Выбрать главу

zwischen den Flüssen in Illinois. Der Mann hatte schon während der kurzen Begegnung Rob J.s Achtung erworben, und deshalb ritt der junge Arzt weiter auf die Region zu, die Jay ihm als die für eine Ansiedlung günstigste ausgewiesen hatte.

Er brauchte zwei Wochen, um Illinois zu durchqueren. Am vierzehnten Tag führte ihn der Pfad, auf dem er ritt, in ein Waldstück, wo ihn willkommene Kühle und der Geruch feuchter, wuchernder Pflanzen empfingen. Er hörte lautes Wasserrauschen, folgte der schmalen Spur und kam kurz darauf am Ostufer eines großen Flusses aus dem Wald, der, wie er vermutete, der Rock River, der Felsenfluss, sein musste. Trotz der Trockenzeit war die Strömung stark, und die großen Felsen, die dem Fluss seinen Namen gaben, ließen das Wasser weiß aufschäumen. Auf der Suche nach einer Furt ritt er am Ufer entlang und kam schließlich zu einem tieferen, ruhigeren Abschnitt. Ein dickes, an zwei riesigen Baumstämmen befestigtes Stahlseil überspannte den Fluss.

Von einem Ast baumelten ein eiserner Triangel und ein Stahlstab, daneben ein Schild mit der Aufschrift: Holden’s Crossing. Nach der Fähre bitte läuten. Er schlug kräftig und, so schien es ihm, ziemlich lange den Triangel, bis er am gegenüber liegenden Ufer einen Mann gemächlich zu der Stelle schlendern sah, an der ein Floß festgemacht war. Zwei dicke, senkrechte Pfosten auf dem Floß endeten in großen Eisenringen, durch die das zwischen den Ufern gespannte Stahlseil lief. Als die Fähre die Flussmitte erreichte, hatte die Strömung das Seil bereits ein gutes Stück Flussabwärts gezogen, so dass der Mann sein Gefährt in einem Bogen und nicht in gerader Linie auf das andere Ufer zulenkte. Das dunkle, ölige Wasser war in der Mitte zu tief zum Staken, und der Mann zog das Floß deshalb an dem Stahlseil vorwärts. Der Fährmann sang, und sein kräftiger Bariton klang klar und deutlich zu Rob J. herüber.

Sein Lied hatte viele Strophen, und noch bevor sie zu Ende waren, konnte der Mann wieder staken. Als die Fähre näher kam, erkannte Rob einen muskulösen Mann Mitte Dreißig. Er war einen Kopf kleiner als Rob und sah aus wie ein typischer Einheimischer: schwere Stiefel an den Füßen, eine braune Hose aus grobem Halbwollzeug, die für die Jahreszeit zu warm war, ein blaues Baumwollhemd mit verstärktem Kragen und ein schweißfleckiger breitkrempiger Lederhut. Er hatte eine lange, schwarze Haarmähne, einen Vollbart und ausgeprägte Wangenknochen, dazu eine schmale, geschwungene Nase, die seinem Gesicht etwas Grausames verliehen hätte, wenn da nicht seine blauen Augen gewesen wären, die fröhlich und einladend strahlten. Je näher er kam, desto deutlicher spürte Rob J. einen gewissen Argwohn in sich, die Erwartung einer gewissen Affektiertheit, die der Anblick einer vollkommen schönen Frau oder eines zu attraktiven Mannes mit sich bringt.

Doch der Fährmann hatte nichts dergleichen an sich.

»Hallo!« rief er. Ein letzter Stoß mit der Stange, und das Floß glitt knirschend auf die Sandbank. Er streckte die Hand aus. »Nicholas Holden, zu Ihren Diensten.«

Rob schüttelte ihm die Hand und stellte sich vor. Holden holte einen dunklen, feuchten Priem aus der Brusttasche und schnitt mit seinem Messer ein Stück ab. Dann bot er Rob J. den Kautabak an, doch der schüttelte den Kopf. »Was kostet die Überfahrt?« »Drei Cent für Sie. Zehn für das Pferd.«

Rob zahlte, wie verlangt, die dreizehn Cent im voraus. Er band Monica an den Eisenringen fest, die zu diesem Zweck in den Boden des Floßes eingelassen waren. Holden drückte ihm eine zweite Stange in die Hand, und die beiden Männer machten sich ächzend ans Staken. »Wollen Sie sich etwa hier in der Gegend niederlassen?«

»Vielleicht«, erwiderte Rob vorsichtig.

»Sie sind nicht zufällig ein Hufschmied?« Holden hatte die blauesten Augen, die Rob je bei einem Mann gesehen hatte. Sie hätten weiblich gewirkt, wäre da nicht der durchdringende Blick gewesen, der Holdens Gesicht einen insgeheim belustigten Ausdruck gab. »Schade«, sagte er, schien jedoch von Robs Kopfschütteln nicht sonderlich überrascht. »Einen anständigen Schmied könnt’ ich nämlich gut gebrauchen. Farmer, mh?«

Er spitzte die Ohren, als Rob ihm sagte, er sei Arzt. »Dreifach willkommen und noch mal willkommen! Wir brauchen einen Doktor m der Gemeinde Holden’s Crossing. Und für einen Doktor ist die Überfahrt frei«, sagte er, hielt mit dem Staken inne und zählte Rob feierlich drei Cent in die Hand.

Rob betrachtete die Münzen. »Was ist mit den anderen zehn?«

»Na, das Pferd wird doch nicht auch ein Doktor sein!« Sein Grinsen war so liebenswert, dass man ihn beinahe für weniger gutaussehend hätte halten können.

Holdens winzige Hütte aus behauenen und mit weißem Lehm abgedichteten Stämmen stand, umgeben von einem Garten mit eigener Quelle, auf einer Anhöhe am Flussufer. »Gerade rechtzeitig zum Abendessen«, sagte er, und bald darauf aßen sie einen duftenden Eintopf, in dem Rob Rüben, Kohl und Zwiebel erkannte, aber Schwierigkeiten mit dem Fleisch hatte. »Hab’ heute morgen einen alten Hasen und ein junges Präriehuhn geschossen, und die sind beide da drin«, erklärte Holden.

Nachdem die Holzschüsseln neu gefüllt waren, erzählten sie einander von sich, so dass die Atmosphäre entspannter wurde. Holden war ein Provinzanwalt aus dem Staat Connecticut. Er hatte große Pläne. »Warum hat man eigentlich den Ort nach Ihnen benannt?«

»Hat man nicht. Ich hab’ ihn so genannt«, antwortete Holden leutselig. »Ich war als erster hier und hab’ den Fährdienst eingerichtet. Deshalb Holden’s Crossing, weil ich die Leute hier über den Fluss bringe. Und immer wenn jemand kommt und sich hier niederlassen will, sag’ ich ihm, wie der Ort heißt.«

In Robs Augen konnte es Holdens Blockhütte nicht mit den gemütlichen schottischen Cottages aufnehmen. Sie war dunkel und stickig. Das Bett, das zu nahe an der qualmenden Feuerstelle stand, war mit Ruß bedeckt.

Holden gestand ihm fröhlich, dass das einzig Gute an dem Gebäude das Fleckchen Erde sei, auf dem es stand.

Innerhalb eines Jahres, sagte er, werde die Hütte abgerissen und an ihrer Stelle ein hübsches Haus gebaut. »Ja, Sir, große Pläne.« Er erzählte Rob J. von den Einrichtungen, die bald folgen würden: ein Wirtshaus, ein Gemischtwarenladen und schließlich eine Bank. Und er verheimlichte nicht, dass er Rob überreden wolle, sich in Holden’s Crossing niederzulassen.

»Wie viele Familien leben jetzt hier?« fragte Rob J. und lächelte bedauernd, als er die Antwort hörte. »Von sechzehn Familien kann ein Arzt nicht leben.«

»Natürlich nicht. Aber die Siedler zieht’s hierher wie ‘nen Mann zur Möse. Und diese sechzehn Familien leben innerhalb der Ortsgrenze. Auf dem offenen Land liegen noch ‘ne ganze Menge einsame Farmen, und von hier bis Long Island gibt’s keinen einzigen Arzt. Sie müssen sich nur ein besseres Pferd besorgen und dürfen die langen Wege nicht scheuen, wenn Sie Hausbesuche machen.«

Rob wusste noch gut, wie verzweifelt er gewesen war, weil er die Unzahl von Menschen im achten Distrikt nicht vernünftig betreuen konnte. Doch das hier war die Kehrseite der Medaille. Er sagte zu Holden, er wolle darüber schlafen.

In dieser Nacht schlief er in der Hütte. In eine Steppdecke gewickelt, lag er auf dem Boden, während Holden in seinem Bett schnarchte.

Doch das war nichts für jemanden, der den Winter in einer Schlafbaracke mit neunzehn furzenden, hustenden Holzfällern verbracht hatte. Am nächsten Morgen machte Holden das Frühstück, überließ aber Rob den Abwasch, weil er, wie er sagte, noch etwas zu erledigen habe. Er versprach, bald zurück zu sein.