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»Was ist denn?« fragte er, und ihn beschlich die Vorahnung, dass es nicht einfach sein würde, mit dieser Frau verheiratet zu sein.

Ihre nassen Augen strahlten. »Briefe mit der Postkutsche zu verschicken kostet zwar schrecklich viel Geld«, sagte sie. »Aber jetzt kann ich doch endlich meinem Bruder und meiner Schwester in Virginia etwas Erfreuliches berichten.«

Die Große Erweckung

Sich zur Heirat zu entschließen war einfacher als dann einen Geistlichen zu finden. Deshalb kümmerten sich die Paare im Grenzland meistens nicht groß um das förmliche Treuegelöbnis, doch Sarah weigerte sich, »verheiratet zu sein, ohne verheiratet zu sein.« Sie hatte die Fähigkeit, alles sehr unverblümt zu sagen: »Ich weiß, was es heißt, ein vaterloses Kind zu tragen und aufzuziehen, und es wird mir nie wieder passieren.«

Er verstand. Doch der Herbst war angebrochen, und er wusste, wenn erst einmal der Schnee die Prärie bedeckte, würde viele Monate lang kein Wanderprediger oder über Land reitender Priester durch Holden’s Crossing kommen. Die Lösung ihres Problems tauchte eines Tages mit einem Flugzettel auf, der eine Erweckungswoche ankündigte, und den Rob J. zufällig im Gemischtwarenladen las. »Sie nennen es die Große Erweckung von 1842. Die Woche wird in Belding Creek abgehalten. Dort müssen wir hin, Sarah, dort gibt’s genügend Priester.«

Er bestand darauf, Alex mitzunehmen, und Sarah stimmte freudig zu. Sie nahmen den Buckboard. Es war eine eineinhalbtägige Reise auf einer passierbaren, wenn auch steinigen Straße, und in der ersten Nacht schliefen sie in der Scheune eines gastfreundlichen Farmers, in der sie ihre Decken im duftenden, frischen Heu ausbreiteten.

Am nächsten Morgen verbrachte Rob J. eine halbe Stunde damit, als Gegenleistung für die Unterkunft die beiden Bullen des Farmers zu kastrieren und eine Wucherung aus der Flanke einer Kuh zu entfernen. Trotz dieser Verzögerung trafen sie vor Mittag in Belding Creek ein. Auch diese Siedlung war ziemlich neu, nur fünf Jahre älter als Holden’s Crossing, aber schon viel größer. Als sie durch den Ort fuhren, bekam Sarah große Augen. Sie drückte sich an Rob J. und hielt Alex’ Hand, denn an so viele Menschen war sie nicht gewöhnt. Die Große Erweckung von 1842 fand draußen in der Prärie in der Nähe eines schattigen Weidenwäldchens statt. Aus der ganzen Region hatte das Ereignis Leute angezogen, überall waren Zelte zum Schutz gegen die mittägliche Sonne und den Herbstwind aufgestellt. Sie sahen Wagen aller Arten und überall angebundene Pferde und Ochsen. Fliegende Händler versorgten die Menge, und die drei Reisenden aus Holden’s Crossing fuhren an Feuern mit brutzelnden und schmorenden Köstlichkeiten vorbei, deren Duft ihnen den Mund wässrig machte: Wildeintopf, Flussfischsuppe, Schweinebraten, Süßmais, geschmorter Hase. Als Rob J. das Pferd an einen Busch band - es war die frühere Margaret Holland und jetzige Vicky, die ihren Namen der Queen Victoria verdankte (»Die junge Queen hast du doch nie geritten, oder?« hatte Sarah gefragt) -, waren sie sehr hungrig, doch sie brauchten kein Geld für Essen auszugeben. Alma Schroeder hatte ihnen einen Proviantkorb mitgegeben, der für ein siebentägiges Hochzeitsmahl ausgereicht hätte, und sie labten sich an kaltem Hühnchen und Apfelküchlein.

Sie aßen schnell, denn die Aufregung hatte sie erfasst, das bunte Treiben der Menge, ihr Geschrei und ihre Gespräche. Dann nahmen sie den kleinen Jungen in die Mitte und schlenderten durch den Versammlungsort. Es waren eigentlich zwei Erweckungstreffen in einem, denn es herrschte ein ununterbrochener religiöser Wettstreit zwischen Methodisten und Baptisten, deren Prediger miteinander konkurrierten. Eine Zeitlang hörten sie einem Baptisten auf einer Lichtung des Wäldchens zu. Sein Name war Charles Prentiss Willard, und er schrie und zeterte so, dass Sarah erschauerte. Er warnte sie, dass Gott namentlich in Seinem Buch festhalte, wer des ewigen Lebens und wer des ewigen Todes teilhaftig werde. Was einen Sünder zum ewigen Tod verurteile, sagte er, sei ein unmoralisches und unchristliches Verhalten, und er nannte Beispiele: Ehebruch, das Erschießen eines christlichen Bruders, Schlägereien und Fluchen, Whiskeytrinken und das Hervorbringen illegitimer Brut.

Rob J. sah düster drein, und Sarah war zittrig und blass, als sie wieder auf die Prärie hinaustraten, um einem Methodisten zuzuhören, der Arthur Johnson hieß. Er war bei weitem kein so wortgewaltiger Redner wie Mr.

Willard, aber er sagte, dass die Rettung für jeden möglich sei, der Gutes tue, seine Sünden beichte und Gott um Vergebung bitte. Sarah nickte, als Rob J. sie fragte, ob sie nicht auch glaube, dass Mr. Johnson der Richtige für die Trauung sei. Mr. Johnson war erfreut, als Rob J. sich nach der Predigt an ihn wandte. Er beabsichtigte, die beiden vor der versammelten Gemeinde zu trauen, doch weder Rob J. noch Sarah wollten der allgemeinen Unterhaltung dienlich sein. Für drei Dollar war er einverstanden, sie etwa eine Meile außerhalb der Stadt am Ufer des Mississippi zu trauen. Dort angekommen, nahmen sie unter einem Baum Aufstellung, der kleine Junge saß daneben am Boden und sah zu, und eine sanfte, dicke Frau, die Mr. Johnson als Schwester Jane vorstellte, fungierte als Trauzeugin. »Ich habe einen Ring«, sagte Rob J. und holte das Schmuckstück aus der Tasche. Sarah riss die Augen auf, denn vom Ehering seiner Mutter hatte er ihr nichts erzählt. Ihre langen Finger waren sehr schmal, und der Ring erwies sich als zu weit. Sie hatte ihre gelben Haare mit einem dunkelblauen Band zusammengebunden, das Alma Schroeder ihr geschenkt hatte und das sie jetzt abnahm. Sie schüttelte die Haare, bis sie locker ihr Gesicht umspielten, und sagte, sie werde den Ring an dem Band um den Hals tragen, bis sie ihn enger machen lassen könne. Sie drückte Rob J. fest die Hand, während Mr. Johnson mit langjähriger Routiniertheit die Zeremonie vollzog. Rob J. wiederholte die Worte mit einer Stimme, deren Heiserkeit ihn selbst überraschte. Sarahs Stimme bebte, und sie sah beinahe ungläubig aus, so, als könne das alles eigentlich gar nicht wahr sein. Nach der Zeremonie, als sie sich anhaltend küssten, versuchte Mr. Johnson, sie zu überreden, zum Erweckungstreffen zurückzukehren, da bei den Abendversammlungen die meisten Seelen errettet würden.

Aber sie dankten ihm, verabschiedeten sich und machten sich auf den Heimweg. Der kleine Junge wurde bald übellaunig und quengelig, aber Sarah sang ihm fröhliche Lieder vor und erzählte ihm Geschichten, und sooft Rob J. das Pferd anhielt, nahm sie Alex vom Wagen und hüpfte und rannte mit ihm umher.

Sie aßen früh zu Abend, es gab Almas Rindfleisch- und Nierenpastetchen, Früchtekuchen mit Zuckerguss sowie frisches Quellwasser, und danach überlegten sie in Ruhe, welche Unterkunft sie sich für die Nacht suchen sollten. Ein paar Stunden entfernt gab es einen Gasthof, und Sarah freute sich offensichtlich auf eine Übernachtung dort, denn für so etwas hatte sie noch nie Geld gehabt. Als ihr aber Rob J. von den Wanzen und der allgemeinen Unsauberkeit in solchen Etablissements erzählte, stimmte sie sofort seinem Vorschlag zu, dieselbe Scheune aufzusuchen, in der sie in der vergangenen Nacht geschlafen hatten. Sie erreichten sie bei Einbruch der Dämmerung. Der Farmer nahm sie bereitwillig wieder auf, und sie kletterten beinahe mit dem Gefühl, als würden sie nach Hause zurückkehren, hinauf in das warme Dunkel. Erschöpft von der Anstrengung und weil er unterwegs zuwenig geschlafen hatte, fiel Alex sofort in einen tiefen Schlaf. Nachdem sie ihn gut zugedeckt hatten, breiteten sie in der Nähe eine Decke aus und fielen sich in die Arme, noch bevor sie ganz ausgezogen waren. Es gefiel ihm, dass sie nicht die Unschuldige spielte und dass ihre Leidenschaft füreinander aufrichtig und wissend war. Sie liebten sich stürmisch und laut, und danach lagen sie da und horchten, ob sie Alex aufgeweckt hatten, doch der kleine Junge schlief weiter. Er zog sie nun vollends aus und wollte sie ansehen. Da es inzwischen in der Scheune dunkel geworden war, krochen sie gemeinsam zu der kleinen Luke, durch die das Heu auf die Tenne gehievt wurde. Als er die Klappe öffnete, warf der zunehmende Mond ein Lichtrechteck in die Scheune, in dem sie sich gegenseitig betrachteten. Das Mondlicht zeigte ihm vergoldete Schultern und Arme, glänzende Brüste, einen Schamhügel wie das silbrige Nest eines kleinen Vogels, und einen gespenstisch weißen Hintern. Er hätte sie gern im Licht geliebt, doch die Luft war herbstlich frisch, und Sarah fürchtete, vom Farmer gesehen zu werden. Sie schlossen deshalb die Luke. Diesmal waren sie langsam und sehr zärtlich, und als er es in sich aufwallen spürte, rief er überschwänglich jubelnd: »Das wird unser bairn. Ja!« Das heisere Stöhnen seiner Mutter weckte den schlafenden Jungen, und er fing an zu weinen.