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»Hast du deinem Vater gesagt, dass ich dich angefasst hab’?«

»Nein!« erwiderte sie scharf.

»Das ist gut. Ich will nämlich nicht, dass er mir mit der Pferdegerte eins überzieht«, sagte er und meinte es auch.

Da er sie ansehen musste, um sie zu verstehen, konnte er erkennen, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg, doch zu seiner Verwirrung sah er auch, dass sie lachte. »O Shaman! Dein armes Gesicht! Es tut mir wirklich leid«, sagte sie und drückte seine Hand.

»Mir tut’s auch leid«, entgegnete er, obwohl er gar nicht genau wusste, wofür er sich entschuldigte.

Zu Hause setzte Rachels Mutter ihnen Ingwerkuchen vor. Sie aßen und saßen sich dann gegenüber am Tisch, um Schularbeiten zu machen. Anschließend gingen sie ins Wohnzimmer. Er saß neben ihr auf der Klavierbank, achtete aber darauf, ihr nicht zu nahe zu kommen. Was am Tag zuvor passiert war, hatte, wie er befürchtet hatte, einiges verändert, doch zu seiner Überraschung war es kein schlechtes Gefühl. Es stand zwischen ihnen als etwas Warmes, etwas, das nur ihnen beiden gehörte wie eine gemeinsam benutzte Tasse.

Ein amtliches Schreiben bestellte Rob J. »für den einundzwanzigsten Tag des Juni im Jahr des Herrn eintausendachthundertsiebenundfünfzig zum Behufe der Einbürgerung« in das Gerichtsgebäude von Rock Island.

Es war ein klarer, warmer Tag, doch die Fenster im Gerichtssaal waren geschlossen, denn den Vorsitz führte Honourable Daniel P. Allan, und der mochte keine Fliegen. Es herrschte nur schwacher Publikumsverkehr, und Rob J. hegte die begründete Hoffnung, die Sache schnell hinter sich bringen zu können, bis Richter Allan begann, die Eidesformel zu verlesen.

»Also dann. Schwören Sie, hiermit jeden Anspruch auf fremde Titel und Staatsangehörigkeiten aufzugeben?«

»Ich schwöre es«, erwiderte Rob J.

»Und schwören Sie, für die Verfassung einzutreten, sie zu verteidigen und im Namen der Vereinigten Staaten von Amerika Waffen zu tragen?«

»Aber nein, Sir! Euer Ehren, das schwöre ich nicht.« Durch diese Antwort aus seiner Apathie gerissen, starrte Allan ihn an. »Ich will nicht töten, Euer Ehren, und deshalb werde ich nie in den Krieg ziehen.« Honourable Allan schien verärgert. Roger Murray am Tisch des Protokollführers neben der Richterbank räusperte sich. »Das Gesetz besagt, dass der Anwärter in solchen Fällen beweisen muss, dass er ein Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ist, dessen Glauben es ihm verbietet, Waffen zu tragen. Das heißt, er muss zu einer Gruppe wie den Quäkern gehören, die öffentlich verkünden, dass sie nicht kämpfen.«

»Ich kenne das Gesetz und weiß, was es bedeutet«, erwiderte der Richter giftig, verärgert darüber, dass Murray ihn immer in aller Öffentlichkeit belehren musste. Er spähte Rob J. über seine Brille hinweg an. »Sind Sie ein Quäker, Dr. Cole?«

»Nein, Euer Ehren.«

»Was zum Teufel sind Sie dann?«

»Ich gehöre keiner Religion an«, antwortete Rob J. und sah, dass der Richter ein Gesicht machte, als hätte er ihn persönlich beleidigt. »Euer Ehren, darf ich vortreten?« kam eine Stimme von den Zuschauerbänken. Rob J.

erkannte Stephen Hume, der als Anwalt für die Eisenbahn arbeitete, seit Nick Holden ihm seinen Sitz im Kongress abgenommen hatte.

Richter Allan bedeutete ihm, näher zu treten. »Herr Abgeordneter.«

»Herr Richter«, sagte Hume mit einem Lächeln, »wollen Sie, dass ich persönlich für Dr. Cole bürge? Für einen der herausragendsten Männer in ganz Illinois, der als Arzt Tag und Nacht für die Menschen da ist. Jeder weiß, dass sein Wort Gold wert ist. Wenn er sagt, dass er aus seiner Überzeugung heraus nicht im Krieg kämpfen kann, sollte das jedem vernünftigen Mann als Beweis genügen.«

Richter Allan runzelte die Stirn, unsicher darüber, ob dieser politisch einflussreiche Anwalt ihn eben unvernünftig genannt hatte oder nicht, und er beschloss, um sicherzugehen, nur Murray böse anzufunkeln. »Wir fahren fort mit der Einbürgerung«, sagte er, und so wurde Rob J. ohne weitere Verzögerung ein amerikanischer Staatsbürger. Auf dem Rückweg nach Holden’s Crossing überfielen ihn ein paar schmerzliche Erinnerungen an sein schottisches Heimatland, dem er eben abgeschworen hatte, aber dennoch war es ein gutes Gefühl für ihn, jetzt Amerikaner zu sein. Und das trotz der Probleme, die das Land im Augenblick erschütterten. Erst vor kurzem hatte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in letzter Instanz entschieden, dass Dred Scott ein Sklave sei, da der Kongress nicht das Recht habe, die Sklaverei in den Einzelstaaten zu verbieten. Anfangs hatten die Südstaatler gejubelt, doch inzwischen tobten sie schon wieder, da die Führer der republikanischen Partei angekündigt hatten, sie würden die Gerichtsentscheidung nicht als verbindlich hinnehmen. Und auch Rob J. wollte das nicht, obwohl seine Frau und sein Sohn inzwischen zu heißblütigen Südstaatensympathisanten geworden waren. Er hatte schon Dutzende von entflohenen Sklaven durch seine geheime Nische nach Kanada geschleust und war dabei des öfteren in sehr gefährliche Situationen geraten.

Eines Tages beispielsweise erzählte ihm Alex, er habe in der Nacht zuvor George Cliburn nur etwa eine Meile von ihrer Farm entfernt auf der Straße gesehen. »Sitzt der morgens um drei auf einem Wagen voller Heu. Was soll man denn davon halten?«

»Na, ich glaub’, du musst dich ziemlich anstrengen, wenn du früher aufstehen willst als ein fleißiger Quäker.

Aber was hattest du denn morgens um drei draußen verloren?« sagte Rob J., und Alex bemühte sich so eilig, von seinen nächtlichen Saufereien und Schürzenjägereien mit Mal Howard abzulenken, dass George Cliburns eigenartige Arbeitsmoral nicht weiter erörtert wurde.

Mitten in einer anderen Nacht schloss Rob J. eben die Schuppentür, als Alden ihm in die Quere kam. »Konnt’

nich’ schlafen. Mein Rachenputzer is’ mir ausgegangen, und da is’ mir eingefallen, dass ich das da im Stall versteckt habe.« Er hielt eine Keramikflasche in die Höhe und bot sie seinem Arbeitgeber an. Obwohl Rob J. nur selten Lust auf einen Drink hatte und wusste, dass Alkohol die Gabe beeinträchtigte, wollte er etwas mit Alden teilen. Er zog deshalb den Korken heraus, trank einen Schluck und hustete. Alden grinste.

Rob hätte seinen Knecht gern etwas von dem Schuppen weggelockt. In dem Versteck hinter der Tür saß ein Schwarzer mittleren Alters mit einem leichten asthmatischen Keuchen. Rob befürchtete, dass das Keuchen von Zeit zu Zeit lauter werden könnte, und war sich nicht sicher, ob das Geräusch nicht bis zu der Stelle drang, wo er sich mit Alden unterhielt. Aber Alden hatte sich inzwischen hingekauert und führte vor, wie ein Meister Whiskey trank: den Finger durch den Henkel, die Flasche auf den Unterarm gestützt und den Unterarm gerade so weit gehoben, dass die richtige Menge der scharfen Flüssigkeit in den Mund floss.

»Haben Sie in letzter Zeit Schlafschwierigkeiten?« Alden zuckte mit den Achseln. »Die meisten Nächte bin ich gleich weg, weil ich müde von der Arbeit bin. Und wenn nicht, hilft mir ein kleiner Schluck beim Einschlafen.«

Seit dem Tod von Der singend einhergeht sah Alden von Jahr zu Jahr verbrauchter aus. »Ich sollte einen zweiten Mann einstellen, der Ihnen bei der Arbeit hilft«, sagte Rob wohl schon zum zwanzigstenmal. »Ein guter Weißer, der für andere arbeitet, ist schwer zu finden. Und mit ‘nem Nigger würd’ ich nich’ arbeiten«, erwiderte Alden, und jetzt fragte sich Rob, wie weit Geräusche wohl in die andere Richtung drangen, nämlich in den Schuppen hinein. »Außerdem arbeitet ja jetzt Alex mit, und der macht sich wirklich gut.«

»Ist das wahr?«

Etwas schwankend stand Alden auf, offensichtlich hatte er schon eine ganze Menge von dem Rachenputzer gehabt, bevor er ihm ausgegangen war. »Verdammt, Doc«, sagte er mit Nachdruck, »sei’n Sie doch nicht immer so ungerecht mit Ihren Jungs.« Und damit schwankte er, die Flasche fest umklammernd, zu seiner Hütte.