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Die Stille schien ewig zu dauern. Kahlan stand regungslos über Demmin. Zedd bekam vor Qual kaum Luft, ein Kloß versperrte seinen Hals. Ihm zitterten die Knie.

Kahlans Stimme war so leise, daß Zedd sie kaum verstand. »Und du bist sicher, daß er tot ist?«

»Ich habe nicht gesehen, wie er getötet wurde, Herrin. Aber ich bin sicher.«

»Wie das?«

»Mir schien es, als wäre Meister Rahl in der Stimmung gewesen, ihn zu töten. Und wenn er es nicht getan hat, dann bestimmt Denna. Das ist die Aufgabe einer Mord-Sith. Der Gatte einer Mord-Sith lebt nicht sehr lange. Ich war überrascht, daß er noch lebte, als ich ihn verließ. Er schien in schlimmer Verfassung zu sein. Ich habe noch nie gesehen, daß ein Mann den Strafer so oft ins Genick bekommt und es überlebt. Er hat Euren Namen gerufen. Denna hat nur deswegen nicht zugelassen, daß er vor jenem Tag stirbt, weil Meister Rahl ihn vorher sprechen wollte. Ich habe es nicht mit eigenen Augen gesehen, Herrin, aber ich bin trotzdem sicher. Denna hat ihn durch die Magie des Schwertes an sich gebunden, es gab für ihn kein Entrinnen. Sie hatte ihn länger als gewöhnlich, sie hat ihm mehr als gewöhnlich weh getan, und sie hat ihn länger als üblich auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod wandern lassen. Aus irgendeinem Grund wollte Meister Rahl, daß der Sucher lange leidet. Deswegen hat er Denna ausgesucht. Keine genießt es mehr als sie, keine verfügt über mehr Talent, die Qualen in die Länge zu ziehen. Die anderen wissen nicht, wie sie ihre Opfer so lange am Leben lassen können. Wenn schon aus keinem anderen Grund, dann ist er jetzt tot, weil er der Gatte einer Mord-Sith war. Er kann unmöglich bis jetzt überlebt haben.«

Zedd sank auf die Knie, ihm brach das Herz vor Qual. Er weinte vor Schmerz. Er fühlte sich, als wäre dies das Ende der Welt. Er wollte nicht mehr. Er wollte sterben. Was hatte er bloß getan? Wie hatte er zulassen können, daß Richard in diese Sache hineingezogen wurde? Ausgerechnet Richard. Jetzt wußte er, warum Darken Rahl ihn nicht getötet hatte, als er die Gelegenheit dazu hatte. Er wollte, das Zedd zuerst litt. Das war seine Art.

Chase hockte sich neben ihn und legte den Arm um ihn. »Tut mir leid, Zedd«, flüsterte er. »Richard war auch mein Freund. Es tut mir so leid.«

»Sieh mich an«, sagte Kahlan, die Keule mit beiden Händen erhoben.

Demmin hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Sie wuchtete die Keule mit aller Kraft nach unten. Sie grub sich mit einem ekligen Geräusch in seine Stirn, saß fest und wurde ihr aus den Händen gerissen, als er schlaff und gleitend niederging, so als hätte er keine Knochen.

Zedd unterdrückte seine Tränen und stand auf, als sie auf die beiden zukam. Unterwegs holte sie eine Blechschale aus einem Rucksack.

Sie reichte sie Chase. »Fülle sie zur Hälfte mit Giftbeeren vom Blutkehlenstrauch.«

Chase starrte ein wenig verwirrt auf die Schale. »Jetzt sofort?«

»Ja.«

Er bemerkte Zedds warnenden Blick und richtete sich auf. »Na schön.« Er drehte sich um und wollte gehen, machte jedoch kehrt, zog seinen schweren, schwarzen Umhang aus und legte ihn ihr über die Schultern, um ihre Blöße zu bedecken. »Kahlan…« Er starrte sie an, brachte schließlich doch kein Wort hervor und machte sich an seine Aufgabe.

Kahlan starrte mit leerem Blick ins Nichts. Zedd legte den Arm um sie und setzte sie auf eine zusammengerollte Decke. Dann sammelte er die Überreste ihres Hemdes ein und riß es in Streifen, die er mit Wasser aus einem Schlauch befeuchtete. Sie ließ es widerstandslos geschehen, als er ihr das Blut abwusch, einige ihrer Wunden mit Salbe, andere magisch versorgte. Als er fertig war, hob er mit den Fingern ihr Kinn und blickte ihr in die Augen.

Zedd sprach leise. »Er ist nicht umsonst gestorben, meine Liebe. Er hat das Kästchen gefunden und alle gerettet. Behalte ihn in deiner Erinnerung als jemand, der das getan hat, was niemand sonst hätte tun können.«

Leichter Nebel aus den dicken, dicht über dem Boden ziehenden Wolken legte sich allmählich feucht auf ihre Gesichter.

»Ich werde immer nur daran denken, daß ich ihn geliebt habe und es ihm nie habe sagen können.«

Zedd verschloß die Augen angesichts der Bürde, ein Zauberer zu sein.

Chase kehrte zurück und reichte ihr die Schale mit giftigen Beeren. Sie bat um etwas, mit dem sie sie zerstoßen konnte. Mit ein paar raschen Schnitten hatte Chase einen dicken Ast zurechtgeschnitzt, mit dem sie zufrieden war. Sie machte sich an die Arbeit.

Sie hielt inne, als wäre ihr etwas eingefallen. Sie hob den Kopf und sah Zedd an, ihre Augen glühten. »Darken Rahl gehört mir.« Es war eine Warnung. Eine Drohung.

Er nickte. »Ich weiß, meine Liebe.«

Sie zerquetschte die Beeren weiter. Eine Träne lief ihr die Wange hinunter.

»Ich werde Brophy begraben«, meinte Chase leise zu Zedd. »Die anderen können von mir aus verfaulen.«

Kahlan zerdrückte die Beeren zu einer Paste, indem sie ein wenig Asche aus dem Feuer hinzufügte. Als sie fertig war, mußte Zedd ihr den kleinen Spiegel halten, während sie sich mit der Paste das Zeichen des Con Dar aufmalte: Doppelblitze. Die Magie führte ihr die Hand. Sie setzte auf beiden Seiten an der Schläfe an. Die beiden Blitze waren einander Spiegelbilder, der obere Teil des Blitzes verlief im Zickzack über je eine Braue, das jeweilige Mittelstück über ein Lid und der untere Teil über die Wangenknochen, bis sie schließlich in den Grübchen einer jeden Wange endeten.

Der Effekt war furchteinflößend — und sollte es auch sein. Es war eine Warnung an die Unschuldigen. Und für die Schuldigen ein Gelübde.

Nachdem sie sich die Zotteln aus dem Haar gebürstet hatte, holte sie das Konfessorkleid aus ihrem Rucksack, legte den Umhang fort und zog es über. Chase kam zurück. Kahlan reichte ihm seinen Umhang und bedankte sich bei ihm.

»Trag du ihn«, meinte Chase, »er ist wärmer als deiner.«

»Ich bin die Mutter Konfessor. Ich trage keinen Umhang.«

Der Grenzposten widersprach nicht. »Die Pferde sind verschwunden. Alle.«

Sie sah ihn gleichgültig an. »Dann gehen wir eben zu Fuß. Wir werden nachts nicht anhalten, sondern weitermarschieren. Du kannst mitkommen, wenn du willst, vorausgesetzt, du hältst mich nicht auf.«

Chase reagierte erstaunt auf die unbeabsichtigte Beleidigung, ließ es aber dabei bewenden. Kahlan machte kehrt und ging los, ohne etwas von ihren Sachen zusammenzusuchen. Chase warf Zedd einen Blick zu und stieß geräuschvoll einen Seufzer aus.

Er bückte sich, um seine Sachen einzusammeln. »Ohne meine Waffen breche ich nicht auf.«

»Wir sollten uns beeilen, bevor sie einen zu großen Vorsprung hat. Sie wird nicht auf uns warten.« Der Zauberer schnappte sich Kahlans Rucksack und stopfte hinein, was er fand. »Wir sollten zumindest etwas von unseren Vorräten mitnehmen.« Er strich eine Falte aus dem Rucksack. »Chase, ich fürchte, wir werden nicht wieder zurückkommen. Der Con Dar ist ein Selbstmordkommando. Du hast Familie. Du brauchst nicht mitzukommen.«

Chase sah nicht einmal auf. »Was ist eine Mord-Sith?« fragte er ruhig.

Der Zauberer mußte schlucken, er hielt den Rucksack so fest umklammert, daß seine Hände zitterten. »Mord-Siths werden von klein auf in der Kunst der Folter und im Gebrauch eines gnadenlosen Schmerzbereiters, dem Strafer, ausgebildet. Das war dieses rote Ding, das um Darken Rahls Hals hing. Die Mord-Sith sind durch Magie dagegen gefeit. Sie besitzen die Macht, einem Menschen die Zauberkraft zu nehmen und sie gegen ihn zu richten.« Zedds Stimme brach. »Richard hat das bestimmt nicht gewußt. Er hatte keine Chance. Der einzige Lebenszweck einer Mord-Sith, ihr einziges Ziel ist es, jemanden mittels dieser Zauberkraft zu Tode zu quälen.«

Chase rammte ein Stück Decke in den Rucksack. »Ich komme mit.«

Zedd nickte, er hatte verstanden. »Ich bin froh, daß du uns begleitest.«

»Können diese Mord-Siths uns gefährlich werden?«

»Dir nicht, du besitzt keine Zauberkräfte, und Zauberern ebenfalls nicht, ich bin gegen sie geschützt.«