An diesem Nachmittag ritt Rob J. zum Sauk-Lager hinaus. So wie es aussah, hatten sie es endgültig verlassen.
Die Büffelfelle vor den Eingängen der hedonoso-te waren verschwunden, die schwarzen Löcher gähnten wie Zahnlücken, und auf dem Boden lagen die Überreste des Lagerlebens verstreut. Er hob eine Blechbüchse auf, an deren zerfurchtem Deckel er erkannte, dass sie mit einem Messer oder einem Bajonett geöffnet worden war.
Dem Etikett nach hatte sie Pfirsichhälften aus Georgia enthalten. Er hatte es nie geschafft, die Sauks vom Wert einer Latrine zu überzeugen, und jetzt bewahrte ihn der Geruch menschlicher Exkremente, den der Wind vom Außenbezirk des Lagers hereintrug, vor allzu großer Sentimentalität, ein letzter, stinkender Hinweis darauf, dass etwas sehr Wertvolles von diesem Ort verschwunden war und weder durch Zaubersprüche noch durch Politik zurückgebracht werden konnte.
Vier Tage lang verfolgten Nick Holden und sein Trupp die Sauks, doch wirklich nahe kamen sie ihnen nie. Die Indianer blieben in den Wäldern am Ufer des Mississippi und flohen nach Norden. Sie fanden sich in der Wildnis zwar nicht so gut zurecht wie einige ihres Stammes, die nun tot waren, aber auch die Schlechtesten von ihnen waren immer noch besser als die weißen Männer, und sie schlugen Haken und legten falsche Fährten, denen die Weißen auch prompt folgten. Die Verfolgung führte die Weißen weit nach Wisconsin hinein. Es wäre natürlich besser gewesen, wenn sie mit Trophäen, einigen Skalps und Ohren hätten zurückkehren können, aber sie redeten sich auch so ein, dass sie einen großen Sieg errungen hätten. In Prairie du Chien hielten sie an und ließen sich mit Whiskey vollaufen. Fritzie Graham bekam Streit mit einem Kavalleristen und landete im Gefängnis, doch Nick holte ihn wieder heraus, indem er den Sheriff davon überzeugte, dass bei einem durchreisenden Hilfssheriff eine gewisse kollegiale Nachsicht angebracht sei. Nach ihrer Rückkehr schwärmten sofort achtunddreißig Getreue aus und verbreiteten die frohe Botschaft, dass Nick Holden den Staat vor der roten Bedrohung gerettet habe und ein durch und durch anständiger Kerl sei.
Der Herbst war mild in diesem Jahr und angenehmer noch als der Sommer, denn einige frühe Fröste machten den Insekten den Garaus. Es war eine goldene Zeit mit kühlen Nächten, die das Laub am Flussufer bunt verfärbten, und warmen, sanften Tagen. Im Oktober berief die Kirchengemeinde einen Reverend Joseph Hills Perkins zu ihrem Priester. Er hatte zusätzlich zum Gehalt ein Pfarrhaus verlangt, und so wurde nach der Ernte ein kleines Blockhaus errichtet, das der Priester mit seiner Frau Elizabeth bezog; die beiden hatten keine Kinder. Im Begrüßungskomitee war Sarah eine der eifrigsten. Rob J. fand am Flussufer abgestorbene Lilien und pflanzte die Knollen auf Makwas Grab. Bei den Sauks war es zwar nicht üblich, Gräber mit Steinen zu markieren, aber er bat trotzdem Alden, eine Tafel aus witterungsbeständigem Robinienholz glattzuhobeln. Da es ihm unpassend schien, mit englischen Worten an sie zu erinnern, ließ er Alden die runenähnlichen Symbole auf die Tafel schnitzen, die er von ihrem Körper abgezeichnet hatte. Die Tafel stellte er an ihrem Grab auf. Er unternahm einen Versuch, Mort London zu einer weitergehenden Untersuchung ihres und Pyawanegawas Todes zu überreden, doch der Sheriff sagte, er sei überzeugt, dass Makwa-ikwas Mörder getötet worden sei, und zwar vermutlich von anderen Indianern. Im November gingen in den ganzen Vereinigten Staaten männliche Bürger über einundzwanzig zur Wahl. Überall im Land reagierten die Arbeiter auf die Konkurrenz, die die Einwanderer auf dem Stellenmarkt darstellten. Rhode Island, Connecticut, New Hampshire, Massachusetts und Kentucky wählten Nichtswisser-Gouverneure. In acht Staaten kamen Nichtswisser-Regierungen an die Macht. In Wisconsin unterstützten die Nichtswisser im Wahlkampf republikanische Anwälte, die nach der Wahl darangingen, die Einwanderungsbehörden ihres Staates abzuschaffen. Nichtswisser gewannen in Texas an Stimmen, in Tennessee, Kalifornien und Maryland, und sie sicherten sich in fast allen Südstaaten einen hohen Anteil.
In Illinois stellten sie die Mehrheit in Chicago und in den südlichen Landesteilen. Im Rock Island County verfehlte der amtierende Kongressabgeordnete Stephen Hume die Wiederwahl um einhundertdreiundachtzig Stimmen; er musste seinen Sitz an den Indianerkämpfer Nicholas Holden abtreten, der fast unmittelbar nach der Wahl die Heimat verließ, um seinen Distrikt in Washington, D. C. zu vertreten.
Vierter Teil. Der taube Junge
12. Oktober 1851
Lektionen
Die Eisenbahn nahm ihren Ausgangspunkt in Chicago. Neuankömmlinge aus Deutschland, Irland und Skandinavien waren es, die die glänzenden Schienen im überwiegend flachen Land immer weiter vorschoben, bis sie schließlich das Ostufer des Mississippi bei Rock Island erreichten. Gleichzeitig baute die Mississippi and Missouri Railroad Company eine Bahn quer durch Iowa von Davenport nach Council Bluffs, und die neugegründete Mississippi River Bridge Company arbeitete daran, die beiden Schienenstränge mit einer Brücke über den großen Fluss zu verbinden.
Am 1. September 1852, kurz nach Einbruch der Nacht, verwandelten sich in den geheimnisvollen Gründen des strömenden Wassers Millionen zappelnder Larven in Köcherfliegen. In zitternden Schwärmen erhoben sich diese libellenartigen Insekten mit ihren vier silbernen Flügeln aus dem Wasser und fielen über Davenport herein wie ein Blizzard aus schimmernden Schneeflocken. Sie bedeckten die Fensterscheiben, setzten sich an Augen, Ohren und Mündern von Mensch und Tier fest und waren für jeden, der sich vor die Tür wagte, eine schreckliche Plage.
Die Köcherfliegen lebten nur eine einzige Nacht. Ihr kurzer Überfall war ein Phänomen, das ein- oder zweimal im Jahr auftrat, und die Menschen am Mississippi nahmen es gelassen hin. Bei Sonnenaufgang war die Invasion vorbei, waren die Fliegen tot. Um acht Uhr morgens saßen vier Männer im dünnen Schein der Herbstsonne auf verschiedenen Bänken am Ufer, rauchten und sahen zu, wie Arbeitstrupps die Kadaver zu Haufen zusammenfegten und auf Karren schaufelten, von denen sie anschließend in den Fluss gekippt wurden. Wenig später kam ein fünfter Mann auf einem Pferd, der vier andere Pferde hinter sich mitführte. Die Männer verließen die Bänke und stiegen auf.
Es war ein Donnerstagvormittag. Zahltag. Im Büro der Chicago and Rock Island Railroad stellten der Zahlmeister und zwei Gehilfen eben die Lohnliste für die beim Brückenbau beschäftigten Arbeiter zusammen.
Um acht Uhr neunzehn ritten fünf Männer vor dem Büro vor. Vier stiegen ab und gingen hinein, der fünfte blieb bei den Pferden. Sie waren nicht maskiert, und wären sie nicht bewaffnet gewesen, hätten sie ausgesehen wie gewöhnliche Farmer. Sie sagten leise und höflich, was sie wollten, doch einer der Gehilfen war so töricht, nach einer Pistole auf einem Regal in seiner Nähe zu greifen, und er bekam eine Kugel in den Kopf. Danach gab es keinen Widerstand mehr, und die vier Räuber steckten in aller Ruhe das gesamte Lohngeld in Höhe von über eintausendeinhundert Dollar in einen schmutzigen Leinensack, bevor sie sich aus dem Staub machten. Der Zahlmeister berichtete später den Behörden, er sei sicher, dass der Anführer der Banditen ein Mann namens Frank Mosby gewesen war, der einige Jahre lang etwas weiter südlich am anderen Flussufer in der Nähe von Holden’s Crossing Land bewirtschaftet hatte.
Sarah hätte keinen unglücklicheren Zeitpunkt wählen können. Am Sonntagvormittag wartete sie, bis Reverend Perkins die Gläubigen aufforderte, ihre Verfehlungen zu bekennen. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen, erhob sich und ging nach vorne. Mit leiser Stimme berichtete sie dem Priester und der Gemeinde, dass sie, nachdem sie schon in jungen Jahren Witwe geworden war, Verkehr außerhalb des heiligen Bundes der Ehe gehabt habe und dass daraus ein Kind entstanden sei. Jetzt aber, so fuhr sie fort, suche sie in der öffentlichen Beichte Erlösung von ihrer Sünde durch die reinigende Gnade Jesu Christi.