Alle waren mit Feuereifer bei der Sache. Anstatt des üblichen Holzpflasterbodens wurde ein Bretterboden eingezogen, für den die Stämme sechs Meilen bis zum Sägewerk geschleppt werden mussten. Entlang der einen Wand wurde ein langes Brett befestigt, das als gemeinschaftlicher Schreibtisch dienen sollte, und davor stellte man eine lange Bank, so dass die Schüler beim Schreiben mit dem Gesicht zur Wand sitzen und sich dann umdrehen und beim Lesen den Lehrer ansehen konnten.
Man beschloss, dass das Schuljahr jeweils nach der Ernte beginnen und in drei Abschnitte von jeweils zwölf Wochen unterteilt sein sollte. Der Lehrer sollte pro Abschnitt neunzehn Dollar sowie freie Kost und Logis erhalten. Das Gesetz schrieb vor, dass ein Lehrer in Lesen, Schreiben und Rechnen qualifiziert sein musste, in Geographie, Grammatik oder Geschichte zumindest bewandert. Viele Bewerber für den Posten gab es nicht, denn das Gehalt war niedrig, und die Schwierigkeiten waren groß, doch schließlich konnte die Versammlung Marshall Byers anstellen, einen Cousin des Schmieds Paul Williams. Mr. Byers war ein schlanker junger Mann von einundzwanzig Jahren mit vorstehenden Augen, der, bevor er nach Illinois gekommen war, in Indiana unterrichtet hatte und deshalb wusste, was es hieß, jede Woche bei der Familie eines anderen Schülers Unterkunft zu finden. Sarah gestand er, er sei froh, auf einer Schaffarm unterzukommen, da er Lamm und Karotten lieber esse als Schweinefleisch und Kartoffeln. »Wenn es sonst irgendwo Fleisch gibt, dann ist es immer Schwein mit Kartoffeln, Schwein mit Kartoffeln«, sagte er. Rob J. grinste ihn an. »Dann werden Sie sich bei den Geigers wohl fühlen«, sagte er. Rob J. war von dem Lehrer nicht sonderlich begeistert. Es lag etwas Hinterhältiges in der Art, wie er Mond und Sarah verstohlen musterte und Shaman anstarrte, als wäre der Junge ein Krüppel.
»Ich freue mich schon, Alexander in meiner Schule zu haben«, sagte Mr. Byers.
»Auch Shaman freut sich schon auf die Schule«, entgegnete Rob J. ruhig.
»Aber das wird wohl kaum gehen. Der Junge kann nicht normal sprechen. Und wie soll ein Kind, das nichts hört, in der Schule etwas lernen?«
»Er liest von den Lippen ab. Und er begreift sehr schnell, Mr. Byers.« Mr. Byers runzelte die Stirn. Er wollte schon weiter protestieren, doch als er Rob J.’s Gesichtsausdruck sah, überlegte er es sich anders. »Natürlich, Dr.
Cole«, sagte er steif. »Natürlich.«
Am nächsten Morgen klopfte Alden Kimball vor dem Frühstück an die Hintertür. Er war schon sehr früh im Futtermittelladen gewesen und platzte vor Neuigkeiten. »Diese blöden Indianer! Jetzt haben sie es getan«, sagte er. »Haben sich gestern Abend besoffen und dann den Stall von diesen papistischen Nonnen angesteckt.«
Mond bestritt das sofort, als Rob mit ihr redete. »Ich war den ganzen Abend bei meinen Freunden im Sauk-Lager, und wir haben uns über Der singend einhergeht unterhalten. Das, was Alden da gehört hat, ist eine Lüge.«
»Vielleicht haben sie erst getrunken, nachdem du gegangen bist.«
»Nein. Es ist eine Lüge.« Ihre Stimme klang ruhig, aber ihre zitternden Finger lösten bereits ihre Schürze. »Ich muss zu meinem Stamm.« Rob seufzte. Am besten, er stattete den Franziskanerinnen einen Besuch ab. Er hatte gehört, dass die Leute sie »diese verdammten braunen Käfer« nannten. Und er begriff auch, weshalb, als er sie sah, denn sie trugen eine braune, wollene Ordenstracht, die für den Herbst zu warm war und in der Hitze des Sommers ein Qual gewesen sein musste. Vier von ihnen arbeiteten in den Brandruinen des hübschen kleinen schwedischen Stalls, den August Lund und seine Frau voller jugendlicher Hoffnung und Entschlossenheit gebaut hatten. Sie schienen in den verkohlten, in der einen Ecke noch schwelenden Überresten nach Heilgebliebenem zu suchen. »Guten Morgen!« rief er.
Sie hatten sein Näherkommen nicht bemerkt. Den Saum ihrer langen Kutten hatten sie in den Gürtel gesteckt, um bei der Arbeit mehr Bewegungsfreiheit zu haben, und jetzt beeilten sie sich, die Röcke wieder herunterzulassen, denn vier Paar kräftiger, russfleckig-weißbestrumpfter Beine waren entblößt gewesen.
»Ich bin Dr. Cole«, sagte er und stieg ab. »Ein entfernt lebender Nachbar.« Sie starrten ihn stumm an, und ihm fiel ein, dass sie vielleicht seine Sprache nicht verstanden. »Könnte ich bitte mit der verantwortlichen Person sprechen?«
»Das wäre die Schwester Oberin«, erwiderte eine von ihnen, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Mit einer kleinen Bewegung des Kopfes, die ihn wohl zum Mitkommen aufforderte, ging sie auf das Haus zu.
Neben einem neu an das Gebäude angebauten Schuppen jätete ein alter Mann in Schwarz den frostkahlen Gemüsegarten. Der alte Mann zeigte kein Interesse an Rob. Die Nonne klopfte zweimal, ein sanftes, leises Geräusch, das zu ihrer Stimme passte. »Herein!«
Die braune Kutte schlüpfte an ihm vorbei und knickste. »Dieser Herr möchte Euch sprechen, ehrwürdige Mutter, ein Arzt und ein Nachbar«, sagte die flüsternde Nonne, knickste noch einmal und war verschwunden.
Die Schwester Oberin saß auf einem Holzstuhl an einem kleinen Tisch. Das vom Schleier umrahmte Gesicht war großflächig, die Nase fleischig und breit, die leicht spöttisch blickenden Augen von einem durchdringenden Blau, das heller war als das von Sarahs Augen und eher herausfordernd als freundlich. Er stellte sich vor und sagte, dass ihm das wegen des Feuers leid tue. »Können wir Ihnen irgendwie helfen?«
»Ich vertraue auf Gott. Er wird uns helfen.« Ihr Englisch klang perfekt, aber er glaubte, einen deutschen Akzent zu erkennen, obwohl ihrer anders als der der Schroeders klang. Vielleicht stammten sie aus verschiedenen Gegenden Deutschlands.
»Bitte nehmen Sie Platz«, sagte sie und wies zu dem einzigen bequemen Sessel im Zimmer, einem thronähnlichen Möbel mit Lederpolsterung.
»Haben Sie diesen Sessel in einem Wagen bis hierher geschleppt?«
»Ja. Wenn der Bischof uns besucht, können wir ihm wenigstens eine anständige Sitzgelegenheit anbieten«, antwortete sie ernst. Die Männer seien während des Nachtoffiziums gekommen, berichtete sie. Die Gemeinschaft sei in Andacht versunken gewesen und habe anfangs das Grölen und das Knistern nicht gehört, doch bald hätten sie den Rauch gerochen.
»Man hat mir gesagt, es seien Indianer gewesen.«
»Die Art von Indianer, die schon bei der Boston Tea-Party dabei waren«, erwiderte sie trocken.
»Sind Sie sicher?«
Sie verzog das Gesicht zu einem humorlosen Lächeln. »Es waren betrunkene Weiße, und sie haben geflucht und gegrölt wie betrunkene Weiße.«
»Es gibt hier eine Loge der American Party.«
Sie nickte. »Die Nichtswisser. Vor zehn Jahren kam ich frisch aus Württemberg in das Franziskanerinnenkloster in Philadelphia. Die Nichtswisser haben mich mit einem einwöchigen Aufruhr empfangen, bei dem zwei Kirchen überfallen, zwei Katholiken zu Tode geprügelt und unzählige Häuser der Katholiken niedergebrannt wurden. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte, dass nicht alle Amerikaner so sind.«
Rob J. nickte. Er bemerkte, dass sie diesen einen der beiden Räume in August Lunds ehemaliger Behausung in ein spartanisches Dormitorium umgewandelt hatten. Hier war ursprünglich Lunds Getreidespeicher gewesen.
Jetzt waren in der Ecke Schlafpritschen aufgestapelt. Neben dem Schreibtisch und dem Holzstuhl sowie dem Bischofsthron vervollständigten ein großer, schöner Refektoriumstisch und Bänke aus frischem Holz die Einrichtung des Raumes, und Rob lobte die Tischlerarbeit. »Hat Ihr Priester die gezimmert?« Sie lächelte und erhob sich. »Vater Rüssel ist unser Kaplan. Schwester Mary Peter Celestine ist unser Tischler. Möchten Sie unsere Kapelle sehen?«
Er folgte ihr in das Zimmer, in dem die Lunds gegessen, geschlafen und sich geliebt hatten und in dem Greta Lund gestorben war. Die Nonnen hatten es getüncht. An einer Wand stand ein hölzerner Altar und davor eine Andachtsbank. Vor dem Kruzifix auf dem Altar brannte, flankiert von kleineren Kerzen, eine große Tabernakelkerze in einem roten Glasgefäß. Er sah vier Gipsstatuen, die offensichtlich nach dem Geschlecht getrennt waren. Ganz rechts erkannte Rob die Heilige Jungfrau. Die Oberin erklärte ihm, dass die Statue neben Maria die heilige Klara darstelle, die Gründerin ihres Nonnenordens, und die Figuren auf der anderen Seite des Altars seien der heilige Franziskus und der heilige Joseph.