»Ämter, die Sie zu vergeben haben, mit solchen zu besetzen«.
Rob J. starrte Miriam Ferocia an. »Wie viele sind es denn?« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir glauben nicht, dass der Geheimbund sehr viele Mitglieder hat. Vielleicht tausend. Aber sie sind das Rückgrat der American Party. Ich habe Ihnen diese Seiten gegeben, weil Sie ein Gegner dieser Leute sind, die unserer Kirche schaden wollen, und weil Sie das Wesen derjenigen kennen sollten, die uns Böses wollen und für deren Seelen wir beten.« Sie sah ihn ernst an. »Aber Sie müssen mir versprechen, mit diesem Material keinesfalls ein vermutliches Mitglied des Supreme Order in Illinois zu konfrontieren, denn das könnte den Mann, der das geschrieben hat, in größte Gefahr bringen.«
Rob J. nickte. Er faltete die Seiten zusammen und reichte sie ihr zurück, doch sie schüttelte den Kopf. »Das ist für Sie«, sagte sie, »das und meine Gebete.«
»Sie dürfen nicht für mich beten!« Es war ihm unangenehm, über Glaubensdinge mit ihr zu reden.
»Sie können mich nicht davon abhalten. Sie haben Gebete verdient, und ich habe mich schon oft für Sie beim Herrn eingesetzt.«
»So wie Sie für unsere Feinde beten«, erwiderte er mürrisch.
Zu Hause las er den Bericht noch einmal, und er betrachtete dann lange die zitterige Handschrift. Das hatte ein Mensch geschrieben (vielleicht ein Priester?), der ein Doppelleben führte, der vorgab, etwas zu sein, was er gar nicht war, und der dabei seine Sicherheit, vielleicht sogar sein Leben aufs Spiel setzte. Rob J. hätte sich gerne mit diesem Mann unterhalten.
Nick Holden hatte dank seines Rufs als Indianerkämpfer zwei Wiederwahlen problemlos gewonnen, doch bei seiner Kandidatur zur vierten Amtszeit musste er gegen John Kurland, den Anwalt aus Rock Island, antreten.
Kurland stand nicht nur bei den Demokraten in hohem Ansehen, und es gab Hinweise, dass Holden bei der Nichtswisser-Partei allmählich an Rückhalt verlor. Einige Leute prophezeiten, dass der Kongressabgeordnete sein Amt verlieren werde, und Rob J. wartete darauf, dass Nick eine spektakuläre Aktion vom Zaun brach, um Wählerstimmen zu gewinnen. Er war deshalb nicht sonderlich überrascht, als er eines Nachmittags nach Hause kam und erfuhr, dass Holden und Sheriff Graham wieder einmal einen Freiwilligentrupp zusammenstellten.
»Der Sheriff sagt, dass Frank Mosby, der Gesetzlose, sich irgendwo im Norden versteckt«, berichtete Alden.
»Nick hat die Leute so aufgehetzt, dass sie Mosby eher aufhängen als verhaften, wenn Sie mich fragen. Und Graham verteilt die Blechsterne mit beiden Händen. Alex ist auf und davon, ganz aus dem Häuschen war er. Hat sich die Flinte geschnappt und ist auf Vicky in die Stadt geritten.« Er verzog, Entschuldigung heischend, das Gesicht. »Hab’ noch versucht, es ihm auszureden, aber...« Er hob die Schultern.
Trude bekam keine Gelegenheit zum Ausruhen, denn Rob J. warf ihr gleich den Sattel wieder über und ritt selbst zur Stadt. Auf der Hauptstraße standen Männer in kleinen Gruppen beisammen. Lautes Gelächter drang von der Veranda der Gemischtwarenhandlung zu Rob J. herüber, denn Nick und der Sheriff schwangen große Reden.
Doch er achtete nicht auf sie. Alex stand bei Mal Howard und zwei anderen Jugendlichen. Sie trugen alle vier Schusswaffen, und ihre Augen funkelten wichtigtuerisch. Doch als Alex Rob J. sah, machte er ein langes Gesicht.
»Ich möchte mit dir reden, Alex«, sagte Rob J. und führte ihn von den anderen weg. »Ich will, dass du nach Hause kommst«, fuhr er fort, sobald sie außer Hörweite waren. »Nein, Pa.«
Alex war achtzehn Jahre alt und jähzornig. Wenn er sich in die Enge getrieben fühlte, konnte es gut sein, dass er seine Sachen packte und für immer von zu Hause wegging. »Ich will nicht, dass du gehst. Es gibt gute Gründe.«
»Mit deinen guten Gründen liegst du mir in den Ohren, seit ich denken kann«, erwiderte Alex aufgebracht. »Ich habe Ma einmal direkt gefragt, ob Frank Mosby mein Onkel ist. Und sie hat nein gesagt.«
»Du bist ein Narr, deiner Mutter so etwas anzutun! Es ändert sich nichts, auch wenn du diesen Mosby höchstpersönlich erschießt, weißt du denn das nicht? Einige Leute werden trotzdem reden, auch wenn das, was sie reden, keine Bedeutung hat. Ich könnte dir befehlen, nach Hause zu kommen, weil das Gewehr und das arme blinde Pferd mir gehören. Aber der eigentliche Grund, weshalb du nicht mitgehen darfst, ist, du bist mein Sohn, und ich lasse nicht zu, dass der etwas tut, was er sein ganzes Leben lang bereut.«
Alex warf Mal und den anderen, die neugierig herübersahen, einen verzweifelten Blick zu.
»Sag’ ihnen, ich hätte gesagt, dass daheim zuviel Arbeit auf dich wartet. Und dann hol Vicky und komm nach Hause!«
Rob drehte sich um, stieg auf Bess und ritt die Main Street entlang. Vor der Kirche machten einige Männer Radau, und er merkte, dass sie bereits getrunken hatten.
Eine halbe Meile ritt er, ohne sich umzudrehen, doch als er es tat, sah er ein Pferd, das den zögerlichen, unsicheren Schritt seiner blinden Stute hatte, und darauf eine Gestalt, vornübergebeugt wie ein Mann, der gegen starken Wind anreitet, die kleine Flinte gen Himmel gerichtet, wie er es seinen Söhnen beigebracht hatte.
Während der nächsten Wochen ging Alex Rob aus dem Weg, nicht so sehr, weil er wütend auf seinen Vater war, sondern weil er seine Autorität nicht spüren wollte. Der Freiwilligentrupp war zwei Tage unterwegs. Sie fanden ihr Opfer in einer verfallenen Sodenhütte und trafen umständliche Vorkehrungen, bevor sie sich über es hermachten, doch der Mann schlief und leistete keinen Widerstand. Er war auch nicht Frank Mosby, sondern ein Mann namens Buren Harrison, der in Geneseo einen Ladenbesitzer überfallen und ihm vierzehn Dollar geraubt hatte. Ihn führten Nick Holden und seine Gesetzeshüter triumphierend und betrunken der Gerechtigkeit zu.
Später stellte sich heraus, dass Frank Mosby schon zwei Jahre zuvor in Iowa ertrunken war, als er versucht hatte, bei Hochwasser einen Fluss zu durchreiten. Im November wählte Rob J. John Kurland für den Kongress und Steven A. Douglas für den Senat. Am Abend darauf wartete er mit anderen Männern vor Haskins Laden auf die Wahlergebnisse. Dabei fiel sein Blick auf zwei Taschenmesser in der Auslage - jedes mit einer großen Klinge, zwei kleineren und einer kleinen Schere, alles aus gehärtetem Stahl; die Griffschalen waren aus poliertem Schildpatt und die Kappen aus glänzendem Silber - Messer für Männer, die sich ihr Leben entschlossen zurechtschnitzten. Rob kaufte sie als Weihnachtsgeschenke für seine Söhne.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kam Harold Ames mit den Wahlergebnissen aus Rock Island. Es war ein Tag der Amtsinhaber gewesen. Nick Holden, der Indianerkämpfer und Verteidiger von Recht und Ordnung, hatte John Kurland knapp geschlagen, und auch Senator Douglas würde wieder in Washington einziehen. »Das wird Abraham Lincoln lehren, den Leuten das Sklavenhalten zu verbieten!« gluckste Julian Howard und schüttelte triumphierend die Faust. »Das wird das letzte sein, was wir von diesem Hurensohn gehört haben!«
Der Kollegiat