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Alex nickte, und Shaman sah, dass er sich mit echtem Interesse über den Tisch beugte. Und während Alex die Hände seines Bruders beobachtete, kehrte auch die Farbe wieder in sein Gesicht zurück.

Jay hatte angeboten, Alex in Chemie und Pharmakologie zu unterrichten. An diesem Nachmittag saßen sie auf der Veranda des Cole-Hauses und beschäftigten sich mit den Elementen, während Shaman in der Nähe eine Zeitschrift las und hin und wieder eindöste. Doch Jay und Alex mussten ihre Bücher weglegen und Shaman der Hoffnung auf ein Nickerchen Lebewohl sagen, als Nick Holden auf den Hof gefahren kam. Shaman bemerkte, dass Alex Nick höflich, aber ohne Herzlichkeit begrüßte.

Nick war gekommen, um sich zu verabschieden. Er war noch immer US-Kommissar für Indianerangelegenheiten und kehrte nach Washington zurück.

»Dann hat Präsident Johnson Sie wohl gebeten, im Amt zu bleiben?« fragte Shaman.

»Nur für eine gewisse Zeit. Der holt sich schon seine eigenen Leute, da brauchen Sie keine Angst zu haben«, erwiderte Nick und schnitt ein Gesicht. Er erzählte ihnen, ganz Washington sei aus dem Häuschen wegen eines Gerüchtes über angebliche Verbindungen zwischen dem ehemaligen Vizepräsidenten und Präsident Lincolns Mörder. »Es wird behauptet, man habe einen Brief an Johnson mit der Unterschrift von John Wilkes Booth entdeckt. Und an dem Nachmittag vor dem tödlichen Schuss habe Booth an der Rezeption von Johnsons Hotel nach diesem gefragt, ihn aber nicht angetroffen.« Shaman überlegte, ob Anschläge in Washington nicht nur auf Präsidenten verübt würden, sondern auch auf den guten Ruf von Männern. »Hat Johnson zu diesem Gerücht Stellung genommen?«

»Er zieht vor, es zu ignorieren. Er spielt lieber den Präsidenten und redet darüber, wie das Finanzloch gestopft werden kann, das der Krieg in den Staatssäckel gerissen hat.«

»Das größte Loch, das der Krieg gerissen hat, kann nicht wieder aufgefüllt werden«, sagte Jay. »Eine Million Männer sind getötet oder verletzt worden. Und es werden noch mehr sterben, weil es noch immer Konföderiertennester gibt, die sich noch nicht ergeben haben.« Sie dachten noch über diese schreckliche Bilanz nach, als Alex plötzlich fragte: »Was wäre mit diesem Land passiert, wenn es keinen Krieg gegeben hätte und Lincoln den Süden in Frieden hätte ziehen lassen?«

»Die Konföderation hätte nicht lange überlebt«, sagte Jay. »Die Leute aus dem Süden verlassen sich nur auf ihren eigenen Staat und misstrauen einer Zentralregierung. Da wäre es fast sofort zu Streitereien gekommen. Die Konföderation hätte sich in kleinere, regionale Gebiete aufgesplittert, und auch die hätten sich nach einiger Zeit in ihre Einzelstaaten aufgelöst. Ich glaube, dass alle Staaten, einer nach dem anderen, reumütig und verlegen darum gebettelt hätten, wieder in die Union aufgenommen zu werden.«

»Die Union verändert sich«, bemerkte Shaman. »Die American Party hatte bei der letzten Wahl kaum noch Bedeutung. In Amerika geborene Soldaten haben irische, deutsche und skandinavische Kameraden auf dem Schlachtfeld sterben sehen, und sie sind nicht länger bereit, auf bigotte Politiker zu hören. Die >Chicago Daily Tribune< behauptet, die Nichtswisser seien am Ende.«

»Gott sei Dank!« sagte Alex.

»Sie waren doch nur eine politische Partei unter vielen«, meinte Nick beschwichtigend.

»Eine politische Partei, die andere, gefährlichere Gruppen ins Leben gerufen hat«, sagte Jay. »Aber denkt euch nichts! Dreieinhalb Millionen ehemalige Sklaven ziehen jetzt auf Arbeitssuche über das Land. Es wird neue gewalttätige Organisationen geben, die dann die Schwarzen bekämpfen, wahrscheinlich mit denselben Namen auf ihren Mitgliederlisten.«

Nick Holden stand auf, um sich zu verabschieden. »Übrigens, Geiger, hat Ihre Frau eigentlich Nachricht von ihrem berühmten Cousin?«

»Wenn wir wüssten, wo Judah Benjamin sich aufhält, glauben Sie wirklich, ich würde Ihnen das sagen?« fragte Jay ruhig.

Holden setzte sein übliches Lächeln auf.

Es stimmte, er hatte Alex das Leben gerettet, und Shaman war ihm dankbar dafür. Doch diese Dankbarkeit brachte ihn nicht dazu, Nick zu mögen. Tief in seinem Herzen hoffte Shaman, dass sein Bruder von diesem jungen Gesetzlosen namens Bill Mosby abstammte.

Es kam ihm nicht in den Sinn, Holden zu seiner Hochzeit einzuladen.

Shaman und Rachel heirateten am 22. Mai 1865 im Wohnzimmer der Geigers, nur im Kreis der beiden Familien.

Es war keine Hochzeit, wie ihre Eltern sie sich gewünscht hatten. Sarah hatte ihrem Sohn zu verstehen gegeben, da sein Stiefvater ein Geistlicher sei, wäre es eine Geste, die die Einheit der Familie stärke, wenn er Sydney bitte, die Zeremonie durchzuführen. Jay wiederum hatte seiner Tochter die Meinung unterbreitet, eine jüdische Frau könne nur von einem Rabbi verheiratet werden. Weder Rachel noch Shaman ließen sich auf einen Streit ein, und so wurde das Paar von Richter Stephen Hume getraut. Da Hume mit seiner einen Hand ohne Stehpult nicht mit Papieren umgehen konnte, musste Shaman ein solches aus der Kirche ausleihen, was einfach war, da noch kein neuer Priester berufen war. Mit den beiden Kindern stand das Paar vor dem Richter. Joshuas schweißfeuchte kleine Hand hielt Shamans Zeigefinger umklammert. Rachel, in einem Hochzeitskleid aus blauem Brokat mit einem breiten Kragen aus cremefarbener Spitze, hielt Hattie an der Hand. Hume war ein anständiger Mann, er wünschte ihnen alles Gute, und man konnte merkten, dass er es ernst meinte. Als er sie zu Mann und Frau erklärte und sie dann aufforderte »Gehet in Freude und Frieden«, nahm Shaman ihn beim Wort.

Die Welt drehte sich langsamer, und er spürte seine Seele sich erheben, wie er es zuvor nur ein einziges Mal erlebt hatte, als er in Cincinnati den Tunnel zwischen der Medical School und dem South-western Ohio Hospital als frischgebackener Arzt durchschritt. Shaman hatte erwartet, dass Rachel auf ihrer Hochzeitsreise nach Chicago oder in eine andere Großstadt würde fahren wollen, aber sie hatte ihn davon reden hören, dass Sauks und Mesquakies nach Iowa zurückgekehrt seien, und zu seiner freudigen Überraschung fragte sie ihn, ob sie nicht die Indianer besuchen könnten.

Sie brauchten ein Lasttier für die Vorräte und das Übernachtungsgepäck. Der Schmied Paul Williams hatte einen gutmütigen, grauen Wallach, den Shaman sich für elf Tage mietete. Tama, die Indianerstadt, lag etwa hundert Meilen entfernt, und Shaman rechnete mit je etwa vier Tagen für die Hin- und Rückreise und einigen Tagen für den Aufenthalt.

Schon wenige Stunden nach ihrer Hochzeit brachen sie auf, Rachel auf Trude und Shaman auf Boss, hinter sich am Zügel das Packpferd, das auf den Namen Ulysses hörte, »ohne General Grant zu nahe treten zu wollen«, wie Paul Williams sagte.

Shaman wäre über Nacht in Rock Island geblieben, aber sie waren für eine Reise zu Pferd gekleidet, nicht für ein Hotel, und Rachel wollte lieber in der offenen Prärie schlafen. Also brachten sie die Pferde mit der Fähre über den Fluss und ritten noch etwa zehn Meilen über Davenport hinaus.