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Jetzt musste er sich überlegen, wie er die Hündin los wurde. Doch zuerst wusch er sich, zog sich an und ging zum Frühstück hinunter, nicht ohne zuvor wieder sein Zimmer zu verschließen. Brooke erwartete ihn in der Diele. »Ich habe gedacht, du hast gestern nur Spaß gemacht«, sagte er böse. »Aber ich habe sie die ganze Nacht weinen und wimmern gehört.«

»Tut mir leid«, erwiderte Shaman. »Es kommt nicht wieder vor.« Nach dem Frühstück ging er auf sein Zimmer, setzte sich aufs Bett und betrachtete den Hund. Auf dem Rand der Schublade saß eine Fliege, und er versuchte, sie zu erschlagen, verfehlte sie aber immer wieder. Er musste warten, bis alle das Haus verlassen hatten, um dann den Hund aus dem Haus zu schaffen. Im Keller war sicher eine Schaufel. Doch das würde bedeuten, dass er die erste Unterrichtsstunde verpasste. Nach einer Weile dämmerte ihm, dass sich hier die Gelegenheit zu einer Obduktion bot. Der Gedanke faszinierte ihn, doch er sah auch die Probleme. Vor allem das Blut. Von seiner Mithilfe bei den Autopsien seines Vaters wusste er, dass Blut sich nach dem Ableben etwas verdickt, doch Flecken würde es trotzdem geben... Er wartete, bis das Haus fast leer war, und ging dann hinunter in die rückwärtige Diele, wo an einem Nagel an der Wand die metallene Badewanne hing. Er trug sie in sein Zimmer und stellte sie vor das Fenster, wo er das beste Licht hatte. Er legte die Hündin auf dem Rücken in die Wanne, und mit ihren vier hochgereckten Pfoten sah sie aus, als warte sie darauf, am Bauch gekrault zu werden. Die Krallen waren lang wie die Zehennägel eines ungepflegten Menschen, und eine war abgebrochen. Das Tier hatte an den Hinterläufen je vier Krallen und an den Vorderläufen zusätzlich eine kleinere, fünfte, die beinahe aussah wie ein hochgewanderter Daumen. Shaman war neugierig, wie die Gelenke im Vergleich zu menschlichen Gelenken aussahen. Er nahm das Taschenmesser zur Hand, das sein Vater ihm geschenkt hatte, und klappte die kleinste Klinge auf. Der Hund hatte feine lange Haare und dickere kurze darunter, doch das Fell auf dem Bauch behinderte ihn nicht, als er den Stahl in das Fleisch senkte.

Shaman ging nicht zum Unterricht und machte auch keine Mittagspause. Den ganzen Tag sezierte, notierte und skizzierte er. Am späten Nachmittag war er mit den inneren Organen und einigen Gelenken fertig. Er wollte auch noch das Rückgrat ansehen und es zeichnen, doch für den Augenblick legte er den Hund in die Kommodenschublade zurück und schloss sie. Dann goss er Wasser in sein Waschbecken, schrubbte sich lange und gründlich mit viel Kernseife die Hände und leerte das Becken in die Wanne. Bevor er zum Abendessen hinunterging, zog er sich vollständig um.

Trotzdem war die Suppe noch kaum im Teller, als Dekan Hammond schon seine fleischige Nase rümpfte. »Hier stinkt was«, sagte der Dekan. »Kohl?«

»Nein«, sagte seine Frau.

Shaman war froh, gleich nach dem Essen wieder in sein Zimmer zu kommen. Dort saß er schwitzend auf dem Bett und hoffte, dass niemand auf den Gedanken käme, ein Bad zu nehmen. Das tat auch niemand. Viel zu nervös, um müde zu sein, wartete Shaman sehr lange, bis er sicher sein konnte, dass alle anderen zu Bett gegangen waren. Dann nahm er die Wanne und trug sie die Treppe hinunter in den Hinterhof, wo er die blutige Brühe auf den Rasen schüttete. Die Pumpe schien außergewöhnlich laut zu sein, als er den Schwengel betätigte, und er musste immer damit rechnen, dass jemand herauskam, um aufs Aborthäuschen zu gehen. Doch er hatte Glück. Er schrubbte die Wanne mehrmals mit Seife, spülte sie gründlich aus und hängte sie dann wieder an ihren Haken.

Am nächsten Morgen musste er einsehen, dass er das Rückgrat nicht mehr würde sezieren können, denn das Zimmer war wärmer geworden und der Geruch intensiver. Er ließ die Schublade geschlossen und stapelte Kissen und Bettzeug davor, weil er hoffte, so den Geruch etwas einzudämmen. Doch als er das Frühstückszimmer betrat, sah er nur mürrische Gesichter.

»Vermutlich eine tote Maus irgendwo zwischen den Wänden«, bemerkte der Bibliothekar. »Oder vielleicht eine Ratte.«

»Nein«, sagte Mrs. Hammond. »Wir haben gefunden, woher der Gestank kommt. Anscheinend kommt er aus der Umgebung der Pumpe.«

Der Dekan seufzte. »Ich hoffe nur, wir müssen keinen neuen Brunnen graben.«

Brooke sah aus, als habe er die ganze Nacht nicht geschlafen. Er war nervös und vermied Shamans Blick.

Wie betäubt eilte Shaman in seine Chemiestunde, um die Zeit zu überbrücken, bis alle das Haus verlassen hatten.

Danach ging er nicht in die Shakespeare-Vorlesung, sondern lief sofort heim, um die Sache hinter sich zu bringen. Doch als er die Hintertreppe hinaufstieg, sah er Brooke, Mrs. Hammond und einen der beiden Polizisten der Stadt vor seiner Tür stehen. Die Frau des Dekans hatte den Schlüssel in der Hand.

Sie alle sahen Shaman an. »Ist da was Totes drin?« fragte der Polizist. Shaman brachte kein Wort heraus.

»Mir hat er erzählt, dass er da drin eine Frau versteckt hat«, sagte Brooke.

Jetzt fand Shaman seine Stimme wieder. »Nein!« sagte er, aber der Polizist hatte Mrs. Hammond bereits den Schlüssel abgenommen und sperrte auf.

Im Zimmer sah Brooke sofort unter dem Bett nach, doch der Polizist hatte längst das Kissen und das Bettzeug entdeckt. Er machte die Schublade frei und zog sie auf. »Ein Hund«, sagte er. »Ganz zerschnitten.«

»Keine Frau?« fragte Brooke und sah Shaman an. »Du hast doch gesagt >Weibchen<!«

»Du hast >Weibchen< gesagt. Ich habe >catulam< gesagt«, erwiderte Shaman. »Junger Hund von weiblichem Geschlecht.«

»Ich nehme nicht an, Sir«, sagte der Polizist, »dass Sie hier noch etwas anderes Totes versteckt haben? Bei Ihrer Ehre?«

»Nein«, antwortete Shaman.

Mrs. Hammond sah ihn an, sagte aber kein Wort. Sie lief hinaus und die Treppe hinunter, und Augenblicke später hörte man die Haustür knallen.

Der Polizist seufzte. »Sie wird sicher direkt ins Büro ihres Gatten laufen. Und dorthin sollten wir uns vermutlich auch begeben.«

Shaman nickte und folgte ihm aus dem Zimmer, vorbei an Brooke, der sich ein Taschentuch vor Mund und Nase hielt und ihn bedauernd anblickte.

»Vale!« sagte Shaman. Leb wohl!

Das Zimmer wurde ihm gekündigt. Da es nur noch drei Wochen bis zum Semesterende waren, gestattete ihm Professor Gardner, auf einem Feldbett in seinem Werkzeugschuppen zu schlafen. Aus Dankbarkeit grub Shaman ihm den Garten um und pflanzte ein Beet Kartoffeln an. Eine Schlange, die unter einigen Blumentöpfen hauste, erschreckte ihn, doch dann sah er, dass es nur eine kleine Milchschlange war, und sie kamen gut miteinander aus.

Er erhielt ausgezeichnete Noten, aber auch einen versiegelten Brief, den er seinem Vater geben sollte. Zu Hause saß er dann im Arbeitszimmer und wartete, bis sein Vater das Schreiben gelesen hatte. Shaman wusste ziemlich genau, was in dem Brief stand. Dekan Hammond hatte ihm gesagt, die beiden Jahre auf dem College würden ihm natürlich für seine weitere Ausbildung angerechnet, er sei aber für ein Jahr suspendiert, um die für eine akademische Gemeinschaft nötige Reife zu erlangen. Wenn er zurückkehre, müsse er sich eine andere Unterkunft suchen.

Sein Vater legte den Brief beiseite und sah ihn an. »Hast du aus diesem Abenteuer etwas gelernt?«

»Ja, Pa«, antwortete Shaman. »Ein Hund ist innerlich einem Menschen überraschend ähnlich. Das Herz ist natürlich viel kleiner, nur etwa halb so groß, aber es hat fast genauso ausgesehen wie die menschlichen Herzen, die du mir bei deinen Obduktionen gezeigt hast. Es hatte die gleiche Mahagonifarbe.«

»Nicht ganz Mahagoni...«

»Na ja... rötlich.«

»Ja, rötlich.«

»Lunge und Gedärme sind ebenfalls sehr ähnlich. Nicht aber die Milz. Sie ist nicht rund und kompakt, sondern wie eine große Zunge, dreißig Zentimeter lang, fünf Zentimeter breit, zweieinhalb Zentimeter dick. Die Aorta war geplatzt. Daran ist die Hündin gestorben. Sie ist innerlich verblutet. In der Bauchhöhle habe ich jede Menge ausgetretenes Blut entdeckt.«