Shaman konnte ihm in diesem Augenblick keine Frage stellen. Er spürte, dass er vor Wut zitterte. Am liebsten hätte er geschrien wie ein Kind.

»Sie haben mir eingeschärft, nur ja nichts zu sagen, und sind fortgeritten. Ich hab’ gleich ein paar Sachen in eine Kiste gepackt. Hab’ mir ausgerechnet, dass ich würde fliehen müssen... Wusst’ nur nicht, wohin. Aber nachdem sie sie gefunden haben, hat kein Mensch sich um mich gekümmert oder mir auch nur Fragen gestellt.«

»Und du hast sogar geholfen, ihr Grab zu schaufeln, du elender Kerl«, sagte Shaman. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Vielleicht traf der Ton seiner Worte Alden mehr als der Inhalt. Der Alte schloss die Augen und begann zu husten. Und diesmal ließ der Husten nicht mehr nach.

Shaman holte Chinin und etwas Schwarzwurzeltee, doch als er versuchte, Alden etwas einzuflößen, würgte und spuckte der und durchnässte sein Nachthemd, so dass es gewechselt werden musste. Einige Stunden später saß Shaman wieder an Aldens Bett und erinnerte sich an den Knecht, wie er ihn sein Leben lang gekannt hatte: der geschickte Handwerker, der Angelruten und Schlittschuhe angefertigt hatte, der Kundige, der ihnen Jagen und Fischen beigebracht hatte, der jähzornige Säufer.

Der Lügner, der Mann, der bei Vergewaltigung und Mord Beihilfe geleistet hatte.

Shaman stand auf, holte die Lampe und hielt sie Alden über das Gesicht. »Alden! Hör mir zu! Mit was für einem Messer hat Korff sie erstochen? Mit welcher Waffe, Alden?«

Aber die Lider blieben geschlossen. Alden Kimball war nicht anzusehen, ob er Shamans Stimme gehört hatte.

Gegen Morgen bekam Alden hohes Fieber. Er war bewusstlos. Wenn er hustete, war der Auswurf übelriechend, und das Sputum färbte sich immer mehr rot. Shaman legte den Zeigefinger auf Aldens Handgelenk; der Puls lief ihm davon, einhundertacht Schläge pro Minute. Er zog Alden aus und rieb ihn gerade mit Alkohol ab, als er bemerkte, dass der Tag schon angebrochen war. Alex spähte zur Tür herein. »Mein Gott. Er sieht ja schrecklich aus. Hat er Schmerzen?«

»Ich glaube nicht, dass er noch etwas spürt.«

Es fiel ihm schwer, Alex alles zu erzählen, und für Alex war es noch schwerer, dies alles zu hören, aber Shaman ließ trotzdem nichts aus. Alex hatte lange mit Alden eng zusammengearbeitet, hatte sich die anstrengende und schmutzige tägliche Farmarbeit mit ihm geteilt, hatte von ihm unzählige Handgriffe und Kniffe gelernt und hatte bei ihm Zuspruch und Aufmunterung gefunden, als er sich wie ein vaterloser Bastard vorkam und gegen Rob J.s Autorität rebellierte. Shaman wusste, dass Alex Alden liebte.

»Wirst du es den Behörden melden?« Alex wirkte äußerlich ruhig. Nur sein Bruder wusste, wie sehr er litt.

»Es wäre zwecklos. Er hat eine Lungenentzündung, die sich sehr schnell verschlimmert.«

»Stirbt er?«

Shaman nickte. »Um seinetwillen bin ich froh«, sagte Alex.

Sie saßen beisammen und überlegten, ob es eine Möglichkeit gab, irgendwelche Angehörigen zu benachrichtigen. Niemand wusste, wo sich die Mormonenfrauen mit ihren Kindern aufhielten, die der Knecht verlassen hatte, bevor er auf Rob J.s Farm gekommen war. Shaman bat Alex, in Aldens Hütte nachzuforschen, und der machte sich sofort daran. Doch als er zurückkam, schüttelte er nur den Kopf. »Drei Krüge Whiskey, zwei Angelruten, eine Flinte, Werkzeug, ein Pferdegeschirr, das er reparierte, schmutzige Wäsche. Und das da.«

Er hielt ein Blatt Papier in der Hand. »Eine Liste mit den Namen von Männern aus der Umgebung. Ich glaube, es ist die Mitgliederliste der American Party in dieser Region.«

Shaman wollte sie nicht sehen. »Du verbrennst sie am besten.«

»Bist du sicher?«

Shaman nickte. »Ich werde den Rest meines Lebens hier verbringen und mich um die Leute kümmern. Wenn ich als Arzt in ihre Häuser gehe, will ich nicht wissen, wer von ihnen ein Nichtswisser ist«, sagte er, und Alex nickte und steckte die Liste weg.

Shaman schickte Billy Edwards mit den Namen der Patienten, die zu Hause behandelt werden mussten, in den Konvent, und ließ Mater Miriam Ferocia bitten, die Hausbesuche zu übernehmen. Er schlief, als Alden im Laufe des Vormittags starb. Noch ehe er aufwachte, hatte Alex Alden bereits die Augen geschlossen und ihm frische Kleidung angezogen.

Als sie Doug und Billy den Tod des alten Mannes mitteilten, kamen die beiden ins Haus und standen ein paar Augenblicke vor dem Bett. Dann gingen sie in den Stall, um einen Sarg zu zimmern. »Ich will nicht, dass er hier auf der Farm begraben wird«, sagte Shaman.

Alex schwieg einen Augenblick, doch dann nickte er. »Wir können ihn nach Nauvoo bringen. Ich glaube, er hatte unter den Mormonen dort Freunde«, schlug er vor.

Der Sarg wurde mit dem Buckboard nach Rock Island gebracht und dort auf ein Flachboot verfrachtet. Die Cole-Brüder setzten sich in der Nähe auf eine Kiste Pflugscharen. Und während an diesem Tag die Leiche Abraham Lincolns in einem Eisenbahnzug auf die lange Reise nach Westen ging, fuhr die Leiche des Knechtes den Mississippi hinunter.

In Nauvoo wurde der Sarg am Dampfschiffkai ausgeladen, und Alex wartete bei ihm, während Shaman in ein Lagerhaus ging und dort einem Angestellten namens Perley Robinson erklärte, was sie in die Stadt geführt habe.

»Alden Kimball? Kenn’ ich nicht. Sie müssen Mrs. Bidamon um Erlaubnis bitten, wenn Sie ihn hier begraben wollen. Warten Sie! Ich werde Sie fragen.«

Kurz darauf war er schon wieder zurück. Die Witwe des Propheten Joseph Smith hatte gesagt, sie kenne Alden Kimball als Mormonen und ehemaligen Siedler in Nauvoo, und er könne im Friedhof der Stadt begraben werden.

Der kleine Friedhof lag weiter landeinwärts. Der Fluss war nicht zu sehen, aber Bäume spendeten Schatten, und jemand, der mit einer Sense umgehen konnte, hielt das Gras kurz. Zwei kräftige junge Männer schaufelten das Grab, und Perley Robinson, der zum Ältestenrat gehörte, las endlos aus dem »Buch Mormon«, während die Nachmittagsschatten immer länger wurden.

Danach rechnete Shaman ab. Die Begräbniskosten beliefen sich auf sieben Dollar, einschließlich der viereinhalb Dollar für die Grabstelle. »Für zwanzig Dollar sorge ich dafür, dass er einen schönen Stein bekommt«, sagte Robinson. »Gut«, erwiderte Alex schnell. »In welchem Jahr wurde er geboren?«

Alex schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht. Lassen Sie einfach Alden Kimball. Gestorben 1865

einmeißeln.«

»Wissen Sie was? Wir könnten Heiliger daruntersetzen.« Aber Shaman sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Nur den Namen und das Todesjahr«, sagte er.

Perley Robinson sagte, dass in Kürze ein Boot vorbeifahre. Er zog die rote Fahne auf, damit es anlegte, und bald saßen die Brüder auf Deck, während die Sonne aus einem blutenden Himmel auf Iowa niedersank. »Was hat ihn wohl zu den Nichtswissern gebracht?« fragte Shaman nach einer Weile.

Alex erwiderte, ihn habe das nicht überrascht. »Er hatte einen starken Hass in sich. Und er war wegen vieler Dinge verbittert. Er hat mir oft erzählt, dass sein Vater als ein in Amerika Geborener in Vermont als Knecht gestorben sei und dass auch er als Knecht sterben werde. Es ärgerte ihn, wenn er sah, dass Ausländer sich Farmen kauften.«