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Für Shaman waren die Südstaaten, die sich einer nach dem anderen abspalteten, wie Maiskörner, die in einer heißen Pfanne aufplatzen. Seine Mutter brachte ihre Tage rotäugig im Beten zu, und sein Vater erledigte seine Hausbesuche mit verkniffenem Gesicht. In Rock Island hatte einer der Futtermittelhändler einen Großteil seiner Vorräte in das Hinterzimmer geräumt und die Hälfte seines Ladens an einen Werber der Armee vermietet.

Shaman ging einmal dorthin, weil er glaubte, bei seiner Kraft und Stärke wenigstens zum Bahrenträger geeignet zu sein, wenn sonst in seinem Leben schon alles schiefging. Aber der Corporal, der die Männer anwarb, zog nur belustigt die Augenbrauen in die Höhe, als er hörte, dass Shaman taub sei, und sagte ihm, er solle wieder nach Hause gehen.

Allmählich bekam Shaman das Gefühl, dass er gar kein Recht habe, sich um sein persönliches Leben solche Sorgen zu machen, während um ihn herum die Welt in Scherben zu gehen drohte. Am zweiten Dienstag im Januar brachte ihm sein Vater einen Brief und am darauffolgenden Donnerstag noch einen. Sein Vater überraschte ihn, weil er noch wusste, dass er dem Sohn neun Schulen empfohlen hatte, und er hatte die Antwortbriefe genau gezählt.

»Das ist der letzte, nicht?« fragte er Shaman nach dem Abendessen. »Ja. Vom Missouri Medical College. Eine Absage«, antwortete Shaman, und sein Vater nickte, ohne Überraschung zu zeigen. »Aber das ist der Brief, der am Dienstag gekommen ist«, sagte Shaman, zog ein Blatt Papier aus der Tasche, faltete es auseinander und reichte es seinem Vater zum Lesen. Das Schreiben war von Dr. Lester Nash Berwyn, dem Dekan der Cincinnati Policlinic Medical School. Er wollte Shaman unter der Bedingung aufnehmen, dass der junge Mann den ersten Studienabschnitt als Probezeit bestand. Das Institut war an das Southwestern Ohio Hospital of Cincinnati angeschlossen und bot eine zweijährige, pro Jahr in vier Abschnitte unterteilte Ausbildung zum Doktor der Medizin an. Der nächste Eintrittstermin war der 24. Januar.

Eigentlich hätte Shaman Freude über seinen Erfolg spüren müssen, doch er wusste, dass seinem Vater bestimmt die Einschränkung »unter der Bedingung« und »Probezeit« auffiel, und er bereitete sich deshalb auf einen Disput vor. Da Alex verschwunden war, wurde er auf der Farm benötigt, doch er war fest entschlossen, ebenfalls wegzugehen und seine Chance zu nutzen. Aus vielen, auch selbstsüchtigen Gründen war er wütend auf seinen Vater, weil er Alex hatte davonlaufen lassen - und er war auch wütend auf seinen Vater, weil der so verdammt sicher war, dass es keinen Gott gab, und nicht begriff, dass die meisten Menschen einfach nicht stark genug waren, um Pazifisten zu sein.

Doch als Rob J. dann den Kopf hob, sah Shaman die Augen und den Mund seines Vaters. Die Erkenntnis, dass Dr. Robert Judson Cole nicht unverletzlich war, traf ihn wie ein Pfeil.

»Alex wird nichts passieren! Er wird alles gut überstehen«, rief er, doch er wusste, dass das nicht die Überzeugung eines verantwortungsbewussten Menschen, eines erwachsenen Mannes, war. Trotz des Zimmers mit der elfenbeinärschigen Puppe und trotz des Briefes aus Cincinnati war es nur das wertlose Versprechen eines verzweifelten Jungen - das wurde ihm schlagartig klar.

Fünfter Teil. Ein Familienstreit

24. Januar 1861

In der Poliklinik

Cincinnati war größer, als Shaman erwartet hatte. Auf den Straßen drängte sich der Verkehr, der Ohio war eisfrei und stark befahren. Aus den hohen Kaminen der Fabriken stiegen furchteinflößende Rauchwolken. Überall wimmelte es von Menschen; er konnte sich gut vorstellen, welchen Lärm sie machten.

Eine Pferdebahn brachte ihn vom Bahnhof am Flussufer direkt zum Gelobten Land an der Ninth Street. Das Southwestern Ohio Hospital bestand aus zwei roten, dreistöckigen Ziegelbauten und einem hölzernen, zweistöckigen Seuchenhaus. Auf der anderen Straßenseite befand sich in einem weiteren Ziegelgebäude mit einem gläsernen Kuppeldach die Medical School der Poliklinik von Cincinnati. Im Vorlesungsgebäude sah Shaman schäbige Unterrichtsräume und Hörsäle. Er fragte einen Studenten nach dem Büro des Dekans und wurde über eine Eichentreppe in den ersten Stock geschickt. Dr. Berwyn war ein herzlicher Mann mittleren Alters mit einem weißen Schnurrbart und einem im milden Licht der hohen, schmutzigen Fenster schimmernden Kahlkopf. »Ach, Sie sind also Cole.«

Er bot Shaman einen Sessel an. Es folgte eine kurze Ansprache über die Geschichte der medizinischen Fakultät, die Pflichten eines guten Arztes und die Notwendigkeit konzentrierten Studierens. Shaman merkte, dass es eine Standardbegrüßung war, die jeder Student zu hören bekam, doch der Schlusssatz war dann speziell auf ihn zugeschnitten. »Sie dürfen sich nicht einschüchtern lassen von der Bedingung, die an Ihre Aufnahme geknüpft ist«, sagte Dr. Berwyn vorsichtig formulierend. »In gewisser Hinsicht ist jeder Student nur zur Probe da und muss beweisen, dass er ein würdiger Kandidat ist.« In gewisser Hinsicht! Shaman hätte wetten mögen, dass nicht jeder Student schriftlich über diese Zulassungsbedingung informiert worden war. Trotzdem dankte er dem Dekan höflich. Dr. Berwyn führte ihn ins Wohnheim, ein dreistöckiges Holzhaus, das sich hinter dem Schulgebäude versteckte. Der Belegungsplan an der Wand der Eingangshalle informierte ihn, dass Cole, Robert J, in Zimmer 2-B einquartiert war, zusammen mit Cooke, Paul P., Torrington, Ruel und Henried, William.

2-B war ein kleines Zimmer, das von zwei Stockbetten, zwei Schreibtischen und einem Tisch mit vier Stühlen fast völlig ausgefüllt wurde. Auf einem der Stühle saß ein dicker Junge, der sofort zu schreiben aufhörte, als Shaman ins Zimmer trat. »Hallo! Ich bin P.P. Cooke aus Xenia. Billy Henried holt gerade seine Bücher. Also musst du entweder Torrington aus Kentucky oder der taube Knabe sein.« Shaman lachte, alle Spannung war plötzlich von ihm gewichen. »Ich bin der taube Knabe«, sagte er. »Macht’s dir was aus, wenn ich dich Paul nenne?«

An diesem Abend beobachteten sie sich gegenseitig, und sie zogen ihre Schlüsse. Cooke war der Sohn eines Futtermittel- und Getreidehändlers und, seiner Kleidung und seinem Gepäck nach zu urteilen, sehr wohlhabend.

Shaman merkte, dass er daran gewöhnt war, den Narren zu spielen, vielleicht wegen seiner Körperfülle. Aus seinen braunen Augen strahlte jedoch eine wache Intelligenz, der nichts entging. Billy Henried war mager und still. Er erzählte ihnen, er sei auf einer Farm in der Nähe von Columbus aufgewachsen und habe zwei Jahre lang ein Theologieseminar besucht, bevor er zu der Einsicht kam, dass der Priesterberuf nichts für ihn sei. Ruel Torrington, der erst nach dem Abendessen eintraf, war eine Überraschung: Er war doppelt so alt wie seine Zimmerkollegen und bereits ein erfahrener Mediziner. Nachdem er schon in jungen Jahren bei einem Arzt in die Lehre gegangen war, hatte er jetzt beschlossen, Medizin zu studieren, um wirklich ein »Doktor« zu sein.

Die drei anderen in 2-B freuten sich anfangs über sein Vorleben, da sie glaubten, es könne nur von Vorteil sein, gemeinsam mit einem erfahrenen Arzt zu studieren, doch Ruel Torrington war schlechter Stimmung, als er ankam, und seine Laune änderte sich auch nicht, solange sie ihn kannten. Es war nur noch das oberste Bett an der Wand frei, aber das behagte Torrington nicht. Er ließ es sich deutlich anmerken, dass er Cooke nicht mochte, weil der fett war, Shaman nicht, weil er taub war, und Henried nicht, weil er Katholik war. Seine Feindseligkeit schweißte die drei anderen von Anfang an zu einer Allianz zusammen, und sie ließen ihn bald links liegen.

Cooke war schon mehrere Tage in Cincinnati und hatte einige Dinge in Erfahrung gebracht, die er nun den anderen mitteilte. Der Lehrkörper der Schule stehe allgemein in hohem Ansehen, doch es gebe zwei Sterne an diesem akademischen Firmament, die alle anderen überstrahlten. Der eine sei der Professor für Chirurgie, Dr.