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Rob J. schüttelte den Kopf. »Es ist wie verhext. Shaman, der nie Arzt werden kann, weil er taub ist, ist derjenige, der mich immer bei meinen Hausbesuchen begleiten will. Alex dagegen, dem einmal alle Türen offenstehen, wenn er erwachsen ist, folgt lieber Alden Kimball wie ein Schatten über die Farm. Er sieht lieber dem Knecht beim Einschlagen von Zaunpfosten oder beim Kastrieren der Lämmer zu als mir bei meiner Arbeit.«

Jay lachte. »Aber das würdest du doch auch - in seinem Alter, oder? Vielleicht bewirtschaften die Brüder die Farm einmal gemeinsam. Sie sind beide ordentliche Jungen.«

Im Haus übte Lillian das Klavierkonzert Nummer dreiundzwanzig in A-Dur von Mozart. Sie nahm ihre Fingerübungen sehr ernst, und es war nervenaufreibend, sie immer wieder die gleiche Passage spielen zu hören, bis sie genau den richtigen Ausdruck und die richtige Klangfarbe hatte. War sie dann aber zufrieden und ließ die Töne laufen, war es die schönste Musik. Das Babcock-Piano war wohlbehalten eingetroffen, allerdings störte ein langer, flacher Kratzer die polierte Perfektion eines der schlanken Nussholzbeine. Lillian hatte geweint, als sie es sah, doch ihr Gatte sagte, der Kratzer werde nie ausgebessert werden, »damit er noch unsere Enkel daran erinnert, wie wir hierher gekommen sind«.

Die Kirche von Holden’s Crossing wurde so spät im Juni eingeweiht, dass die Feierlichkeiten direkt in die zum Unabhängigkeitstag übergingen. Sowohl der Kongressabgeordnete Stephen Hume wie Nick Holden, der Kandidat für dieses Amt, sprachen bei der Einweihung. Hume wirkte auf Rob J. entspannt und selbstsicher, während Nick den Eindruck eines Mannes erweckte, der sich verzweifelt bewusst ist, dass er kaum noch gewinnen kann.

Am Sonntag nach dem Fest hielt ein Wanderprediger - der erste von vielen, die den Ort aufsuchen sollten - den Gottesdienst ab. Sarah gestand Rob J., dass sie nervös sei, und er wusste, dass sie an den Baptistenprediger dachte, der damals bei der Großen Erweckung Frauen mit unehelichen Kindern das Höllenfeuer prophezeit hatte.

Ein sanftmütigerer Hirte wie etwa Arthur Johnson, der Methodistenprediger, der sie getraut hatte, wäre ihr lieber gewesen, doch die Geistlichen wurden von der gesamten Gemeinde ausgewählt. So kamen den ganzen Sommer lang Prediger jeder Art nach Holden’s Crossing. Rob besuchte in Begleitung seiner Frau einige Gottesdienste, doch meistens blieb er weg.

Im August kündigte ein Flugblatt an der Vorderfront des Gemischtwarenladens den Besuch eines gewissen Ellwood R. Patterson an, der am Samstag, den zweiten September, um neunzehn Uhr einen Vortrag mit dem Titel »Die Flut, die die Christenheit bedroht« halten und am Sonntagvormittag den Gottesdienst feiern und predigen würde. Am Vormittag dieses Septembertages kam ein fremder Mann in Rob J.s Praxis. Er saß geduldig im kleinen Wohnzimmer, das als Warteraum diente, während Rob sich um den Ringfinger von Charley Haskins rechter Hand kümmerte, den er zwischen zwei Baumstämmen eingeklemmt hatte. Der zwanzigjährige Sohn des Ladenbesitzers war Holzfäller von Beruf. Er hatte starke Schmerzen und ärgerte sich über seine Unachtsamkeit, die zu dem Unfall geführt hatte, aber er hatte ein loses Mundwerk und ließ sich durch nichts bremsen. »Na, Doc, werd’ ich deswegen nicht mehr heiraten können?«

»Nach einer Weile wird der Finger wieder sein wie eh und je«, erwiderte Rob trocken. »Du wirst den Nagel verlieren, aber der wächst wieder nach. Und jetzt raus hier! Aber komm in drei Tagen wieder, damit ich den Verband wechseln kann!« Noch immer lachend, bat er dann den Mann aus dem Wartezimmer herein, der sich als Ellwood Patterson vorstellte. Der Wanderprediger, dachte Rob, der den Namen von dem Flugblatt her kannte. Er sah einen etwa vierzigjährigen Mann vor sich, übergewichtig, aber aufrecht und straff in der Haltung, mit einem großflächigen, arroganten Gesicht, langen schwarzen Haaren, leicht geröteter Haut und kleinen, aber deutlich hervortretenden blauen Adern auf Nase und Wangen. Mr. Patterson sagte, dass er an Geschwüren leide. Er entblößte den Oberkörper, und Rob J. sah auf seiner Haut die Pigmentflecken verheilter Stellen und dazwischen ein Dutzend offene Wunden, Pusteln, schorfige und granulierte Bläschen und weiche, gummiartige Geschwüre.

Er sah den Mann mitfühlend an. »Wissen Sie, dass Sie an einer Infektion leiden?«

»Man hat mir gesagt, dass es Syphilis ist. Im Saloon haben sie erzählt, dass Sie ein besonderer Arzt sind. Und da hab’ ich mir gedacht, ich schau’ mal, ob Sie was für mich tun können.«

Vor drei Jahren habe eine Hure in Springfield es ihm französisch besorgt, und er habe daraufhin einen harten Schanker und Schwellungen hinter den Hoden bekommen, erzählte er Rob. »Ich bin dann noch einmal zu ihr zurück. Die steckt keinen mehr an.« Einige Monate später hätten ihn Fieber und kupferfarbene Beulen sowie heftige Schmerzen in den Gelenken und im Kopf gequält. Die Symptome seien von selbst wieder verschwunden, und er habe schon geglaubt, er sei wieder gesund, doch dann seien diese Beulen und Knötchen aufgetaucht.

Rob schrieb seinen Namen auf ein Patientenblatt und daneben: Syphilis im dritten Stadium. »Woher kommen Sie, Sir?«

»...aus Chicago.«

Das kurze Zögern weckte in Rob J. den Verdacht, dass sein Patient log. Doch das war gleichgültig. »Dafür gibt es kein Heilmittel, Mr. Patterson.«

»Hm... Und was passiert jetzt?«

Ihm die Wahrheit vorzuenthalten brachte den Mann auch nicht weiter. »Wenn die Krankheit Ihr Herz angreift, sterben Sie. Wenn sie ins Gehirn geht, werden Sie wahnsinnig. Und wenn sie in Knochen und Gelenke eindringt, werden Sie zum Krüppel. Aber oft passiert nichts von diesen schrecklichen Dingen. Manchmal verschwinden die Symptome und kehren nicht mehr zurück. Sie können nur hoffen, dass Sie zu den Glücklicheren gehören.«

Patterson verzog das Gesicht. »Bis jetzt sieht man die Geschwüre noch nicht, solange ich angezogen bin.

Können Sie mir etwas geben, damit sie sich nicht im Gesicht und am Hals ausbreiten? Ich führe ein Leben in der Öffentlichkeit.«

»Ich kann Ihnen eine Salbe verkaufen. Aber ich weiß nicht, ob sie bei dieser Art von Geschwüren hilft«, erwiderte Rob sanft, und Mr. Patterson nickte und griff nach seinem Hemd.

Am nächsten Morgen kurz nach Sonnenaufgang kam ein barfüßiger Junge in zerrissenen Hosen auf einem Maulesel auf den Hof geritten und sagte, seiner Mammy gehe es sehr schlecht, ob der Doktor nicht kommen könne? Es war Malcolm Howard, der älteste Sohn einer Familie, die wenige Monate zuvor aus Louisiana in die Gegend gekommen war und sich in der Niederung sechs Meilen Flussabwärts angesiedelt hatte. Rob sattelte Vicky und folgte dem Maulesel über holprige Wege zu einer Hütte, die kaum besser war als der Hühnerstall, der an ihr lehnte. Drinnen lag Mollie Howard in ihrem Bett, um das ihr Mann Julian und ihre Kinder standen. Die Frau steckte mitten in einem Malariaanfall, aber Rob sah sofort, dass es nichts Bedrohliches war. Ein paar aufmunternde Worte und eine kräftige Dosis Chinin linderten die Angst der Patientin und die der Familie. Julian Howard machte keinerlei Anstalten zu bezahlen, und Rob J. verlangte auch nichts, da er sah, wie wenig die Familie hatte. Howard folgte ihm nach draußen und verwickelte ihn in ein Gespräch über den letzten Erfolg ihres Senators, Stephen A. Douglas. Der hatte vor kurzem den Kansas-Nebraska-Act durch den Kongress gebracht, der im Westen zwei neue Territorien begründete. Nach Douglas’ Gesetzesvorlage blieb es den Territorialregierungen überlassen, ob sie in ihrem Gebiet Sklaverei zuließen oder nicht, und deshalb regte sich im Norden heftiger Protest gegen das Gesetz.