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Sie berührte seine Wange zart mit den Fingerspitzen. »Menschen wie dich gibt es nicht viele, Richard Cypher. Ich hatte noch nie einen Gatten wie dich. Die Seelen mögen mich holen, ich habe noch nie jemanden wie dich kennengelernt. Den, der mir das angetan hat, was ich dir angetan habe, den habe ich umgebracht, und du hilfst mir statt dessen.«

»Wir alle können nur sein, wer wir sind, nicht mehr und nicht weniger, Herrin Denna.« Er betrachtete seine Hände. »Mir gefällt nicht, was Meister Rahl Euch angetan hat.«

»Du weißt nicht, was es heißt, Mord-Sith zu sein, mein Lieber. Wir werden sehr sorgfältig als junge Mädchen ausgewählt. Als Mord-Sith werden nur die gütigsten und warmherzigsten ausgewählt, die man finden kann. Es heißt, tiefste Grausamkeit entsteht aus tiefster Fürsorge. Ganz D’Hara wird abgesucht, und jedes Jahr werden nur ungefähr ein halbes Dutzend erwählt. Eine Mord-Sith wird dreimal gebrochen.«

Er riß die Augen auf. »Dreimal?« hauchte er ungläubig.

Denna nickte. »Beim ersten Mal ist es so, wie ich dich gebrochen habe. Damit wird der Geist gebrochen. Das zweite Mal dient dazu, unser Mitgefühl zu brechen. Um das zu erreichen, müssen wir mit ansehen, wie unser Ausbilder unsere Mutter bricht, sie zu seinem Hündchen macht und zu Tode quält. Beim dritten Mal wird die Angst gebrochen, die wir davor haben, anderen weh zu tun, damit wir Spaß dabei empfinden, anderen Schmerzen zu bereiten. Um das zu erreichen, müssen wir unter der Anleitung unserer Ausbilder unseren Vater brechen und zu unserem Hündchen machen und ihm so lange Schmerzen zufügen, bis er stirbt.«

Tränen liefen Richard die Wangen herab. »Das hat man Euch alles angetan?«

»Was ich dir angetan habe, um dich zu brechen, ist nichts im Vergleich dazu, was erforderlich ist, um uns das zweite oder dritte Mal zu brechen. Je warmherziger ein Mädchen ist, desto besser wird sie als Mord-Sith, gleichzeitig wird es aber schwieriger, sie beim zweiten oder dritten Mal zu brechen. Meister Rahl hält mich für etwas Besonderes, weil sie es sehr schwer hatten, mich beim zweiten Mal zu brechen. Meine Mutter hat sehr lange gelebt und versucht, mich davon abzubringen, die Hoffnung aufzugeben, aber das hat alles nur erschwert. Für uns beide. Das dritte Brechen ist gescheitert, man hatte schon aufgegeben, und ich sollte getötet werden. Meister Rahl jedoch meinte, wenn ich trotzdem gebrochen werden könnte, wäre ich etwas Besonderes, also hat er meine Ausbildung selbst übernommen. Er war es, der mich das dritte Mal gebrochen hat. Am Tag, als ich meinen Vater tötete, nahm er mich zu sich ins Bett als Belohnung. Seitdem bin ich unfruchtbar.«

Richard bekam kein Wort an dem Kloß in seiner Kehle vorbei.

Mit zitternden Fingern wischte er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich will nicht, daß Euch jemand weh tut. Niemals mehr, Herrin Denna.«

»Es gilt als Ehre«, flüsterte Denna unter Tränen, »wenn Meister Rahl sich die Zeit nimmt, jemanden so Geringes wie mich mit seinem eigenen Strafer zu foltern.«

Richard war wie betäubt. »Hoffentlich bringt er mich morgen um, damit ich nicht noch mehr dieser qualvollen Dinge hören muß, Herrin Denna.«

Ihre feuchten Augen glänzten im Schein der Lampe. »Ich habe dir Dinge angetan, die ich noch keinem anderen zugemutet habe, und doch bist du der erste, der sich darum bemüht, mir den Schmerz zu nehmen.« Sie setzte sich auf und nahm die Schale zur Hand. »Es ist noch etwas übrig. Ich möchte dir etwas auf die Stellen streichen, wo Constance das getan hat, was ich ihr verboten hatte.«

Denna strich die Aumsalbe auf die Striemen an seinen Schultern, dann auf Brust und Bauch und arbeitete sich hoch bis zum Hals. Ihre Blicke trafen sich. Ihre Hand zögerte. Im Raum war es totenstill. Denna beugte sich vor und gab ihm einen zarten Kuß. Sie legte ihm die Hand mit der Salbe in den Nacken und küßte ihn ein zweites Mal.

Dann legte sie sich zurück aufs Bett und drückte seine Hand mit beiden Händen auf ihren Bauch. »Komm zu mir, mein Geliebter. Ich will dich haben. Jetzt sofort.«

Richard nickte und wollte nach dem Strafer auf dem Nachttisch greifen. Denna berührte sein Handgelenk.

»Heute nacht will ich dich ohne den Strafer. Bitte zeig mir, wie es ohne Schmerzen ist, ja?«

Sie legte ihm eine Hand um den Hals und zog ihn sachte auf sich.

14

Am nächsten Morgen bildete Denna ihn nicht aus, sondern nahm ihn mit auf einen Spaziergang. Meister Rahl hatte gesagt, er wolle Richard nach der zweiten Andacht sehen. Als sie vorüber war und sie gerade gehen wollten, stellte sich Constance ihnen in den Weg.

»Du siehst heute überraschend gut aus, Schwester Denna.«

Denna sah sie ohne Regung an. Richard war wütend auf Constance, weil sie mit Meister Rahl über Denna gesprochen hatte, damit sie bestraft wurde, und mußte sich auf Dennas Zopf konzentrieren.

Constance drehte sich zu Richard. »Ich habe gehört, du sollst heute eine Audienz bei Meister Rahl bekommen. Wenn du danach noch lebst, werden wir uns häufiger sehen. Und zwar allein. Ich will sozusagen auch ein Stück von dir, wenn er mit dir fertig ist.«

Er sprach, ohne nachzudenken. »Das Jahr, in dem man Euch ausgewählt hat, Herrin Constance, muß ein Jahr verzweifelten Mangels gewesen sein, sonst hätte man niemals jemanden von so beschränkter Intelligenz zur Mord-Sith gemacht. Nur der Dümmste stellt seine eigenen armseligen Ziele über den Wert einer Freundin. Besonders wenn es sich um eine handelt, die so viel für Euch geopfert hat. Ihr seid es nicht wert, den Strafer von Herrin Denna zu küssen.« Richard setzte ein glattes, zufriedenes Lächeln auf, als sie wie vom Blitz getroffen dastand. »Ihr solltet darauf hoffen, daß Meister Rahl mich tötet, Herrin Constance, denn wenn er das nicht tut, werde ich Euch bei unserer nächsten Begegnung töten für das, was Ihr Herrin Denna angetan habt.«

Constance starrte ihn schockiert an, dann plötzlich ging sie mit ihrem Strafer auf ihn los. Dennas Arm war länger. Sie riß ihn hoch und rammte Constance ihren Strafer gegen den Kehlkopf, um sie zurückzuhalten. Constances Augen traten überrascht heraus. Sie hustete Blut, sackte auf die Knie und faßte sich mit beiden Händen an die Kehle.

Denna starrte einen Augenblick auf sie herab, bevor sie ohne ein Wort ging. Richard, angekettet, folgte ihr.

Denna hielt den Blick geradeaus gerichtet und verriet keine Regung. »Rate mal, wie viele Stunden dir das eingebracht hat.«

Richard mußte grinsen. »Herrin Denna, wenn je eine Mord-Sith einem Toten einen Schrei entlockt hat, dann Ihr.«

»Und wenn Meister Rahl dich nicht tötet, wie viele Stunden dann?«

»Herrin Denna, ein Leben hat nicht genug Stunden, um meine Freude über das, was ich getan habe, zu trüben.«

Sie lächelte ein wenig, sah ihn aber nicht an. »Ich bin nur froh, daß es dir das wert war.« Sie sah ihn schräg von der Seite an. »Ich begreife dich noch immer nicht. Deinen Worten zufolge können wir nicht mehr oder weniger sein, als wir sind. Ich bedauere, daß ich nicht mehr sein kann, als ich bin, und ich fürchte, du kannst nicht weniger sein. Wären wir keine Krieger, die in diesem Krieg auf verschiedenen Seiten kämpfen, ich würde dich mein Leben lang als Gatten behalten und alles daransetzen, dich an Altersschwäche sterben zu sehen.«

Ihr sanfter Ton erwärmte Richard. »Ich würde mein Bestes versuchen, für Euch ein langes Leben zu leben, Herrin Denna.«

Sie gingen weiter durch die Hallen, vorbei an den Andachtsplätzen, den Statuen, den Menschen. Sie führte ihn Treppen hinauf, durch gewaltige, erlesen dekorierte Säle. Vor einer Doppeltür mit Schnitzereien einer ausgedehnten Hügel- und Waldlandschaft, die mit Gold überzogen waren, blieb sie stehen.

Denna sah ihn an. »Bist du bereit, an diesem Tag zu sterben, mein Geliebter?«

»Noch ist der Tag nicht vorbei, Herrin Denna.«