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»Es ist gefährlich unterwegs, hier gibt’s Banditen und Wegelagerer- und jetzt auch noch diese verdammten Krieger.«

»Krieger?«

»Indianer.«

»Hat man sie wieder gesehen?«

Nick blickte finster drein. Sie seien schon mehrmals gesehen worden, sagte er, musste aber einräumen, dass sie niemanden belästigt hatten. »Bis jetzt...« fügte er düster hinzu.

Rob J. kaufte sich keine Waffe, und er trug auch die von Nick nicht. Auf seinem Pferd fühlte er sich sicher. Die Stute war sehr ausdauernd, und es gefiel ihm, wie sie mit sicherem Tritt steile Flussufer hinauf- und hinunterkletterte und reißende Bäche durchquerte. Er gewöhnte sie daran, von beiden Seiten bestiegen zu werden, und sie lernte es, zu ihm zu trotten, wenn er pfiff. Quarter horses - so nannte man kräftige, ausdauernde Reitpferde, wie sie eins war - dienten vorwiegend zum Hüten der Rinderherden, und Gruber hatte der Stute bereits beigebracht, auf die geringste Gewichtsverlagerung oder die leichteste Zügelbewegung zu reagieren und -

je nachdem - schnell loszulaufen, stehenzubleiben oder zu wenden.

Eines Tages im Oktober wurde Rob J. zur Farm von Gustav Schroeder gerufen, der sich zwei Finger der linken Hand zwischen schweren Steinen eingeklemmt hatte. Unterwegs kam Rob vom Weg ab, und er hielt bei einer armseligen Hütte inmitten gut gepflegter Felder an, um nach der Farm der Schroeders zu fragen. Die Tür öffnete sich nur einen Spaltbreit, doch sofort schlug ihm ein übler Geruch entgegen, ein Gestank nach Fäkalien, abgestandener Luft und Fäulnis. Ein Gesicht spähte heraus, und er sah rote, verquollene Augen und stumpfe, schmutzverklebte Hexenhaare. »Gehen Sie weg!« befahl eine heisere Frauenstimme. Etwas von der Größe eines kleinen Hundes huschte hinter der Tür durchs Zimmer. Doch nicht etwa ein Kind? Krachend schlug die Tür zu.

Die bestellten Felder gehörten, wie sich herausstellte, den Schroeders, deren Farm Rob kurz darauf fand. Er musste dem Farmer den kleinen Finger und das letzte Glied des Ringfingers abnehmen, eine entsetzliche Qual für den Patienten. Nach der Operation erkundigte er sich bei Schroeders Gattin nach der Frau in der Hütte.

Alma Schroeder sah ein wenig verlegen drein. »Das ist nur die arme Sarah«, antwortete sie.

Der große Indianer

Die Nächte wurden kalt und kristallklar. Riesige Sterne funkelten am Himmel, dann aber bewölkte er sich und riss wochenlang nicht mehr auf. Früh im November fiel - wunderbar und zugleich schrecklich- der erste Schnee.

Dann kam der Wind, formte die tiefe, weiße Schicht und warf Verwehungen auf, die Meg zwar herausforderten, ihr aber nie den Weg versperrten. Als Rob J. sah, wie tapfer das Pferd gegen den Schnee anging, schloss er es noch mehr ins Herz. Den ganzen Dezember über und einen Großteil des Januar blieb es so bitterkalt. Auf dem Heimweg von einer Nachtwache bei fünf Kindern - drei davon hatten Diphtherie - stieß Rob J. auf zwei Indianer in einer argen Notlage. Er erkannte sofort die beiden Männer, die ihm beim Gambespielen vor Nick Holdens Hütte zugehört hatten. Drei tote Schneehasen zeigten, dass sie auf der Jagd gewesen waren. Eins ihrer Pferde war gestolpert, hatte sich dabei einen Vorderlauf an der Fessel gebrochen und seinen Reiter, den Sauk mit der riesigen Hakennase, unter sich begraben. Dessen Begleiter, der große Indianer, hatte das Tier sofort getötet und ihm den Bauch aufgeschlitzt, dann den Verletzten unter dem Kadaver hervorgezerrt und in die dampfende Bauchhöhle gelegt, damit er nicht erfror. »Ich bin Arzt, vielleicht kann ich helfen.«

Die beiden verstanden kein Englisch, doch der große Indianer machte keine Anstalten, Rob J. von der Untersuchung des Verletzten abzuhalten. Der Arzt brauchte nur kurz unter die zerlumpte Fellkleidung zu greifen, um festzustellen, dass die rechte Hüfte nach hinten ausgerenkt war. Der Ischiasnerv war verletzt, denn der Fuß hing schlaff herunter, und als Rob dem Jäger den Lederschuh auszog, um ihn mit der Messerspitze leicht zu stechen, konnte der Indianer die Zehen nicht bewegen. Die gesamte Muskulatur im Beckenbereich war vor Schmerz und Kälte hart und steif wie Holz. An ein Einrenken der Hüfte an Ort und Stelle war nicht zu denken.

Zu Rob J.’s Verwunderung schwang sich der große Indianer auf sein Pferd und ritt über die Prärie auf den Waldrand zu, vielleicht um Hilfe zu holen. Rob trug einen mottenzerfressenen Schaffellmantel, den er im vergangenen Winter von einem Holzfäller beim Pokern gewonnen hatte. Er zog ihn aus, deckte den Indianer damit zu und holte dann Stoffstreifen aus seiner Satteltasche, mit denen er die Beine des Patienten zusammenband, um die ausgerenkte Hüfte ruhigzustellen. Kurze Zeit später kehrte der große Indianer mit zwei kräftigen, aber biegsamen Baumstämmen zurück. Er befestigte sie zu beiden Seiten seines Pferdes und spannte einige Kleidungsstücke zwischen die Stämme, so dass eine Schleppbahre entstand, auf die sie den Verletzten legten. Obwohl der Schnee die Stöße etwas dämpfte, musste diese Art des Transports dem Mann entsetzliche Schmerzen bereiten. Es begann leicht zu graupeln, als der Zug sich in Bewegung setzte. Sie ritten am Rand des Waldstreifens am Flussufer entlang, bis der Indianer in eine Bresche zwischen den Bäumen einbog und sie das Lager der Sauks erreichten.

Konische Leder-Tipis - siebzehn zählte Rob J. später, als er die Gelegenheit dazu hatte - standen windgeschützt zwischen den Bäumen. Die Sauks waren warm gekleidet. Überall waren noch Spuren des Reservats zu sehen, denn neben den traditionellen Tierhäuten und -feilen trugen die Indianer abgelegte Kleidungsstücke von Weißen, und in einigen der Zelte standen Munitionskisten der Armee. Die Indianer hatten genug trockenes Holz für ihre Feuer, und aus den Abzugslöchern der Tipis stiegen graue Rauchfahnen in die Höhe. Doch Rob J. entging die Gier nicht, mit der viele Hände nach den drei mageren Hasen griffen, und er wusste, was die spitzen Gesichter bedeuteten, denn er hatte schon genug Hungernde gesehen. Der Verletzte wurde in eins der Tipis getragen, und Rob J. folgte ihm. »Spricht jemand Englisch?«

»Ich spreche deine Sprache.« Sein Alter war schwer zu bestimmen, denn der Sprecher trug das gleiche unförmige Fellbündel wie alle anderen und auf dem Kopf eine Kapuze aus grauem Eichhörnchenpelz, aber es war die Stimme einer Frau.

»Ich kann dem Mann helfen. Ich bin Arzt. Weißt du, was ein Arzt ist?« »Ich weiß es.« Ihre braunen Augen sahen ihn unter den Pelzfalten hervor gelassen an. Sie sagte kurz etwas in ihrer Sprache, und die anderen im Zelt traten zurück und sahen ihm zu. Rob J. nahm ein paar Äste aus dem Holzstapel und schürte das Feuer. Als er den Mann aus seiner Kleidung schälte, sah er, dass die Hüfte innerlich verdreht war. Er hob die Knie des Indianers an, bis sie ganz abgewinkelt waren, und sorgte dann mit Hilfe der Frau dafür, dass kräftige Hände den Mann am Boden festhielten. Er bückte sich und schob seine rechte Schulter unter das Knie der verletzten Seite. Dann drückte er mit aller Kraft nach oben, und mit einem deutlich hörbaren Schnappen sprang die Gelenkkugel in die Pfanne zurück. Der Indianer lag da wie tot. Während der ganzen Prozedur hatte er kaum einmal aufgestöhnt, und Rob J.

glaubte, dass er einen Schluck Whiskey mit Laudanum verdient habe. Doch beides war in seiner Satteltasche, und bevor er es holen konnte, hatte die Frau Wasser in eine Kürbisflasche gegossen, es mit einem Pulver aus einem kleinen Rehlederbeutel vermischt und es dem Mann gegeben, der es gierig trank. Sie legte ihre Hände auf die Hüfte des Mannes, sah ihm in die Augen und begann einen murmelnden Singsang in ihrer Sprache. Als Rob J. sie so sah und hörte, bekam er eine Gänsehaut. Er erkannte, dass sie die Medizinfrau des Stammes war. Oder vielleicht auch eine Art Priesterin.