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Der Schatten des Magiers

Terry Goodkind

1

»Kahlan«, sagte Richard, »erinnerst du dich noch, wie uns dieser Mann bei den Schlammenschen erzählte, Rahl sei auf einem roten Dämon reitend zu ihnen gekommen? Was hat er damit gemeint?«

Drei Tage waren sie mit Savidlin und seinen Jägern durch die Ebene gezogen. Dann hatten sie sich verabschiedet und ihm mit einem Blick in seine traurigen Augen versprochen, alles zu tun, um Siddin zu finden. Und jetzt waren sie schon seit einer Woche immer weiter hinauf in das Hochland gestiegen, in das Rang’Shada-Gebirge, das sich nordöstlich quer durch das ferne Hinterland der Midlands erstreckte und diese verlassene Gegend, die unter dem Namen Agaden bekannt war, schützend umarmte. Die schroffen Gipfel erhoben sich um diesen Ort wie eine Dornenkrone, die alles und jeden fernzuhalten schien.

»Das weißt du nicht?« Sie wirkte leicht überrascht.

Er schüttelte den Kopf, und sie ließ sich auf einen Felsen sacken. Vor Müdigkeit stöhnend streifte Richard seinen Rucksack ab, ließ sich auf den Boden fallen, lehnte sich an einen niedrigen Felsen und streckte die Arme nach hinten aus. Sie sah anders aus, jetzt, nachdem sie sich den schwarzweißen Schlamm aus dem Gesicht gewaschen hatte.

»Und, was bedeutet es nun?« wiederholte er seine Frage.

»Es war ein Drache.«

»Ein Drache! In den Midlands gibt es Drachen? Ich dachte, so etwas gibt es in Wirklichkeit nicht!«

»Doch, es gibt sie.« Sie sah ihn ungläubig an. »Ich dachte, das wüßtest du.« Er schüttelte einmal kurz den Kopf. »Na ja, woher auch, schließlich gibt es in Westland keine Magie. Drachen besitzen magische Kräfte. Wahrscheinlich können sie deshalb fliegen.«

»Ich dachte, Drachen wären nur Legenden. Alte Geschichten.« Er schnippte einen Stein mit Daumen und Zeigefinger fort und sah zu, wie er an einen Felsen prallte.

»Alte Geschichten von Dingen, an die man sich erinnert, schon möglich. Wie auch immer, sie sind durchaus lebendig.« Ihr war heiß. Sie schloß die Augen. »Es gibt verschiedene Arten. Graue, grüne, rote und noch ein paar andere, die nicht so häufig sind. Die grauen sind die kleinsten. Sie sind recht scheu. Die grünen sind erheblich größer. Die gerissensten und größten sind die roten. Einige Völker aus den Midlands halten sich die grauen als Haustiere und für die Jagd. Die grünen hält sich kein Mensch. Sie sind ziemlich dumm und schlecht gelaunt und können gefährlich werden.« Sie öffnete die Augen, legte den Kopf schräg und sah ihn unter ihren geschwungenen Brauen hervor an. »Die roten sind eine völlig andere Geschichte. Blitzschnell haben die dich geschmort und gefressen. Und klug sind sie noch dazu.«

»Sie fressen Menschen?« stöhnte Richard und rieb sich die Augen.

»Nur, wenn sie Hunger haben oder ihre Wut groß genug ist. Wir wären für sie nur ein kleiner Happen.« Sie sah ihn aus ihren grünen Augen an. »Ich verstehe nur nicht, wieso Rahl auf einem geritten ist.«

Richard mußte an dieses rote Etwas am Himmel denken, das im oberen Ven Forest über ihn hinweggeflogen war, kurz bevor er Kahlan zum ersten Mal gesehen hatte. Er warf den nächsten Stein an den Felsen. »Vermutlich ist er deswegen so schnell und kommt so weit herum.«

Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Das heißt, ich weiß nicht, warum sich ein roter Drache das gefallen lassen sollte. Sie sind geradezu versessen auf ihre Freiheit und halten sich aus den Angelegenheiten der Menschen heraus. Genaugenommen interessieren die sie einfach nicht. Sie würden lieber sterben, als sich unterjochen zu lassen. Wie gesagt, sie verfügen über magische Kräfte und könnten sogar diesem Kerl aus D’Hara einige Schwierigkeiten machen. Für eine Weile wenigstens. Es wäre ihnen sogar egal, wenn er mit einem seiner Zauber ihr Leben bedrohte. Eher würden sie sterben, als sich beherrschen zu lassen. Sie würden ganz einfach bis zum Tod kämpfen — ihrem eigenen oder dem ihres Gegners.«

Sie beugte sich zu ihm vor und senkte bedeutungsschwer die Stimme. »Es ist schon sehr merkwürdig, wenn einer von ihnen Darken Rahl auf seinem Rücken trägt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand über einen roten Drachen gebietet.«

Sie sah ihn einen Augenblick lang an, richtete sich dann auf und kratzte an der Flechte auf dem Felsen.

»Können uns diese Drachen gefährlich werden?« Er kam sich bei der Frage ein wenig dumm vor.

»Eigentlich nicht. Bis jetzt habe ich nur einige rote von nahem gesehen. Ich war auf einer Straße unterwegs, als einer auf das Feld neben mir herunterstieß und sich zwei Kühe schnappte. Er trug sie beide gleichzeitig davon. Wenn wir einem roten begegnen und er ist schlecht gelaunt, könnte es ziemlichen Ärger geben. Aber das ist nicht sehr wahrscheinlich.«

»Wir sind schon einem roten begegnet«, erinnerte er sie ruhig. »Und das war ziemlich übel.«

Sie antwortete nicht. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war die Erinnerung für sie ebenso schmerzhaft wie für ihn.

»Ach, da seid ihr zwei ja!« rief eine fremde Stimme.

Die beiden schreckten hoch. Richard sprang auf und griff nach dem Schwert. Kahlan blieb halb in der Hocke.

»Setzt euch, bleibt sitzen«, beschwichtigte sie der Mann mit erhobenen Händen, während er den Pfad herab auf sie zukam. »Ich wollte euch nicht erschrecken!« Beim Lachen schüttelte sich sein weißer Bart. »Ich bin’s nur, Old John. Ich habe euch gesucht. Setzt euch, setzt euch.«

Sein Bauch wölbte seinen Umhang und bebte beim Lachen. Das weiße Haar war genau in der Mitte gescheitelt, seine langen, lockigen Brauen und seine schweren Lider verdeckten die Augen. Wenn er lachte, legte sich sein fröhliches, rundes Gesicht in tausend Falten. Kahlan setzte sich vorsichtig wieder hin. Richard nur halb. Er hockte sich auf die Kante des Felsens, an dem er gelehnt hatte. Die Hand behielt er am Schwert.

»Was soll das heißen, du hast nach uns gesucht?« fragte Richard in einem Ton, der alles andere als freundlich klang.

»Mein Freund, der alte Zauberer, hat mich geschickt…«

Richard sprang auf die Beine. »Zedd! Zedd hat dich geschickt?«

Old John hielt sich den Bauch vor Lachen. »Wie viele alte Zauberer kennst du denn, mein Junge? Natürlich war es der alte Zedd.« Er strich sich durch den Bart und zwinkerte den beiden zu. »Er hatte etwas Wichtiges zu erledigen, aber jetzt braucht er euch. Sofort. Also bat er mich, euch zu holen. Ich hatte gerade nichts Besseres zu tun, daher war ich einverstanden. Er hat mir erklärt, wo ich euch finden würde. Sieht aus, als hätte er recht behalten, wie gewöhnlich.«

Richard mußte schmunzeln. »Und, wie geht es ihm? Wo steckt er, und wozu braucht er uns?«

Old John zupfte ein wenig fester an seinem Bart und nickte. »Er hat mich gewarnt. Er hat mich gewarnt, du würdest eine Menge Fragen stellen. Es geht ihm gut. Ansonsten weiß ich auch nicht, wozu er euch braucht. Wenn Zedd gereizt ist, stellt man keine Fragen, sondern tut, was er sagt. Genau das habe ich getan. Und jetzt bin ich hier.«

»Wo steckt er? Wie weit ist es?« Die Aussicht, Zedd wiederzusehen, versetzte Richard in helle Aufregung.

Old John kratzte sich am Kinn und beugte sich ein Stück vor. »Kommt darauf an. Wie lange willst du noch rumstehen und Volksreden schwingen?«

Grinsend schnappte sich Richard seinen Rucksack. Die Müdigkeit war vergessen. Kahlan verzog amüsiert die Mundwinkel, als sie Old John den steinigen Pfad hinauf folgten. Richard ließ Kahlan vorgehen. Er wollte den Wald im Auge behalten, denn sie hatte ihm erzählt, daß es nicht mehr weit sei bis zu der Hexe. Er freute sich auf Zedd. Er hatte gar nicht gemerkt, wie sehr ihn die Sorge um seinen alten Freund innerlich angespannt hatte. Adie hatte sich bestimmt gut um ihn gekümmert, aber auch sie hatte nicht versprechen können, daß er wieder gesund würde. Hoffentlich hatte sich auch Chase erholt. Die Freude, Zedd wiederzusehen, überwältigte ihn. Er mußte ihm so viel erzählen und so viele Fragen stellen. Seine Gedanken rasten.

»Es geht ihm also gut?« rief Richard dem voraneilenden Old John nach. »Hat er sich wieder erholt? Er ist doch nicht noch dünner geworden? Das kann sich Zedd nicht erlauben.«