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Rob J. las den Brief mit gemischten Gefühlen. Es freute ihn, dass Jay seiner Empfehlung vertraute und eines Tages sein Nachbar sein würde. Doch es erfüllte ihn auch mit stiller Verzweiflung, dass dieser Tag noch nicht in Sicht war. Er hätte viel darum gegeben, mit Jason und Lillian zusammensitzen und Musik machen zu können, die ihn tröstete und seine Seele erfreute. Die Prärie war ein riesiges stummes Gefängnis, und die meiste Zeit war er darin allein. Er beschloss, sich einen Hund zuzulegen.

Zur Zeit der Wintersonnenwende waren die Sauks wieder notleidend und hungrig. Gus Schroeder wunderte sich laut, weshalb Rob J. noch einmal zwei Sack Mais kaufen wolle, drang jedoch nicht weiter in ihn, als Rob nicht darauf einging. Die Indianer akzeptierten das Maisgeschenk wie das erstemal schweigend und ohne sichtbare Gefühlsäußerung. Er brachte Makwa-ikwa ein Pfund Kaffee und machte es sich zur Gewohnheit, sie gelegentlich zu besuchen und mit ihr am Feuer zu sitzen. Sie mischte den Kaffee mit getrockneten wilden Wurzeln, bis er nicht mehr wie das Getränk schmeckte, das er gewohnt war. Sie tranken diesen Kaffee schwarz; er war nicht gut, aber heiß, und er schmeckte irgendwie indianisch. Mit der Zeit lernten sie einander kennen. Makwa-ikwa hatte in einer Mission für Indianerkinder in der Nähe von Fort Crawford vier Jahre lang die Schule besucht. Sie konnte ein wenig lesen und hatte schon von Schottland gehört, doch seine Vermutung, dass sie Christin sei, korrigierte sie. Ihr Volk betete Sewanna, den Hauptgott, und andere Manitus an, und sie erzählte ihm von den alten Riten.

Er erkannte, dass sie vor allem Priesterin war, und das half ihr, eine gute Heilerin zu sein. Sie wusste alles über die Arzneipflanzen, die in der Gegend wuchsen, und von ihren Zeltstangen hingen Büschel getrockneter Heilkräuter. Er sah ihr einige Male zu, wie sie die Sauks behandelte. Zuerst kniete sie sich neben den kranken Indianer und spielte leise auf ihrer Trommel, die aus einem zu zwei Dritteln mit Wasser gefüllten und mit einer gegerbten, dünnen Tierhaut bespannten Tonkrug bestand. Sie rieb das Trommelfell mit einem gebogenen Stab.

Dabei entstand ein leiser, dumpf dröhnender Ton, der mit der Zeit eine einschläfernde Wirkung hatte. Dann legte sie beide Hände auf den zu heilenden Teil des Körpers und sprach zu dem Kranken in ihrer Sprache. Rob erlebte, wie sie auf diese Weise einem jungen Mann die Wirbelsäule wieder einrenkte und die Knochenschmerzen einer alten Frau linderte.

»Wie lässt du mit deinen Händen den Schmerz verschwinden?« Sie schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht erklären.« Rob J. nahm die Hände der alten Frau in die seinen. Obwohl die Schamanin ihr die Schmerzen genommen hatte, spürte er, dass ihre Lebenskräfte versiegten, und er sagte Makwa-ikwa, dass die Frau nur noch wenige Tage zu leben habe. Als er fünf Tage später wieder in das Lager der Sauks kam, war die alte Frau tot.

»Woher hast du es gewusst?« fragte Makwa-ikwa. »Der herannahende Tod... Einige aus meiner Familie können ihn spüren. Es ist eine Gabe. Ich kann es nicht erklären.«

Also glaubten sie einander einfach. Er fand sie außergewöhnlich interessant und ganz anders als alle Menschen, die er kannte. Von Anfang an herrschte eine körperlich-erotische Spannung zwischen ihnen. Meistens saßen sie an dem kleinen Feuer in ihrem Tipi, tranken Kaffee und unterhielten sich. Eines Tages versuchte er, ihr von Schottland zu erzählen, konnte aber nicht nachvollziehen, wieviel sie verstand. Immerhin hörte sie aufmerksam zu und stellte ihm hin und wieder Fragen nach wilden Tieren oder Feldfrüchten. Sie erklärte ihm die Stammesstrukturen der Sauks, und da war es an ihr, geduldig zu sein, denn er fand diese sehr kompliziert. Das Volk der Sauks war unterteilt in zwölf Stämme ähnlich den schottischen Clans, nur dass sie statt McDonald, Bruce oder Stewart folgende Namen trugen: Nama-wuck (Stör), Muc-kissou (Weißkopfadler), Pucca-hummowuck (Gelbbarsch), Macco Pennyack (Bärenkartoffel), Kiche Cumme (Großer See), Payshake-issewuck (Hirsch), Pesshe-peshewuck (Panther), Waymeco-uck (Donner), Muck-wuck (Bär), Me-seco (Schwarzbarsch), Aha-wuck (Schwan), und Muhwa-wuck (Wolf). Die Stämme lebten ohne Rivalität zusammen, doch jeder Sauk-Mann gehörte zu einer von zwei sogenannten Hälften, die miteinander in beständigem Wettstreit lagen, den Keeso-qui, den Langen Haaren, oder den Osh-Cush, den Tapferen Männern. Jeder erstgeborene Junge wurde in die Hälfte seines Vaters aufgenommen, jeder zweitgeborene wurde ein Mitglied der anderen, und so ging es abwechselnd weiter, damit die Hälftenzugehörigkeit in jedem Clan und jeder Familie etwa gleich verteilt war.

Sie wetteiferten miteinander beim Spielen, bei der Jagd, beim Kindermachen, im Vollbringen kriegerischer Heldentaten und anderer Bravourstücke. Der heftige Wettstreit sorgte dafür, dass die Sauks stark und mutig blieben, aber es gab keine Blutsfehden zwischen den Hälften. Rob J. fiel auf, dass dies ein vernünftigeres System war als jenes, das er kannte, ein viel zivilisierteres, waren doch in den vielen Jahrhunderten wüster Clansfehden Tausende von Schotten umgekommen.

Wegen der knapp bemessenen Vorräte und eines gewissen Mißtrauens gegenüber der Speisenzubereitung der Indianer vermied Rob J. es zunächst, mit Makwa-ikwa zu essen. Doch als die Jäger ein paarmal erfolgreich waren, probierte er das Essen und fand es genießbar. Er sah, dass die Sauks mehr Schmorgerichte als Braten aßen und, sofern sie die Wahl hatten, rotes Fleisch und Geflügel dem Fisch vorzogen. Makwa-ikwa erzählte ihm von Hundefestmahlen, die religiösen Charakter hatten, da die Manitus Hundefleisch sehr schätzten. Je beliebter der Hund als Haustier gewesen sei, so erklärte sie ihm, desto wertvoller sei er als Opfer bei einem solchen Hundemahl und desto wirksamer der Zauber. Rob konnte seinen Abscheu nicht verbergen. »Findet ihr es nicht befremdlich, einen Haushund zu essen?«

»Nicht so befremdlich wie Fleisch und Blut Christi zu essen.« Er war ein normaler junger Mann, und manchmal wurde er trotz der vielen Tuch- und Fellschichten, die sie beide gegen die Kälte schützten, sexuell so erregt, dass es schmerzte. Wenn sie ihm eine Tasse Kaffee gab und dabei ihre Finger sich berührten, war das für ihn wie ein Drüsenschock. Einmal hielt er ihre kalten, kantigen Hände in den seinen und erschrak über die Vitalität, die er in ihnen spürte. Er untersuchte ihre kurzen Finger, die raue, rötlichbraune Haut und die helleren Schwielen auf ihren Handflächen. Er fragte sie, ob sie ihn einmal in seiner Hütte besuchen wolle. Sie sah ihn schweigend an und zog ihre Hände zurück. Sie sagte nicht, dass sie ihn nicht besuchen wolle, aber sie kam auch nie.

Wenn Rob J. im Frühjahr zum Indianerdorf ritt, musste er den Schlammlöchern ausweichen, die überall entstanden, weil die Prärie, obwohl sie wie ein Schwamm alles aufsog, die Unmenge an Schmelzwasser nicht vollständig aufnehmen konnte. Bei einem dieser Besuche brachen die Sauks gerade ihr Winterlager ab, und er folgte ihnen sechs Meilen zu einer offenen Stelle, wo die Indianer statt ihrer gemütlichen Winter-Tipis bedonoso-te aufbauten, Langhäuser aus ineinander verflochtenen Ästen, durch die der milde Sommerwind wehen konnte. Es gab einen guten Grund für die Verlegung des Lagers: Die Sauks kannten keine sanitären Einrichtungen, und das Winterlager stank nach ihren Fäkalien. Dass sie den harten Winter überlebt hatten und jetzt ins Sommerlager zogen, hob ganz offensichtlich die Stimmung der Indianer, denn überall sah Rob J. junge Männer ringen, laufen oder »Stock und Ball« spielen, ein Spiel, das er noch nie gesehen hatte. Dazu benutzte man kräftige Holzstöcke mit einem Netz aus geflochtenen Lederstreifen an einem Ende und eine mit Wildleder überzogene Holzkugel. Im vollen Lauf schleuderte ein Spieler den Ball aus dem Netz heraus, und ein anderer fing ihn geschickt mit seinem Netz auf. Indem sie den Ball auf diese Weise von einem zum anderen weitergaben, legten sie beträchtliche Entfernungen zurück. Es war ein schnelles und ziemlich raues Spiel. Hatte ein Spieler den Ball, versuchten die Gegner ihn aus dessen Netz herauszuholen, indem sie mit ihren Stöcken nach ihm schlugen und dabei oft Körper oder Gliedmaßen des Gegners trafen. Oft stolperten die Spieler im Eifer des Gefechts oder stießen sich gegenseitig zu Boden. Als einer der vier Spieler bemerkte, wie fasziniert Rob das Spiel beobachtete, winkte er ihm und gab ihm seinen Stock.