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»Gutes Mädchen.« Er lächelte, drehte sich um und kehrte ihr den Rükken zu.

Sie strahlte ihn an, dann machte sie ein besorgtes Gesicht. »Ich mußte es stehlen. Ich habe noch nie etwas gestohlen.«

»Ich versichere dir, Rachel, es ist für einen guten Zweck.« Er betrachtete das Kästchen.

»Giller, Prinzessin Violet kommt hierher.«

Er machte große Augen und drehte sich um. »Wann?«

»Nach der Anprobe für ihr neues Kleid, hat sie gesagt. Sie ist ziemlich kleinlich, es kann also ein Weilchen dauern, vielleicht aber auch nicht. Sie probiert gerne Schmuck an und betrachtet sich dann im Spiegel.«

»Verflucht seien die Seelen«, zischte Giller, »nichts ist jemals einfach.« Er machte kehrt und nahm das Kästchen der Königin von seinem Marmorpodest.

»Giller! Das darfst du nicht anfassen! Das gehört der Königin!«

Er wirkte ein bißchen böse, als er sie ansah. »Nein! Tut es nicht. Warte nur, ich werde es dir erklären.«

Er stellte das Kästchen auf den Schemel neben das Brot. Dann griff er unter seinen Umhang und holte ein weiteres Kästchen hervor. »Wie gefällt es dir?« Er hielt ihr das Kästchen mit einem schiefen Lächeln hin.

»Es sieht ganz genauso aus!«

»Gut.« Er stellte es auf das Podest, wo das echte gestanden hatte, dann setzte er sich neben sie und den Schemel auf den Boden. »Jetzt hör mir zu, Rachel. Wir haben nicht viel Zeit, und du mußt alles genau verstehen.«

Ihm war anzusehen, wie ernst er es meinte. Sie nickte. »Mach ich, Giller.«

Er legte die Hand über das Kästchen. »Dieses Kästchen besitzt magische Kräfte, und es gehört nicht der Königin.«

Sie runzelte die Stirn. »Nein? Wem denn?«

»Das zu erklären fehlt mir im Augenblick die Zeit. Vielleicht, wenn wir von hier fort sind. Das Wichtigste ist, die Königin ist ein schlechter Mensch.« Rachel nickte. Das wußte sie schon. »Sie schlägt Leuten den Kopf ab, nur weil ihr gerade danach ist. Sie hat Macht.

Macht bedeutet, daß sie tun kann, was sie will. Dieses Kästchen besitzt magische Kräfte und verhilft ihr so zu dieser Macht. Deswegen hat sie es gestohlen.«

»Ich verstehe. Genau wie die Prinzessin mich einfach schlagen, mein Haar schief schneiden und mich auslachen kann.«

Er nickte. »Richtig. Sehr gut, Rachel. Weiter. Es gibt einen Mann, der noch gemeiner ist als die Königin. Sein Name ist Darken Rahl.«

»Vater Rahl?« Sie war verwirrt. »Alle sagen, er sei nett. Die Prinzessin meint, er sei der netteste Mensch auf der ganzen Welt.«

»Die Prinzessin behauptet auch, ihr Kleid nie mit Soße zu bekleckern.« Er zog eine Braue hoch.

»Das ist gelogen.«

Giller legte ihr ganz sachte die Hände auf die Schultern. »Jetzt hör ganz genau zu. Darken Rahl, Vater Rahl, ist der gemeinste Mensch, den es je gegeben hat. Er tut mehr Menschen weh, als die Königin sich träumen lassen würde. Er tötet sogar Kinder. Weißt du, was das bedeutet, jemanden zu töten?«

Sie wurde traurig und bekam Angst. »Es bedeutet, daß man ihm den Kopf abschlägt oder so, ihn totmacht.«

»Ja. Und genau wie die Prinzessin lacht, wenn sie dich schlägt, so lacht Darken Rahl, wenn er Menschen umbringt. Du weißt doch, wie die Prinzessin beim Abendessen mit all den Lords und Ladies ist, richtig nett und sehr höflich. Und wie sie dich schlägt, sobald sie mit dir alleine ist?«

Rachel nickte. Sie hatte einen Kloß in der Kehle. »Die anderen sollen nicht wissen, wie gemein sie in Wirklichkeit ist.«

Giller hob einen Finger. »Genau! Du bist ein sehr kluges Mädchen! Nun, Vater Rahl ist genauso. Die Menschen sollen nicht wissen, wie gemein er ist, daher kann er sehr höflich sein und den Eindruck erwecken, er sei der netteste Mensch auf der Welt. Was immer du auch tust, Rachel, geh ihm aus dem Weg, wenn du kannst.«

»Ja, das mache ich, ganz bestimmt.«

»Aber wenn er mit dir spricht, dann sei genauso höflich wie er. Laß dir nicht anmerken, daß du Bescheid weißt. Niemand braucht zu erfahren, was du weißt. Dann bist du sicher.«

Sie lächelte. »Genau wie Sara. Ich erzähle niemandem davon, damit sie mir niemand wegnehmen kann. So ist sie sicher.«

Er legte den Arm um sie und drückte sie kurz. »Die Seelen seien gepriesen, du bist ein kluges Kind.« Es tat ihr richtig gut, als er das sagte. Noch nie hatte jemand gesagt, sie sei klug. »Hör genau zu, jetzt kommt das Wichtigste.«

Sie nickte. »Klar, Giller, mach’ ich.«

Er legte die Hand auf das Kästchen. »Dieses Kästchen besitzt magische Kräfte. Wenn die Königin es Vater Rahl gibt, kann er die Magie benutzen, um noch mehr Menschen weh zu tun. Er wird noch viel mehr Leuten den Kopf abschlagen. Die Königin ist gemein. Und deshalb wird sie ihm das Kästchen geben.«

Sie bekam ganz große Augen. »Giller! Sie darf ihm das Kästchen nicht geben! Sonst werden sie all diesen Leuten den Kopf abschlagen!«

Unter seiner Hakennase machte sich ein strahlendes Lächeln breit. Er nahm ihr Kinn in die Hand. »Rachel, du bist das klügste Mädchen, das ich je kennengelernt habe. Ganz bestimmt.«

»Wir müssen das Kästchen verstecken, so wie Sara!«

»Genau das werden wir tun.« Er zeigte auf das Kästchen oben auf dem Podest. »Das ist eine Nachbildung. Das bedeutet, es ist nicht das echte, sondern eine Fälschung, damit sie eine Weile getäuscht werden und wir fliehen können, bevor sie dahinterkommen, daß das echte verschwunden ist.«

Sie betrachtete das falsche Kästchen. Es sah genauso aus wie das echte. »Giller, du bist der klügste Mann, den ich je gesehen habe.«

Sein Lächeln bekam einen Stich. »Ich fürchte, Kind, ich bin klüger, als es mir guttut.« Er lächelte wieder. »Folgendes werden wir tun.«

Giller nahm das Brot, das sie in der Küche gestohlen hatte, und brach es entzwei. Mit seinen großen Händen holte er ein wenig von dem Teig heraus. Einen Teil davon stopfte er sich in den Mund. Seine Backen wurden ganz dick, so viel war es. Dann stopfte er ihr etwas in den Mund. Sie kaute, so schnell sie konnte. Es war gut, noch warm. Als sie den Mittelteil aufgegessen hatten, nahm er das echte Kästchen, stopfte es in das Brot und klebte die beiden Hälften wieder zusammen. Er hielt es hoch, damit sie es sehen konnte.

»Was meinst du?«

Sie zog ein Gesicht. »Da sind überall Risse. Jeder sieht, daß man es auseinandergebrochen hat.«

Er schüttelte den Kopf. »Du bist richtig schlau. Nun, schließlich bin ich Zauberer. Mal sehen, ob ich etwas dagegen tun kann. Was meinst du?«

Sie nickte. »Kann schon sein.«

Er legte das Brot in seinen Schoß und ließ seine Hände darüber kreisen. Dann zog er die Hände zurück und hielt ihr das Brot wieder hin. Die Risse waren verschwunden! Es sah aus wie neu!

»Jetzt kommt kein Mensch mehr drauf«, kicherte sie.

»Hoffentlich hast du recht, Kind. Ich habe ein magisches Netz, einen Zauber, über das Brot geworfen, damit niemand die magischen Kräfte des Kästchens in seinem Innern erkennen kann.«

Er breitete das Tuch über dem Schemel aus und legte das Brot darauf. Dann nahm er die vier Zipfel in die Hand und verschnürte sie in der Mitte darüber. Dann packte er das Bündel an den Knoten, legte es in seine andere Hand und hielt es ihr hin. Er sah ihr in die Augen, ohne zu lächeln. Er sah fast ein wenig traurig aus.

»Und jetzt kommt das Schwerste, Rachel. Wir müssen das Kästchen von hier fortbringen. Im Schloß dürfen wir es nicht verstecken, man könnte es finden. Weißt du noch, wo ich deine Puppe versteckt habe im Garten?«

Sie lächelte stolz. Sie wußte es noch. »Die dritte Vase rechts.«

Er nickte. »Ich werde das hier auch dort verstecken, genau wie deine Puppe. Du mußt es dort holen gehen wie deine Puppe und dann aus dem Schloß bringen.« Er beugte sich ein Stück vor. »Du mußt es heute nacht tun.«

Sie begann, ihren Finger in den Saum ihres Kleides zu drehen. Sie war den Tränen nahe. »Giller, ich hab’ solche Angst, das Kästchen der Königin anzufassen.«

»Ich weiß. Aber denk dran, das Kästchen gehört nicht der Königin. Du willst doch helfen, daß man all diesen Menschen nicht den Kopf abschlägt, oder?«