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Die schwerste Frage hob Richard sich für zuletzt auf. »Und er?« Er warf kurz einen Blick in den Schatten, wo Samuel hockte und sie aus gelben Augen beobachtete.

Sie sah Richard in die Augen und sagte voller Bedauern: »Samuel, komm her.«

Das widerwärtige Geschöpf huschte über den Rasen, drückte sich an die Seite seiner Herrin und gab dabei ein seltsam kehliges Gurgeln von sich. Samuel heftete seinen Blick auf das Schwert und ließ es nicht aus den Augen. Shota streichelte ihm zärtlich über den Kopf.

»Ich denke, es ist Zeit für eine förmliche Vorstellung. Richard, darf ich dir Samuel vorstellen, deinen Vorgänger. Den vorigen Sucher.«

Richard riß die Augen auf und blickte den Begleiter an. Er war sprachlos.

»Mein Schwert! Her damit!« Samuel wollte danach greifen. Shota sprach warnend seinen Namen aus, ohne den Blick von Richard zu nehmen, und sofort zog das Geschöpf seine Hand zurück und schmiegte sich wieder an ihre Seite. »Mein Schwert!« jammerte er leise vor sich hin.

»Warum sieht er so aus?« fragte Richard vorsichtig. Er hatte Angst vor der Antwort.

»Du weißt es wirklich nicht, hab’ ich recht?« Shota zog eine Braue hoch und betrachtete sein Gesicht. Ihr trauriges Lächeln kehrte zurück. »Die Magie. Hat dich der Zauberer nicht gewarnt?«

Richard schüttelte langsam den Kopf. Er brachte kein Wort hervor. Seine Zunge klebte am Gaumen.

»Dann solltest du mal mit ihm reden.«

Er zwang sich zu sprechen, es gelang nur mit Mühe. »Du meinst, die Magie könnte mir das antun?«

»Tut mir leid, Richard, aber darauf kann ich dir keine Antwort geben.« Sie seufzte tief. »Zu meinen Talenten gehört ein gewisser Blick für den Fluß der Zeit, für das Treiben der Ereignisse in die Zukunft. Hierbei aber handelt es sich um eine Art Magie, die Magie eines Zauberers, die ich nicht sehen kann. Ich bin blind für sie. Ich kann nicht erkennen, wie sie vorwärts treibt. Samuel war der letzte Sucher. Er kam auf der verzweifelten Suche nach Hilfe vor vielen Jahren hierher. Aber ich konnte nichts für ihn tun, außer ihn zu bemitleiden. Dann kam eines Tages plötzlich der alte Zauberer und holte das Schwert.« Sie zog bedeutungsvoll eine Braue hoch. »Eine sehr unangenehme Erfahrung — für uns beide. Ich muß gestehen, der alte Zauberer ist mir nicht in guter Erinnerung.« Ihre Züge lösten sich. »Bis diesem Tag betrachtete Samuel das Schwert der Wahrheit als sein Eigentum. Aber ich weiß es besser. Die Zauberer sind für alle Zeiten die Hüter des Schwertes und der ihm innewohnenden Magie. Sie übertragen seine Macht nur für eine gewisse Zeit sterblichen Menschen.«

Richard mußte daran denken, wie Zedd ihm erzählt hatte, er hätte das Schwert zurückgeholt, während der letzte vorgebliche Sucher von einer Hexe abgelenkt worden war. Dies war also der Sucher, dies war die Hexe. Kahlan hatte sich geirrt; es gab zumindest einen Zauberer, der sich nach Agaden wagte.

»Vielleicht weil er kein echter Sucher war«, brachte Richard hervor und versuchte sich zu beruhigen. Seine Zunge fühlte sich noch immer geschwollen an.

Sie dachte ehrlich besorgt darüber nach. »Vielleicht. Ich weiß es nicht mehr.«

»Das muß es sein«, hauchte er. »Es muß einfach. Zedd hätte mich sonst gewarnt. Er ist mein Freund.«

Sie blickte ihn voller Ernst an. »Richard, es steht Wichtigeres auf dem Spiel als nur eine Freundschaft. Zedd weiß das und du auch. Schließlich hast du diese Dinge über sein Leben gestellt, als du mußtest.«

Richard sah zu Zedd hinüber. Wie gerne hätte er mit ihm geredet. Er brauchte ihn so dringend. War es möglich? Hätte er die Suche nach dem Kästchen so einfach über Zedds Leben gestellt, ohne einen weiteren Gedanken darauf zu verschwenden? »Shota, du hast versprochen, ihn gehen zu lassen.«

Shota betrachtete ihn einen Augenblick lang. »Tut mir leid, Richard.« Sie deutete mit einer Geste auf Zedd. Zedd flackerte, dann war er verschwunden. »Es war nur eine Täuschung. Ich wollte dir etwas beweisen. Es war nicht wirklich der alte Zauberer.«

Richard hätte verärgert sein müssen, aber das war er nicht. Er fühlte sich durch die Täuschung ein wenig verletzt und war traurig, daß Zedd nicht hier bei ihm war. Dann fuhr es ihm eiskalt durch den Körper, er bekam eine Gänsehaut.

»Ist das wirklich Kahlan? Oder hast du sie bereits getötet und mir nur ein Bild, einen Trick, eine weitere Illusion vorgegaukelt?«

Shota atmete tief durch. »Leider«, seufzte sie, »ist sie durchaus wirklich. Und genau da liegt das Problem.«

Shota hakte sich bei ihm ein und führte ihn zu Kahlan. Sie blieben vor ihr stehen. Samuel folgte und stellte sich neben die beiden. Seine Arme waren so lang, daß er, während er aufrecht stehend mit seinen gelben Augen vom einen zum anderen blickte, mit den Fingern Kreise in den Staub zog.

Shota betrachtete Kahlan einen Augenblick gedankenverloren. Sie schien über das Dilemma nachzudenken. Richard wollte nur, daß die Schlangen verschwanden. Trotz allem, was die Hexe über Hilfe und Freundschaft gesagt hatte, war Kahlan nach wie vor starr vor Angst, und das lag nicht an den Schlangen. Sie folgte Shota mit den Augen. Wie ein gefangenes Tier, das den Fallensteller sieht und nicht die Falle.

»Richard«, fragte Shota, ohne Kahlans starrem Blick auszuweichen, »könntest du sie töten, wenn du müßtest? Hättest du den Mut, sie zu töten, wenn sie deinen Erfolg gefährden würde? Wenn es um das Leben aller ginge? Sag jetzt die Wahrheit!«

Trotz ihres entwaffnenden Tons trafen Shotas Worte ihn wie ein Dolch aus Eis. Richard blickte in Kahlans aufgerissene Augen, dann musterte er die Frau neben sich. »Sie ist meine Führerin. Ich brauche sie«, sagte er schlicht, fast beiläufig.

Ein starrer Blick aus großen Mandelaugen. »Danach, Sucher, habe ich nicht gefragt.«

Richard sagte nichts. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

Shota lächelte bedauernd. »Das habe ich mir gedacht. Deswegen war dein Wunsch ein Fehler.«

»Es war kein Fehler«, protestierte Richard. »Hätte ich ihn nicht auf diese Weise verwendet, du hättest sie getötet.«

»Stimmt«, nickte Shota voller Bitterkeit, »das hätte ich. Zedds Bild war eine Prüfung. Du hast sie bestanden, und als Belohnung habe ich dir einen Wunsch gewährt. Nicht, damit du etwas bekommst, was du dir wünschst, sondern damit ich dir eine Last abnehme, weil dir der Mut dafür fehlt. Das war die zweite Prüfung. Die, mein Lieber, hast du nicht bestanden. Deinem Wunsch muß ich entsprechen. Das ist dein Fehler. Du hättest zulassen sollen, daß ich sie an deiner Stelle töte.«

»Du bist wahnsinnig! Erst versuchst du mir einzureden, du seist nicht böse und ich soll dich an deinen Taten messen, und nun zeigst du dein wahres Gesicht und behauptest, ich hätte einen Fehler gemacht, weil ich nicht zugelassen habe, daß du Kahlan umbringst! Und aus welchem Grund? Hat sie dich irgendwie bedroht? Sie hat nichts dergleichen getan. Das würde sie auch nicht. Sie will nichts weiter, als Darken Rahl aufhalten, genau wie ich. Und wie du auch!«

Shota ließ ihn geduldig ausreden. Wieder stand dieser zeitlose Blick in ihren Augen. »Hast du nicht zugehört, als ich sagte, nicht alle Ereignisse sind das, was sie zu sein scheinen? Du urteilst wieder einmal vorschnell, ohne alle Tatsachen zu kennen.«

»Kahlan ist meine Freundin, alles andere zählt nicht.«

Shota holte Luft, als hätte sie Mühe, ruhig zu bleiben, so als spräche sie zu einem begriffsstutzigen Kind. Er kam sich irgendwie dumm vor, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

»Hör zu, Richard. Darken Rahl hat die Kästchen der Ordnung ins Spiel gebracht. Hat er Erfolg, hat niemand die Macht, ihn aufzuhalten. Nie mehr. Viele Menschen werden sterben. Du. Ich. Es liegt in meinem eigenen Interesse, dir zu helfen, denn du hast als einziger eine Chance, ihn aufzuhalten. Wie oder warum, weiß ich nicht, aber ich sehe den Fluß der Macht. Du bist der einzige, der eine Chance hat. Deswegen mußt du noch lange nicht Erfolg haben. Wie klein die Chance auch sein mag, es liegt alles in deinen Händen. Du sollst auch wissen, daß es Kräfte gibt, die dich bezwingen könnten, bevor du deine Chance nutzen kannst. Der alte Zauberer hat nicht die Macht, Darken Rahl aufzuhalten. Deswegen hat er dir das Schwert gegeben. Ich habe nicht die Macht, Rahl aufzuhalten. Aber ich habe die Macht, dir zu helfen. Mehr will ich nicht. Damit helfe ich mir selbst. Ich will nicht sterben. Aber wenn Darken Rahl siegt, wird genau das geschehen.«