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»Ist das vielleicht das Haus von Doktor Cole, Ma’am?«

»Das ist es - nicht nur vielleicht. Aber er ist unterwegs zu einem Hausbesuch. Ist der Patient verletzt oder schwer krank?«

»Wir haben keinen Patienten, dem Herrn sei Dank! Wir sind Freunde des Doktors, die sich hier niederlassen wollen.« Bei diesen Worten lugte eine Frau hinten aus dem Wagen heraus. Sarah sah ein blasses, ängstliches Gesicht unter einem ungestärkten Häubchen. »Sie sind doch nicht... Sind Sie vielleicht die Geigers?«

»Das sind wir- nicht nur vielleicht.« Der Mann hatte schöne Augen, und sein herzhaftes, freundliches Lächeln ließ ihn noch größer erscheinen.

»Ach, wir haben euch so erwartet, Nachbarn! Jetzt aber schnell herunter von diesem Wagen!« Vor Aufregung verschüttete Sarah die Bohnen, als sie von der Bank aufstand. Drei Kinder befanden sich noch hinten auf dem Wagen. Das Kleinste, Hermann, schlief, doch Rachel, die schon beinahe vier war, und der zweijährige David schrien, als man sie herunterhob, und Sarahs Baby stimmte, ohne lang zu zögern, in den Chor mit ein.

Sarah fiel auf, dass Mrs. Geiger gut zehn Zentimeter größer war als ihr Gatte, und nicht einmal die Erschöpfung der langen, beschwerlichen Reise konnte verdecken, wie fein geschnitten und anmutig ihre Züge waren. Als Mädchen aus Virginia hatte Sarah einen Blick für dergleichen. Zwar hatten die Züge der Ankommenden eine exotische Note, die Sarah noch nie gesehen hatte, doch sie begann sich sofort nervös Gedanken darüber zu machen, welches Essen sie ihnen vorsetzen konnte, das ihr keine Schande machen würde. Dann sah sie, dass Lillian weinte, und ihre eigene schier unendlich lange Reise in einem solchen Wagen fiel ihr wieder ein. Sie nahm die Frau in die Arme und merkte erstaunt, dass sie nun auch weinte, während Geiger recht verwirrt inmitten weinender Frauen und Kinder stand. Schließlich löste sich Lillian aus Sarahs Armen und flüsterte verlegen, dass ihre ganze Familie dringend einen geschützten Bach brauche, um sich zu waschen. »Dieses Problem können wir sofort lösen«, sagte Sarah und fühlte sich stark und mächtig.

Als Rob J. nach Hause kam, waren die Haare der Geigers noch nass vom Bad im Fluss. Als all das Händeschütteln und Rückenklopfen vorbei war, hatte er Gelegenheit, seine Farm einmal mit den Augen eines Neuankömmlings zu sehen. Jay und Lillian waren erschrocken über die Indianer und beeindruckt von Aldens Fähigkeiten. Jay war sofort einverstanden, als Rob vorschlug, Vicky und Bess, die ehemalige Monica Grenville, zu satteln und zu dem Land zu reiten, das den Geigers gehören sollte. Gerade rechtzeitig zu einem köstlichen Abendessen kehrten die beiden zurück, und Jay Geigers Augen strahlten vor Glück, als er seiner Frau die Vorzüge des Landes zu beschreiben versuchte, das Rob J. für sie erworben hatte. »Du wirst schon sehen! Warte nur, bis du es siehst!« sagte er. Nach dem Essen ging er zu seinem Wagen und kam mit der Fiedel zurück. Das Tafelklavier von Babcock hätten sie nicht mitnehmen können, sagte er, aber seine Frau habe es an einem sicheren, trockenen Ort in Verwahrung gegeben und hoffe, es sich eines Tages nachschicken lassen zu können.

»Hast du den Chopin gelernt?« fragte er, und als Antwort nahm Rob J. die Gambe zwischen die Knie und spielte die ersten satten Töne der Mazurka. Die Musik, die er und Jay damals in Ohio hervorgebracht hatten, war klangvoller gewesen, da Lillian mit dem Piano ihren Teil dazu beigetragen hatte, doch auch jetzt harmonierten die Fiedel und die Gambe hervorragend. Als Sarah die Hausarbeit beendet hatte, setzte sie sich zu den dreien und lauschte. Ihr fiel auf, dass Mrs. Geiger, während die Männer spielten, ihre Finger bewegte, als würden sie Tasten berühren. Sie wollte Lillians Hand fassen und sie mit Worten und Versprechungen trösten, saß dann aber einfach nur neben ihr auf dem Boden und hörte zu, wie die Musik an- und abschwoll und ihnen allen Trost und Hoffnung schenkte.

Solange Jason Geiger Bäume für eine Hütte fällte, campierte die Familie neben einer Quelle auf ihrem eigenen Land. Sie waren so fest entschlossen, sich den Coles nicht aufzudrängen, wie Sarah und Rob entschlossen waren, ihnen Gastfreundschaft zu gewähren. Man besuchte sich häufig gegenseitig. Als sie an einem kühlen Abend um das Lagerfeuer der Geigers saßen, begannen draußen in der Prärie Wölfe zu heulen, und Jay entlockte seiner einfachen Geige ein ähnlich langgezogenes, bebendes Heulen. Es wurde erwidert, und eine Zeitlang hielten der Mensch und die unsichtbaren Tiere Zwiesprache, bis Jason bemerkte, dass seine Frau nicht nur wegen der Kälte zitterte. Er legte die Fiedel weg und warf ein neues Holzscheit ins Feuer. Jason war kein erfahrener Zimmermann. So verzögerte sich die Vollendung des Cole-Hauses erneut, denn sobald Alden neben der Farmarbeit dazu Zeit fand, begann er, den Geigers eine Hütte zu bauen. Bald kamen auch Otto Pfersick und Mort London dazu, um ihm zu helfen. In kurzer Zeit hatten die drei Männer eine gemütliche Hütte errichtet, und sie bauten noch einen Schuppen an, der als Lager für die Kräuter und Arzneien aus Jays Wagen dienen sollte. Jay nagelte eine kleine Blechröhre an den Türstock, die eine Pergamentrolle mit Sprüchen aus dem Deuteronomium enthielt, ein jüdischer Brauch, wie er sagte, und am 18. November bezog die Familie ihre Hütte, wenige Tage bevor aus Kanada schneidende Kälte herunterzog.

Zwischen dem Anwesen der Coles und Geigers Hütte rodeten Jason und Rob J. einen Pfad durchs Gehölz. Sie nannten ihn bald den Langen Weg, um ihn von dem Kurzen Weg zu unterscheiden, den Rob schon früher zwischen dem Haus und dem Fluss angelegt hatte. Nun konnten sich die Bauleute wieder dem Haus der Coles widmen. Da sie den ganzen Winter für die Innenausstattung Zeit hatten, zündeten sie in den Kaminen ein Feuer aus Sägespänen an und machten sich frohen Mutes an die Arbeit. Sie schnitten Simse und Wandvertäfelungen aus Eichenkanthölzern und brachten Stunden damit zu, Magermilchfarbe zu mischen, bis sie genau die Tönung hatte, die Sarah wollte. Der Büffel-Sumpf in der Nähe des Bauplatzes war zugefroren, und manchmal unterbrach Alden die Arbeit, schnallte sich Kufen an die Stiefel und führte seine Fertigkeiten als Eisläufer vor, die er in seiner Kindheit in Vermont gelernt hatte. Rob J. war in Schottland jeden Winter Schlittschuh gelaufen und hätte sich gern Aldens Kufen geborgt, aber sie waren viel zu klein für seine großen Füße. Drei Wochen vor Weihnachten fiel der erste Schnee. Der Wind trieb ihn wie weißen Rauch vor sich her, und die winzigen Kristalle brannten auf der Haut. Später fielen große, schwerere Flocken, die die Welt in Weiß erstickten, und so blieb es auch. Mit wachsender Aufregung plante Sarah ihr Weihnachtsessen und besprach mit Lillian althergebrachte Rezepte aus Virginia. Dabei entdeckte sie erste Unterschiede zwischen ihrer Familie und der der Geigers, denn Lillian teilte die Aufregung über das bevorstehende Fest nicht. Sarah war sehr erstaunt, als sie erfuhr, dass ihre neuen Nachbarn die Geburt Christi nicht feierten und statt dessen ein höchst eigenartiges Andenken an irgendeine urzeitliche Schlacht im Heiligen Land pflegten, indem sie Kerzen anzündeten und Kartoffelpfannkuchen buken. Trotzdem schenkten die Geigers den Coles etwas zu Weihnachten, Pflaumenmarmelade, die sie aus Ohio mitgebracht hatten, und warme Socken, die Lillian für alle gestrickt hatte.