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Danach lagen sie da, mit Alex in ihrer Mitte. Rob J. streichelte sie und wischte ihr Halme von der Haut, und seine Fingerspitzen prägten sich ihre Konturen ein.

»Du darfst nicht sterben«, flüsterte sie.

»Keiner von uns muss das, noch sehr lange nicht.«

»Ein bairn, ist das ein Kind?«

»Ja.«

»Und du glaubst, wir haben schon eins gemacht?«

»Vielleicht?«

Er hörte sie schlucken. »Dann sollten wir es noch mal versuchen, um sicherzugehen.«

Als ihr Gatte und ihr Arzt schien ihm das ein vernünftiger Vorschlag zu sein. Auf Händen und Knien kroch er durch das duftende Heu, und das reife Schimmern der bleichen Flanken seiner Frau lockte ihn weg von dem schlafenden Sohn.

Dritter Teil. Holden’s Crossing

14. November 1841

Fluch und Segen

Ab Mitte November wurde es sehr kalt. Früh setzten heftige Schneefälle ein, und Vicky musste sich durch hohe Verwehungen kämpfen. Wenn Rob J. bei schlimmem Wetter draußen war, rief er die Stute manchmal Margaret, und sie stellte beim Klang ihres alten Namens die kurzen Ohren auf. Ross und Reiter wussten, wohin sie wollten: Auf das Pferd warteten warmes Wasser und ein voller Sack Hafer, der Mann freute sich auf seine Hütte mit all der Wärme und dem Licht, die mehr von der Frau und dem Kind kamen als von der Feuerstelle und den Öllampen. Wenn Sarah nicht schon in der Hochzeitsnacht empfangen hatte, dann kurz danach. Doch die heftige morgendliche Übelkeit konnte ihre Leidenschaft nicht dämpfen.

Ungeduldig warteten sie, bis Alex eingeschlafen war, und dann fielen sie übereinander her, mit einer Begierde, die nie nachließ. Je weiter Sarahs Schwangerschaft fortschritt, desto zärtlicher und behutsamer wurde er. Einmal im Monat nahm er Bleistift und Notizbuch, um sie nackt neben dem wärmenden Feuer zu zeichnen, Entwicklungsstadien einer Schwangeren, die nichts von ihrem wissenschaftlichen Wert verloren, nur weil Gefühle in die Zeichnungen mit einflossen. Er fertigte auch architektonische Entwürfe an, denn sie hatten sich auf ein Haus mit drei Schlafzimmern, einer großen Küche und einem Wohnzimmer geeinigt. Er zeichnete maßstabsgetreue Pläne, damit Alden zwei Zimmerleute anstellen und im Frühjähr nach der Aussaat mit dem Hausbau beginnen konnte.

Sarah sah es nicht gern, dass Makwa-ikwa an einem Aspekt des Lebens ihres Mannes teilhatte, der ihr selbst verschlossen war. Als wärmere Tage die Prärie zuerst in einen riesigen Sumpf und dann in einen zarten grünen Teppich verwandelten, kündigte sie an, wenn das Frühlingsfieber ausbreche, werde sie mit ihm gehen und die Kranken pflegen. Doch Ende April war ihr Körper bereits so unförmig, dass sie gequält von Eifersucht und von der Schwangerschaft wütend zu Hause saß, während die Indianerfrau mit dem Doktor ausritt und erst viele Stunden oder manchmal auch Tage später zurückkehrte. Erschöpft, wie Rob J. nach solchen Strapazen war, aß er nur schnell, badete wenn möglich, stahl sich ein paar Stunden Schlaf und ritt dann mit Makwa-ikwa wieder hinaus.

Bis zum Juni, Sarahs letztem Monat der Schwangerschaft, war die Fieberepidemie so weit abgeklungen, dass Rob J. Makwa-ikwa zu Hause lassen konnte. Eines Morgens, als er gerade bei heftigem Regen zu einer Farmersfrau ritt, die im Sterben lag, kam zu Hause in seiner Hütte seine Frau nieder. Makwa-ikwa steckte Sarah das Beißholz zwischen die Zähne, band ein Seil an der Tür fest und gab ihr das verknotete Ende in die Hand, damit sie daran ziehen konnte. Es dauerte Stunden, bis Rob J. seinen Kampf gegen die brandigen Wundrosen verlor - wie er später Oliver Wendeil Holmes in einem Brief berichten sollte, war die tödliche Krankheit Folge einer vernachlässigten Verletzung am Finger, die sich die Frau beim Saatkartoffelstecken zugezogen hatte -, doch als er nach Hause zurückkehrte, war sein Kind noch immer nicht geboren. Die Augen Sarahs funkelten wild. »Es reißt mir den Körper auseinander. Mach, dass es aufhört, du Saukerl!« fauchte sie ihn an, kaum dass er durch die Tür trat. Als Holmes’ gelehriger Schüler schrubbte er seine Hände, bis sie rot waren, bevor er sich seiner Frau näherte. Nachdem er sie untersucht hatte, nahm er Makwa-ikwa zur Seite. »Das Kind kommt sehr langsam«, sagte sie. »Das Kind kommt mit den Füßen zuerst.«

Ihr Blick verschattete sich, doch sie nickte und kehrte zu Sarah zurück. Die Wehen ließen nicht nach. Mitten in der Nacht zwang er sich, Sarahs Hände in die seinen zu nehmen, denn er fürchtete sich vor dem, was sie ihm sagen mochten. »Was ist?« fragte sie mit belegter Stimme. Er spürte ihre Lebenskraft, wenn auch vermindert, doch unauslöschlich in ihr verwurzelt. Er flüsterte ihr Liebesworte zu, doch sie hatte zu starke Schmerzen, um auf Worte oder Küsse zu reagieren. Es dauerte und dauerte. Sie stöhnte und schrie. Er ertappte sich dabei, wie er betete, doch dann bekam er es mit der Angst zu tun, weil er, ungläubig wie er war, von Gott nichts verlangen konnte, und er fühlte sich zugleich arrogant und heuchlerisch: Wenn ich unrecht habe und Du existierst, dann bestrafe mich, aber bitte nicht, indem Du dieser

Frau etwas tust. Oder diesem Kind, das sich so abmüht, in die Welt zu kommen, fügte er hastig hinzu. Kurz vor Tagesanbruch zeigten sich kleine, rote Extremitäten, große Füße für ein Neugeborenes mit der richtigen Anzahl Zehen. Rob flüsterte aufmunternd, erzählte dem Kleinen, dass das ganze Leben ein Kampf sei. Zentimeter um Zentimeter schoben sich Beine heraus, strampelnde, lebendige Beine, wie er erfreut feststellte.

Dann der süße kleine Penis eines Jungen. Hände, die richtige Anzahl Finger. Ein gut entwickeltes Baby. Doch die Schultern steckten fest, er musste Sarah schneiden, ihr noch mehr Schmerzen zufügen. Das kleine Gesicht drückte gegen die Scheidenwand. Aus Angst, der Junge könne im mütterlichen Fleisch ersticken, schob er zwei Finger hinein und dehnte den Geburtskanal, bis das entrüstet blickende kleine Gesicht in das Chaos des Lebens plumpste und sofort einen dünnen Schrei ausstieß.

Mit zitternden Händen band er die Nabelschnur ab, durchtrennte sie und nähte dann seine schluchzende Frau.

Als er ihr schließlich über den Bauch strich, damit die Gebärmutter sich zusammenziehe, hatte Makwa-ikwa den Kleinen bereits gewaschen, gewickelt und der Mutter an die Brust gelegt. Dreiundzwanzig schwere Stunden hatten die Wehen gedauert, und jetzt schlief Sarah lange und wie eine Tote. Er hielt ihre Hand fest in den seinen, bis sie die Augen wieder aufschlug. »Gute Arbeit!« sagte er.

»Er ist so groß wie ein Büffel. Ungefähr so groß, wie Alex war«, erwiderte sie heiser. Als Rob J. ihn wog, zeigte die Waage sieben Pfund und vierhundertvierzig Gramm. »Ein gutes bairn?« fragte sie, musterte sein Gesicht und grinste, als er sagte, es sei ein Teufelsbraten. »Ein verflucht gutes bairn.«

Dann brachte er seine Lippen an ihr Ohr. »Weißt du noch, was du mich gestern genannt hast?« flüsterte er. »Was denn?«

»Einen Saukerl.«

»Nie!« rief sie entsetzt und wütend und wollte fast eine Stunde lang nicht mehr mit ihm reden.

Robert Jefferson Cole, so nannten sie den Jungen, weil in der Cole-Familie jeder erstgeborene Junge den Taufnamen Robert erhielt und einen zweiten Namen, der mit J begann. In Robs Augen war der dritte amerikanische Präsident ein Genie gewesen, und Sarah sah in dem Namen Jefferson eine Verbindung zu Virginia. Sie hatte befürchtet, dass Alex eifersüchtig sein werde, aber der ältere Junge zeigte nichts anderes als Faszination. Er war nie weiter als ein oder zwei Schritte von seinem Bruder entfernt und passte immer auf ihn auf. Von Anfang an machte er deutlich, dass sie getrost das Baby pflegen, ihm die Windeln wechseln, mit ihm spielen, es küssen und liebkosen konnten; seine Aufgabe aber war es, auf den Kleinen aufzupassen. In vieler Hinsicht erwies sich 1842 als ein gutes Jahr für die kleine Familie. Für den Hausbau hatte Alden Otto Pfersick, den Müller, und einen Siedler aus dem Staat New York namens Mort London angeheuert. London war ein guter, erfahrener Zimmermann. Pfersick hatte zwar für die Holzarbeiten nicht die geschicktesten Hände, dafür aber für das Mauern, und die drei Männer brachten Tage damit zu, am Fluss die besten Steine auszusuchen und sie mit Ochsen zum Bauplatz hochzukarren. Die Grundmauern, der Schornstein und die Feuerstellen wurden stattlich und solide. Die Männer arbeiteten langsam, denn es war ihnen bewusst, dass sie in einem Land der Holzhütten etwas Dauerhaftes bauten. Doch als bei Herbstbeginn Pfersick in seine Mühle und die beiden anderen Männer zur Farmarbeit mussten, waren die Wände hochgezogen und die Dachflächen gedeckt. Aber das Haus war noch lange nicht fertig, und deshalb saß Sarah vor der Hütte und putzte gerade grüne Bohnen, als ein gedeckter Planwagen hinter zwei müde aussehenden Pferden den Weg entlangschaukelte. Sie musterte den stattlichen Mann auf dem Kutschbock und entdeckte ein freundliches Gesicht und viel Straßenstaub auf den dunklen Haaren und dem Bart.