Zum Mittagessen gab es hartgekochte Eier aus Rachels umfangreichem Vorrat, doch abends wollten sie die Fische essen. Shaman nahm sie sofort aus. »Am besten, wir braten sie gleich, damit sie nicht verderben. Wir wickeln sie in ein Tuch und nehmen sie mit«, sagte er und entzündete ein kleines Feuer.
Während die Fische brieten, kam er wieder zu ihr. Diesmal ließ sie alle Vorsicht fahren. Es machte ihr nichts aus, dass seine Hände trotz gründlichen Waschens noch nach Fisch rochen und dass es noch helllichter Tag war.
Er schob ihren Rock hoch und liebte sie auf dem heißen, sonnigen Flussufer, mit dem Rauschen des Wassers in ihren Ohren.
Als sie einige Minuten später die Fische wendete, damit sie nicht verbrannten, kam ein Kahn um eine Flussbiegung. Drei bärtige, barfüßige Männer mit nacktem Oberkörper und zerrissenen Hosen saßen darin. Einer von ihnen hob die Hand und grüßte träge, und Shaman winkte zurück.
Kaum war das Boot verschwunden, stürzte sie zu ihrem Unterhemd, das im Wind flatterte wie eine große, weiße Flagge, die verriet, was die beiden getan hatten. Als er ihr nachlief, drehte sie sich um. »Was ist denn los mit uns?« fragte sie. »Was ist denn los mit mir? Wer bin ich eigentlich?«
»Du bist Rachel«, erwiderte er und nahm sie in die Arme. Er sagte es mit solcher Zufriedenheit, dass sie lächeln musste, als er sie küsste.
Tama
Früh am Morgen des fünften Tages überholten sie auf der Straße einen Reiter. Als Shaman ihn ansprach, um nach dem Weg zu fragen, sah er, dass der Mann zwar einfach gekleidet war, aber ein gutes Pferd mit einem teuren Sattel ritt. Seine Haare waren lang und schwarz, und seine Haut hatte die Farbe gebrannten Tons.
»Können Sie mir sagen, wie wir nach Tama kommen?« fragte Shaman.
»Nichts leichter als das. Ich reite selber dorthin. Kommen Sie doch einfach mit mir, wenn Sie wollen!«
»Vielen Dank.«
Der Indianer beugte sich vor und sagte noch etwas, aber Shaman schüttelte den Kopf. »Es ist für mich schwierig, während des Reitens zu reden. Ich muss Ihren Mund sehen, ich bin nämlich taub.«
»Oh.«
»Aber meine Frau hört ausgezeichnet«, sagte Shaman grinsend, und der Mann grinste zurück, wandte sich an Rachel und tippte sich an den Hut. Sie wechselten ein paar Worte, doch meistens ritten die drei schweigend nebeneinander her.
Als sie an einen Teich kamen, hielten sie an, um die Pferde saufen und fressen zu lassen und sich die Beine zu vertreten. Erst jetzt stellten sie sich richtig vor. Der Mann schüttelte ihnen die Hand und sagte, er heiße Charles P. Keyser.
»Wohnen Sie in Tama?«
»Nein, ich habe eine Farm acht Meilen von hier. Ich wurde in Potawatomi geboren, aber von Weißen aufgezogen, weil meine Eltern an Fieber starben. Ich versteh’ auch dieses indianische Geplapper kaum, bis auf ein paar Worte in Kickapoo. Ich habe eine Frau geheiratet, die halb Kickapoo, halb Französin war.«
Er erzählte, er gehe alle paar Jahre nach Tama, um dort einige Tage zu verbringen. »Weiß eigentlich gar nicht, warum.« Er zuckte mit den Achseln und lachte. »Vermutlich zieht’s die rote Haut zur roten Haut.«
Shaman nickte. »Glauben Sie nicht, unsere Pferde haben jetzt genug gefressen?«
»O ja. Wir wollen doch nicht, dass es sie zerreißt, oder?« erwiderte Keyser und die beiden stiegen auf und ritten weiter.
Am Vormittag erreichten sie Tama. Lange bevor sie zu den in einem großen Kreis stehenden Hütten kamen, liefen braunäugige Kinder und bellende Hunde hinter ihnen her.
Bald darauf hob Keyser die Hand, und sie hielten an, um abzusteigen. »Ich sag’ dem Häuptling Bescheid, dass wir hier sind«, sagte Keyser und ging zu einer nahe gelegenen Hütte. Als er mit einem breitschultrigen Indianer mittleren Alters zurückkehrte, hatte sich bereits eine kleine Gruppe um die Pferde versammelt.
Der stämmige Mann sagte etwas, das Shaman ihm nicht von den Lippen ablesen konnte. Es war nicht Englisch, aber der Mann nahm Shamans Hand, als der sie ihm entgegenstreckte. »Ich bin Dr. Robert J. Cole aus Holden’s Crossing in Illinois. Und das ist meine Frau, Rachel Cole.«
»Dr. Cole?« Ein junger Mann trat aus der Menge vor und musterte Shaman. »Nein. Sie sind zu jung.«
»Vielleicht kannten Sie meinen Vater?«
Der Mann sah ihn forschend an. »Bist du der taube Junge?... Bist du das, Shaman?«
»Ja.«
»Ich bin Kleiner Hund, der Sohn von Mond und Der singend einhergeht.«
Shaman freute sich sehr, als sie sich die Hände schüttelten, er erinnerte sich noch gut daran, wie sie als Kinder zusammen gespielt hatten. Der untersetzte Mann sagte etwas.
»Das ist Medi-ke, Schnappende Schildkröte, Häuptling der Stadt Tama«, sagte Kleiner Hund. »Er will, dass ihr drei in seine Hütte kommt.«
Schnappende Schildkröte bedeutete Kleiner Hund, dass er mitkommen solle, und den übrigen Indianern, dass sie sich zerstreuen sollten. Seine Hütte war klein, und es roch darin nach verbranntem Fleisch. Zusammengelegte Decken zeigten, wo die Bewohner schliefen, und in einer Ecke hing eine Segeltuchhängematte. Der Lehmboden war hart und gefegt, und auf diesem Boden servierte ihnen Kleines Licht, die Frau des Häuptlings, schwarzen Kaffee mit viel Ahornzucker und anderen, würzigen Zutaten. Er schmeckte wie Makwa-ikwas Kaffee. Nachdem Kleines Licht eingegossen hatte, flüsterte Schnappende Schildkröte ihr etwas zu, und sie verließ die Hütte.
»Du hast doch eine Schwester namens Vogelfrau gehabt«, sagte Shaman zu Kleiner Hund. »Ist sie auch hier?«
»Die ist schon lange tot. Ich habe noch eine andere Schwester, Grüne Weide, die jüngste. Sie ist mit ihrem Mann im Reservat in Kansas.« Niemand in Tama außer ihm sei von der Gruppe in Holden’s Crossing, sagte Kleiner Hund.
Schnappende Schildkröte ließ durch Kleiner Hund sagen, dass er ein Mesquakie sei und dass es in Tama etwa zweihundert Mesquakies und Sauks gebe. Dann folgte ein Sturzbach von Worten. Kleiner Hund übersetzte: »Er sagt, dass die Reservate sehr schlecht sind. Wie große Käfige. Wir waren krank vor Sehnsucht nach den früheren Tagen, dem alten Leben. Wir haben wilde Pferde gefangen, sie zugeritten und sie für so viel verkauft, wie wir eben dafür kriegen konnten. Wir haben das ganze Geld gespart. Dann kamen ungefähr hundert von uns hierher.
Wir mussten vergessen, dass Rock Island früher Sauk-e-nuk war, die große Stadt der Sauks, und dass Davenport Mesquak-e-nuk war, die große Stadt der Mesquakies. Die Welt hat sich verändert. Wir haben dem weißen Mann Geld für hundert Morgen gegeben, und wir haben uns den Kaufvertrag vom weißen Gouverneur mit seiner Unterschrift bestätigen lassen.«
Shaman nickte. »Das war gut«, sagte er, und Schnappende Schildkröte lächelte. Offensichtlich verstand er ein wenig Englisch, aber er sprach in seiner eigenen Sprache weiter, und sein Gesicht wurde ernst. »Er sagt«, fuhr Kleiner Hund fort, »die Regierung behauptet immer, dass sie unser riesiges Land gekauft hat. Der Weiße Vater nimmt sich unser Land und bietet den Stämmen dafür kleine Münzen statt des großen Papiergeldes. Er betrügt uns sogar noch um die Münzen und gibt uns billiges Zeug und Tand und behauptet, die Mesquakies und Sauks würden eine Jahresrente bekommen. Viele von unserem Volk lassen die wertlosen Sachen einfach auf der Erde liegen, damit sie verfaulen. Wir sagen ihnen, sie sollen mit lauter Stimme Geld verlangen und dann hierher kommen und noch mehr Land kaufen.«
»Gibt es Schwierigkeiten mit den Nachbarn?« fragte Shaman.
»Keine Schwierigkeiten«, antwortete Kleiner Hund und hörte dann wieder Schnappende Schildkröte zu. »Es sagt, dass wir niemanden bedrohen. Wenn unsere Leute zu den Weißen gehen, um mit ihnen zu handeln, stecken weiße Männer Münzen in die Rinde von Bäumen und sagen unseren Männern, sie dürfen die Münzen behalten, wenn sie sie mit ihren Pfeilen treffen. Einige von uns sagen, das ist eine Beleidigung, aber Schnappende Schildkröte lässt es zu. Er sagt, so bleiben wenigstens einige von uns mit Pfeil und Bogen in Übung.« Kleines Licht kam mit einem Mann in einem ausgefransten Baumwollhemd, einer fleckigen braunen Wollhose und einem roten Taschentuch um die Stirn in die Hütte. Sie sagte, dies sei Nepepaqua, Schlafwandler, ein Sauk und der Medizinmann.