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Dr. Naismith gab sich alle Mühe, freundlich zu bleiben. »Meine Herren, ich bin froh, dass Sie meine Ärztekollegen sind und nicht Staatsanwälte und Richter.«

Dr. Barr nickte nur, da der Mann offensichtlich nicht bereit war, sich auf eine unangenehme Diskussion einzulassen. »Gibt es bei Ihnen in Missouri dieses Jahr eigentlich viele Cholerafälle, Dr. Naismith?«

»Cholera kaum, aber wir hatten eine ganze Reihe von Krankheitsfällen, die einige die Kalte Pest nennen«, antwortete Dr. Naismith. Er beschrieb dann die Ursachen und das Erscheinungsbild dieser Krankheit, soweit beide bekannt waren, und den Rest des Treffens nahm die Diskussion medizinischer Angelegenheiten in Anspruch.

Einige Tage später ritt Rob J. am Konvent der Schwestern des heiligen Franz von Assisi vorbei, und aus einer spontanen Eingebung heraus bog er in den Zuweg ein.

Diesmal wurde sein Kommen schon frühzeitig bemerkt, von einer jungen Nonne, die sofort den Garten verließ und eilig ins Haus lief. Mater Miriam Ferocia bot ihm mit einem stillen Lächeln den Bischofsstuhl an. »Wir haben heute Nachmittag Kaffee«, sagte sie auf eine Art, die andeutete, dass das nicht immer der Fall sei.

»Wollen Sie eine Tasse?«

Er hatte nicht die Absicht, die Vorräte der Franziskanerinnen aufzubrauchen, doch etwas in ihrer Miene brachte ihn dazu, das Angebot dankend anzunehmen. Der Kaffee war schwarz und heiß, als er hereingebracht wurde. Er war sehr stark und schmeckte irgendwie alt, wie ihre ganze Religion.

»Ohne Milch«, sagte Mater Miriam Ferocia fröhlich. »Gott hat uns noch nicht mit einer Kuh gesegnet.«

Als er fragte, wie es dem Konvent denn ergehe, erwiderte sie etwas steif, um ihr Überleben brauchten sie sich keine Sorgen zu machen. »Es gäbe eine Möglichkeit, Geld für Ihren Konvent zu beschaffen.«

»Es ist immer klug, jemandem Gehör zu schenken, der von Geld spricht«, erwiderte sie gelassen.

»Sie sind ein Pflegeorden ohne einen Platz, wo Sie pflegen könnten. Ich behandle Patienten, die Pflege dringend nötig haben. Einige von ihnen können zahlen.«

Aber er erzielte keine andere Reaktion als bei seiner ersten Erwähnung dieses Themas. Die Mutter Oberin schnitt ein Gesicht. »Wir sind ein wohltätiger Orden.«

»Einige meiner Patienten können nichts bezahlen. Pflegen Sie die, und Sie sind wohltätig. Andere können bezahlen. Pflegen Sie die auch, und Sie unterhalten damit Ihren Konvent.«

»Wenn der Herr uns ein Krankenhaus schenkt, in dem wir pflegen können, werden wir pflegen.«

Er war enttäuscht. »Können Sie mir sagen, warum Sie Ihren Nonnen nicht gestatten, Patienten zu Hause zu pflegen?«

»Nein. Sie würden es nicht verstehen.«

»Versuchen Sie es doch!«

Doch sie sah ihn aus eisigen Augen nur finster an, die grimmige Miriam.

Rob J. seufzte und schlürfte ihr bitteres Gebräu. »Da ist noch etwas anderes.« Und er berichtete ihr von seinen Bemühungen, Ellwood Patterson aufzuspüren. »Ich frage mich, ob Sie etwas über diesen Mann wissen.«

»Nichts über Reverend Patterson. Aber ich weiß einiges über das Stars and Stripes Religious Institute. Es handelt sich dabei um eine antikatholische Organisation, hinter der ein Geheimbund steht, der gleichzeitig die American Party unterstützt. Man nennt ihn den Supreme Order of the Star-Spangled Banner«, erwiderte Miriam Ferocia, und man merkte ihr an, was sie von diesem Obersten Orden des Sternenbanners hielt.

»Woher wissen Sie von diesem... Supreme...«

»... Order of the Star-Spangled Banner. Sie nennen sich selber den SSSB.« Sie sah ihn durchdringend an.

»Unsere Kirche ist eine weit verzweigte Organisation. Sie hat Mittel und Wege, etwas in Erfahrung zu bringen.

Wir halten zwar unseren Feinden auch die andere Wange hin, aber es wäre doch töricht, nicht nachzuforschen, aus welcher Richtung der nächste Schlag vermutlich kommt.«

»Vielleicht kann die Kirche mir helfen, diesen Patterson zu finden.«

»Der ist Ihnen wohl ziemlich wichtig.«

»Ich glaube, dass er eine gute Freundin von mir umgebracht hat. Man sollte nicht zulassen, dass er noch andere tötet.«

»Und können Sie ihn nicht Gott überlassen?« fragte sie ruhig.

»Nein.«

Sie seufzte. »Es ist unwahrscheinlich, dass Sie ihn durch mich finden werden. In der unendlichen Kette unserer Kirche dringt eine Anfrage manchmal nur ein oder zwei Glieder weiter. Oft fragt man, ohne je eine Antwort zu erhalten. Aber ich werde nachforschen.« Nach dem Besuch im Konvent ritt er zu Daniel Rayners Farm, um sich mit wenig Erfolg um Lydia-Beile Rayners steifen Rücken zu kümmern, und dann weiter zur Ziegenfarm von Lester Shedd. Shedd wäre beinahe an einer Lungenentzündung gestorben und war eins der besten Exempel dafür, von welch unschätzbarem Wert der Pflegedienst der Nonnen gewesen wäre. Rob J. hatte Lester den halben Winter und den ganzen Frühling hindurch so oft wie möglich besucht und es dank Mrs. Shedds tätiger Mithilfe geschafft, dem Mann die Gesundheit zurückzugeben.

Als Rob J. diesmal erklärte, dass keine weiteren Besuche mehr nötig seien, war Shedd erleichtert, brachte dann aber verlegen die Arztrechnung zur Sprache.

»Haben Sie vielleicht zufällig eine gute Milchziege?« fragte Rob J. und war erstaunt über sich selbst, als er sich so reden hörte.

»Eine Milchziege nicht. Aber ich hab’ da eine kleine Schönheit, die ist nur noch ein bisschen jung fürs Decken.

In ein oder zwei Monaten liefre ich die bewährten Dienste meines Bockes nach. Und fünf Monate später haben sie jede Menge Milch!«

Rob J. zog das widerstrebende Tier an einem Strick hinter seinem Pferd her, allerdings nur bis zum Konvent.

Mutter Miriam dankte ihm, wie es sich gehörte, bemerkte dann aber schnippisch, dass er, wenn er sie in sieben Monaten wieder besuche, Sahne für seinen Kaffee bekomme, so als werfe sie ihm vor, nur aus Eigennutz zu schenken. Doch dabei zwinkerte sie ihm zu. Und das Lächeln, das sie ihm schenkte, verlieh ihren harten, strengen Zügen etwas Herzliches und Gelöstes, so dass er in der Gewissheit nach Hause reiten konnte, den Tag zu etwas Gutem genutzt zu haben.

Dorothy Burnham kannte den kleinen Robert Cole nur als fleißigen und intelligenten Schüler. Deshalb war sie anfangs verwirrt über die schlechten Noten, die sie neben seinem Namen in Mr. Byers’ Klassenbuch fand, und dann verärgert, weil offensichtlich war, dass der Junge einen außergewöhnlichen Verstand besaß und nur schlecht behandelt worden war.

Sie hatte überhaupt keine Erfahrung mit Taubheit, aber sie war eine Lehrerin, die sich über jede neue Herausforderung freute. Als sie, der Regelung entsprechend, für zwei Wochen bei den Coles Herberge fand, wartete sie auf den passenden Augenblick, um allein mit Dr.Cole zu reden. »Es geht um Roberts Aussprache«, sagte sie und erkannte an seinem Nicken, dass sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. »Wir haben Glück, dass er deutlich spricht. Aber wie Sie wissen, gibt es andere Probleme.«

Rob J. nickte noch einmal. »Seine Stimme klingt hölzern und flach. Ich habe ihm schon gesagt, er soll die Tonhöhe variieren, aber...« Er schüttelte den Kopf.

»Ich glaube, er spricht so monoton, weil er vergisst, wie eine menschliche Stimme klingt, wie sie steigt und fällt.

Aber ich glaube auch, es gibt einen Weg, ihm das wieder ins Gedächtnis zu rufen.« Zwei Tage später brachte die Lehrerin mit Lillians Erlaubnis Shaman ins Haus der Geigers. Sie stellte ihn neben das Klavier und hieß ihn, seine Hand mit der Handfläche nach unten auf das Holzgehäuse legen. Dann schlug sie die erste Note im Bass an und ließ den Finger auf der Taste, damit die Schwingung über Schallbrett und Gehäuse bis zur Hand des Jungen dringen konnte. Sie sah ihn an und sagte: »Die!« Ihre rechte Hand ruhte dabei mit der Handfläche nach oben auf dem Instrument.