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Der Patient rührt sich nicht.

Auf der Galerie herrscht absolutes Schweigen. Noch das leiseste Seufzen oder Aufstöhnen wäre zu hören.

Darren macht sich wieder an die Arbeit. Er setzt einen zweiten Schnitt, dann einen dritten. Sorgfältig und schnell entfernt er den Tumor, kratzt die Wunde aus, vernäht sie und drückt einen Schwamm auf die Zunge, um die Blutung zu unterbinden.

Der Patient schläft. Der Patient schläft! Warren richtet sich auf. Auch wenn Sie es mir nicht glauben, Rob, aber die Augen dieses selbstherrlichen Zynikers waren feucht! »Gentlemen«, sagte er. »Das ist kein Humbug.« Die Entdeckung von Äther als Betäubungsmittel in der Chirurgie ist in der medizinischen Presse von Boston veröffentlicht worden. Unser Holmes, wie immer in vorderster Reihe mit dabei, hat bereits vorgeschlagen, die Anwendung »Anästhesie« zu nennen, nach dem griechischen Wort für Empfindungslosigkeit.

Geigers Apotheke führte Äther nicht.

»Aber ich bin kein ungeschickter Chemiker«, sagte Jay nachdenklich. »Ich kann ihn herstellen, wahrscheinlich.

Dazu muss ich Äthylalkohol mit Schwefelsäure destillieren. Meinen metallenen Destillierkolben kann ich dazu allerdings nicht benutzen, den würde die Säure durchfressen. Aber ich habe noch eine Glasspirale und eine große Flasche.« Als sie seine Regale absuchten, fanden sie jede Menge Alkohol, aber keine Schwefelsäure.

»Kannst du auch Schwefelsäure herstellen?« fragte ihn Rob. Geiger kratzte sich am Kinn, die Sache machte ihm offensichtlich Spaß. »Dazu muss ich Schwefel mit Sauerstoff verbinden. Ich habe genügend Schwefel, aber der chemische Prozess ist ein bisschen kompliziert. Wenn man Schwefel oxidiert, erhält man zunächst Schwefeldioxid. Ich muss dann das Schwefeldioxid noch mal oxidieren, um Schwefelsäure zu erhalten. Aber...

klar, warum eigentlich nicht?« Wenige Tage später hatte Rob J. einen Vorrat an Äther. Harry Loomis hatte ihm beschrieben, wie man aus Draht und Stoffstreifen eine Äthermaske anfertigt. Zunächst probierte Rob J. das Gas an einer Katze aus, die zweiundzwanzig Minuten besinnungslos blieb. Dann raubte er einem Hund für über eine Stunde das Bewusstsein und erkannte an dieser langen Zeitspanne, dass Äther ein gefährlicher Stoff und mit Vorsicht anzuwenden ist. Zum Abschluss gab er das Gas einem männlichen Lamm vor der Kastration, und die Hoden wurden entfernt, ohne dass das Tier ein einziges Mal blökte. Schließlich wies er Geiger und Sarah in die Benutzung des Äthers ein, und sie verabreichten ihm das Gas. Er blieb nur ein paar Minuten bewusstlos, da sie vor Nervosität zu spärlich dosierten, aber es war trotzdem eine einzigartige Erfahrung.

Einige Tage später geriet Gus Schroeder, der ohnehin nur noch achteinhalb Finger hatte, mit dem Zeigefinger seiner guten, der rechten Hand, unter einen schweren Stein und zerquetschte ihn sich. Rob gab ihm Äther, und Gus wachte mit siebeneinhalb Fingern wieder auf und fragte, wann die Operation beginne.

Rob war überwältigt von den neuen Möglichkeiten, er kam sich vor, als sei ihm ein Blick in die endlosen Weiten hinter den Sternen gewährt worden, und er erkannte, dass der Äther noch wertvoller war als seine Gabe. Diese Gabe besaßen nur wenige Mitglieder seiner Familie, aber mit dem Äther konnte von nun an jeder Arzt der Welt operieren, ohne dem Patienten mörderische Schmerzen zuzufügen. Mitten in der Nacht ging Sarah in die Küche hinunter und sah ihren Mann allein am Tisch sitzen. »Geht es dir gut?« Er betrachtete nachdenklich die farblose Flüssigkeit in der Glasflasche. »Wenn ich das gehabt hätte, Sarah, dann hätte ich dir damals bei den Operationen nicht so weh getan.«

»Du hast es auch so sehr gut gemacht. Du hast mir das Leben gerettet, das weiß ich ganz genau.«

»Dieses Zeug« - er hielt die Flasche in die Höhe; für sie sah es nicht anders aus als Wasser - »wird viele Leben retten. Es ist ein Schwert gegen den Schwarzen Ritter.«

Sarah mochte es nicht, wenn er vom Tod wie von einer Person sprach, die jeden Augenblick die Tür öffnen und ihr Haus betreten konnte. Sie verschränkte die weißen Arme vor ihren schweren Brüsten und fröstelte in der nächtlichen Kühle. »Komm ins Bett, Rob J.«, sagte sie. Tags darauf begann Rob, den Ärzten der Gegend zu schreiben und sie zu einer Konferenz einzuladen. Sie fand einige Wochen später in einem Zimmer über der Futtermittelhandlung in Rock Island statt. In der Zwischenzeit hatte Rob J. den Äther noch dreimal benutzt.

Sieben Ärzte und Jason Geiger saßen beisammen und hörten, was Loomis geschrieben und was Rob J. aus eigener Erfahrung zu berichten hatte. Die Reaktionen schwankten zwischen großem Interesse und unverhüllter Skepsis. Zwei der Anwesenden bestellten bei Jay Äther und Betäubungsmasken. »Das ist doch bloß ‘ne Modeerscheinung«, sagte Dr. Thomas Beckermann, »wie dieser Unsinn mit dem Händewaschen.« Ein paar der Ärzte lächelten, denn jeder wusste von Rob J.s ausführlichem Gebrauch von Seife und Wasser. »Die Krankenhäuser in den Großstädten können sich vielleicht mit so was abgeben. Aber kein Arzt aus Boston soll uns erzählen, wie wir hier im Westen Medizin zu praktizieren haben.«

Die anderen Ärzte waren taktvoller als Beckermann. Tobias Barr meinte, er halte viel von einem solchen Gedankenaustausch unter Kollegen, und regte die Gründung einer Rock Island Medical Society an. Die Anregung wurde aufgenommen und Dr. Barr zum Präsidenten dieser Ärztevereinigung gewählt. Rob J. wurde zum korrespondierenden Sekretär ernannt, eine Ehre, die er nicht ablehnen konnte, da alle Anwesenden ein Amt oder den Vorsitz eines Ausschusses, den Tobias Barr als höchst wichtig bezeichnete, erhielten.

In diesem Jahr kam es unerwartet im Herbst zu einer Epidemie, obwohl doch die kühle Luft für Lebenskraft und gute Gesundheit hätte sorgen sollen. In der ersten Oktoberwoche brach in acht Familien eine Krankheit aus, die Rob J. nicht diagnostizieren konnte. Es war von galligem Auswurf begleitetes Fieber, wie es eigentlich für Typhus typisch war, doch Rob J. vermutete, dass es sich nicht um Typhus handelte. Als man ihm dann täglich mindestens einen neuen Fall meldete, wusste er, dass es wieder einmal soweit war. Er wollte schon zum Langhaus gehen, um Makwa-ikwa zu sagen, sie solle sich fertig machen, änderte jedoch die Richtung und betrat die Küche seines Hauses.

»In der Gegend ist ein schlimmes Fieber ausgebrochen, das sich mit Sicherheit weiter ausbreiten wird. Kann sein, dass ich wochenlang unterwegs bin.«

Sarah nickte ernst, als Zeichen, dass sie verstand. Als er sie fragte, ob sie mit ihm kommen wolle, kam so schlagartig Leben in ihr Gesicht, dass seine Zweifel verschwanden.

»Aber du wirst dann die Jungen nicht sehen«, warnte er sie.

»Makwa wird sich um sie kümmern, solange wir weg sind. Sie kann das wirklich gut«, sagte Sarah.

Noch am selben Nachmittag brachen sie auf. In einem so frühen Stadium einer Epidemie ritt Rob gewöhnlich zu jedem Haus, von dem er wusste, dass die Krankheit ausgebrochen war, denn er wollte versuchen, das Feuer zu löschen, bevor es zu einem Großbrand wurde. Er sah, dass jeder neue Fall mit den gleichen Symptomen begann: mit plötzlich erhöhter Temperatur oder einem entzündeten Hals und darauf folgendem Fieber. Für gewöhnlich kam sehr früh Durchfall und grünlichgelber Galleauswurf dazu. Im Mund jedes Patienten bildeten sich kleine Bläschen, unabhängig davon, ob die Zunge trocken oder feucht, schwärzlich oder weiß belegt war.

Wenn sich innerhalb einer Woche keine weiteren Symptome zeigten, wusste Rob J., dass der Tod bevorstand.

Kamen jedoch heftige Schüttelfröste und Gliederschmerzen hinzu, wie es oft der Fall war, schien eine Genesung wahrscheinlich. Auch Furunkel und andere Abszesse, die gegen Ende des Fiebers auftraten, waren günstige Zeichen. Er hatte keine Ahnung, wie er die Krankheit behandeln sollte. Da früh auftretender Durchfall häufig das Fieber senkte, versuchte er diesen in einigen Fällen mit Abführmitteln herbeizuführen. Wenn die Patienten Schüttelfrost bekamen, gab er ihnen Makwa-ikwas Pflanzentonikum mit etwas Alkohol versetzt, um sie zum Schwitzen zu bringen, dazu legte er ihnen blasenziehende Senfpflaster auf. Bald nach Ausbruch der Epidemie trafen er und Sarah Thomas Beckermann, der ebenfalls zu Fieberpatienten ritt.