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Als die Jungen immer wieder mit Kampfspuren von der Schule nach Hause kamen, drängte sich Rob J. der Verdacht auf, dass zumindest einige der Brüder in der Gnade und Schwestern in Christi sich nicht scheuten, über die Beichte, deren Zeugen sie in der Kirche geworden waren, zu plaudern. Die Jungen schwiegen sich über ihre Blessuren aus, und er brachte es nicht übers Herz, mit seinen Söhnen anders als liebend und bewundernd über ihre Mutter zu reden. Aber er sprach mit ihnen über das Raufen: »Es steht einfach nicht dafür, jemanden zu schlagen, wenn man wütend ist. So was kann leicht ins Auge gehen und sogar zum Tod führen. Nichts rechtfertigt das Töten.« Die Jungen waren verwirrt. Sie redeten über Schulhofprügeleien, nicht übers Töten.

»Aber was soll man denn tun außer zurückschlagen, wenn ein anderer einen angreift, Pa?« fragte Shaman. Rob J.

nickte mitfühlend, »Ich weiß, dass das ein Problem ist. Du musst dein Hirn benutzen, nicht deine Fäuste.«

Alden Kimball hatte die Unterhaltung mitgehört. Wenig später ging er zu den beiden Brüdern und spuckte angewidert aus. »Verdammt noch mal! Euer Vater ist bestimmt einer der gescheitesten Köpfe unter der Sonne, aber ich glaube, er kann sich auch mal täuschen. Ich sag’ euch eins, wenn einer euch schlägt, müsst ihr dem Saukerl eine verpassen, sonst schlägt er weiter.«

»Luke ist furchtbar groß, Alden«, sagte Shaman. Sein Bruder dachte das gleiche.

»Luke? Ist das dieser Ochse von Stebbins-Junge? Lucas Stebbins?« fragte Alden und spuckte noch einmal aus, als die beiden traurig nickten. »Wisst ihr, dass ich als junger Kerl ein Jahrmarktsboxer war? Jeder, der einen halben Dollar zahlte, durfte drei Minuten gegen mich boxen. Wenn mich einer geschlagen hätte, hätte er drei Dollar bekommen. Und glaubt bloß nicht, dass nicht ‘ne ganze Menge starker Männer das versucht haben.«

»Hast du viel Geld verdient, Alden?« fragte Alex. Aldens Miene verdüsterte sich. »Nö. Mein Direktor, der hat viel Geld kassiert. Zwei Jahre lang hab’ ich das gemacht, immer im Sommer und im Herbst. Aber dann hat mich einer geschlagen. Der Direktor hat dem Kerl die drei Dollar gegeben und ihn dann an meiner Stelle angeheuert.«

Dann sah er sie direkt an. »Was ich sagen möchte, ich kann euch das Boxen beibringen, wenn ihr wollt.«

Zwei junge Gesichter sahen zu ihm hoch. Dann nickten zwei Köpfe. »Lasst das! Sagt doch einfach ja, oder könnt ihr das nicht?« sagte Alden unwirsch. »Ihr seht ja aus wie zwei blöde Schafe.«

»Ein bisschen Angst ist eine gute Sache«, erklärte er ihnen. »Das bringt das Blut in Schwung. Aber wenn ihr euch zuviel Angst einjagen lasst, könnt ihr nur verlieren. Und ihr dürft euch auch nicht zu sehr aufbringen lassen.

Ein Boxer mit einer Riesenwut im Bauch fängt an, wild um sich zu schlagen und macht dabei seine Deckung auf.« Shaman und Alex grinsten unsicher, aber Alden war sehr ernst, als er ihnen zeigte, wie sie die Hände halten mussten, die linke in Augenhöhe, um den Kopf zu schützen, die rechte etwas tiefer als Deckung für den Oberkörper. Umständlich erklärte er ihnen, dass sie beim Fäusteballen die Finger fest in die Handflächen pressen mussten, damit die Knöchel hart wurden und die Schläge ihre Gegner trafen, als wären es Steine.

»Beim Boxen gibt’s nur vier Schläge«, sagte er. »Linker Jab, linker Haken, rechter Cross, rechte Gerade. Der Jab ist wie ein Schlangenbiss. Muss ein bisschen brennen, tut aber dem Gegner nicht viel, wirft ihn nur etwas aus dem Gleichgewicht und macht ihn auf für schwerere Geschütze. Ein linker Haken reicht zwar nicht weit, aber er wirkt - du drehst dich nach links, verlagerst das Gewicht auf das rechte Bein und knallst ihm die Faust mit aller Kraft an den Kopf. Dann der rechte Cross, da verlagerst du das Gewicht auf das andere Bein und holst dir den Schwung mit einer schnellen Drehung aus der Hüfte, ungefähr so. Mein Lieblingsschlag ist die rechte Gerade auf den Körper, ich nenn’ ihn den Knüppel. Du duckst dich nach links, verlagerst das Gewicht auf das linke Bein und jagst ihm deine rechte Faust in den Bauch, so als wäre dein Arm ein Speer.« Er brachte ihnen die Schläge einen nach dem anderen bei, um sie nicht zu verwirren. Am ersten Tag ließ er sie zwei Stunden lang den Jab üben, bis sie sich an den Bewegungsablauf gewöhnt hatten und ihre Schläge koordinierter wurden. Am folgenden Nachmittag waren sie wieder auf der kleinen Lichtung hinter Aldens Hütte, wo keiner sie störte, und von da an jeden Tag. Immer und immer wieder mussten sie die Schläge üben, bevor er sie gegeneinander boxen ließ. Alex war dreieinhalb Jahre älter, doch dank Shamans außergewöhnlicher Größe schien der Unterschied nur ein Jahr zu sein. Sie gingen sehr behutsam miteinander um. Deshalb ließ er die Jungen abwechselnd gegen sich boxen und drängte sie, so fest zuzuschlagen wie in einem richtigen Kampf. Zu ihrer Überraschung duckte er sich und wich zur Seite aus, oder er blockte die Schläge mit dem Unterarm oder der Faust ab. »Wisst ihr, was ich euch hier beibringe, ist kein großes Geheimnis. Auch andere wissen, wie man boxt. Ihr müsst lernen, euch zu verteidigen.« Er schärfte ihnen ein, das Kinn fest gegen das Brustbein zu drücken, um es vor Schlägen zu schützen. Er zeigte ihnen, wie man einen Gegner in einen Clinch zog, schärfte aber Alex ein, bei Luke den Clinch unter allen Umständen zu vermeiden. »Der Kerl ist viel stärker als du, du musst Abstand halten, sonst drückt er dich zu Boden.« Insgeheim hielt Alden es für unwahrscheinlich, dass Alex einen so großen Jungen wirklich besiegen konnte, er hoffte aber, Alex werde Lucas mit ein paar plazierten Schlägen davon überzeugen können, dass es besser war, die beiden Brüder in Ruhe zu lassen. Er wollte aus den Cole-Jungen keine Jahrmarktsboxer machen. Er wollte nur, dass sie in der Lage wären, sich zu verteidigen, und er brachte ihnen kaum mehr als die Grundbegriffe bei, denn er beherrschte selber lediglich die Fausttechnik. Was sie mit ihren Füßen machen sollten, versuchte er erst gar nicht, ihnen zu erklären. Erst Jahre später gestand er Shaman, wenn er selber nur ein bisschen besser gewusst hätte, was er mit seinen Füßen anfangen solle, hätte dieser Drei-Dollar-Boxer ihn wahrscheinlich nicht geschlagen.

Des öfteren glaubte Alex, er sei jetzt bereit, gegen Luke anzutreten, doch Alden erwiderte immer, er werde es ihm schon sagen, wenn er soweit sei. Also gingen Shaman und Alex jeden Tag mit dem Bewusstsein in die Schule, dass die Pause wieder eine Leidenszeit für sie werden würde. Luke hatte es sich angewöhnt, seine Spielchen mit den Cole-Brüdern zu treiben. Er schlug und beleidigte sie nach Lust und Laune und nannte sie nur noch Blödmann und Bastard. Beim Fangen rempelte er sie brutal an, und wenn er mit ihnen raufte, drückte er ihre Gesichter in den Staub.

Für Shaman war Luke nicht das einzige Problem in der Schule. Er konnte nur einen kleinen Teil von dem sehen, was während des Unterrichts gesagt wurde, und so blieb er gleich von Anfang an hoffnungslos zurück. Marshall Byers war nicht unzufrieden mit dieser Entwicklung, hatte er doch versucht, dem Vater des Jungen zu erklären, dass eine normale Schule nicht der richtige Ort für einen Tauben sei. Aber der Lehrer ging die Sache behutsam an, er wusste, wenn das Thema wieder zur Sprache kam, musste er Beweise auf den Tisch legen können. So führte er sorgfältig Buch über Robert J. Coles immer schlechter werdende Noten und behielt den Jungen häufig nach dem Unterricht für zusätzliche Übungsstunden da, die aber dessen Leistungen nicht merklich verbesserten.

Manchmal behielt Mr. Byers auch Rachel Geiger nach dem Unterricht da, was Shaman überraschte, denn Rachel galt als die intelligenteste Schülerin der Klasse. Wenn das passierte, trotteten die beiden gemeinsam nach Hause.

An einem dieser Nachmittage, es war ein grauer Tag, an dem es zum erstenmal in diesem Jahr schneite, erschreckte Rachel Rob, indem sie mitten im Gehen in Tränen ausbrach. Er konnte sie nur bestürzt ansehen.